Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. bei dem Einflusse, den Abgeordnete der äußersten Linken auf siebesäßen, müsse man auf größere Ausschreitungen gefaßt sein, wenn die Regirung dem demokratischen Andringen Widerstand zu leisten und in festere Wege einzulenken versuche. Als der Graf Brandenburg, gleichgültig gegen solche Besorg¬ Am 9. November früh Morgens kam der zum Kriegsminister *) Gerlach ist zuverlässiger als die Quelle, aus welcher der Graf Vitzthum
von Eckstädt geschöpft haben muß, wenn er -- "Berlin und Wien" S. 247 -- die Randbemerkung so giebt: "Rother Reactionär, riecht nach Blut, später zu gebrauchen." Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. bei dem Einfluſſe, den Abgeordnete der äußerſten Linken auf ſiebeſäßen, müſſe man auf größere Ausſchreitungen gefaßt ſein, wenn die Regirung dem demokratiſchen Andringen Widerſtand zu leiſten und in feſtere Wege einzulenken verſuche. Als der Graf Brandenburg, gleichgültig gegen ſolche Beſorg¬ Am 9. November früh Morgens kam der zum Kriegsminiſter *) Gerlach iſt zuverläſſiger als die Quelle, aus welcher der Graf Vitzthum
von Eckſtädt geſchöpft haben muß, wenn er — „Berlin und Wien“ S. 247 — die Randbemerkung ſo giebt: „Rother Reactionär, riecht nach Blut, ſpäter zu gebrauchen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0077" n="50"/><fw place="top" type="header">Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.<lb/></fw>bei dem Einfluſſe, den Abgeordnete der äußerſten Linken auf ſie<lb/> beſäßen, müſſe man auf größere Ausſchreitungen gefaßt ſein, wenn<lb/> die Regirung dem demokratiſchen Andringen Widerſtand zu leiſten<lb/> und in feſtere Wege einzulenken verſuche.</p><lb/> <p>Als der Graf Brandenburg, gleichgültig gegen ſolche Beſorg¬<lb/> niſſe, ſich bereit erklärt hatte, das Präſidium zu übernehmen, kam<lb/> es darauf an, ihm geeignete und genehme Collegen zu gewinnen.<lb/> In einer Liſte, welche dem Könige vorgelegt wurde, fand ſich auch<lb/> mein Name; wie mir der General Gerlach erzählte, hatte der König<lb/> dazu an den Rand geſchrieben: „Nur zu gebrauchen, wenn das<lb/> Bayonett ſchrankenlos waltet“<note place="foot" n="*)"><lb/> Gerlach iſt zuverläſſiger als die Quelle, aus welcher der Graf Vitzthum<lb/> von Eckſtädt geſchöpft haben muß, wenn er — „Berlin und Wien“ S. 247 —<lb/> die Randbemerkung ſo giebt: „Rother Reactionär, riecht nach Blut, <hi rendition="#g">ſpäter</hi><lb/> zu gebrauchen.“</note>. Der Graf Brandenburg ſelbſt<lb/> ſagte mir in Potsdam: „Ich habe die Sache übernommen, habe<lb/> aber kaum die Zeitungen geleſen, bin mit ſtaatsrechtlichen Fragen<lb/> unbekannt und kann nichts weiter thun, als meinen Kopf zu Markte<lb/> tragen. Ich brauche einen ‚Kornak‘, einen Mann, dem ich traue<lb/> und der mir ſagt, was ich thun kann. Ich gehe in die Sache wie<lb/> ein Kind in's Dunkel, und weiß Niemanden, als Otto Manteuffel<lb/> (Director im Miniſterium des Innern), der die Vorbildung und<lb/> zugleich mein perſönliches Vertrauen beſitzt, der aber noch Bedenken<lb/> hat. Wenn er will, ſo gehe ich morgen in die Verſammlung;<lb/> wenn er nicht will, ſo müſſen wir warten und einen Andern<lb/> finden. Fahren Sie nach Berlin hinüber und bewegen Sie Man¬<lb/> teuffel.“ Dies gelang, nachdem ich von 9 Uhr bis Mitternacht<lb/> in ihn eingeredet und es übernommen hatte, ſeine Frau in Pots¬<lb/> dam zu benachrichtigen, und die für die perſönliche Sicherheit der<lb/> Miniſter im Schauſpielhauſe und in deſſen Umgebung getroffenen<lb/> Maßregeln dargelegt hatte.</p><lb/> <p>Am 9. November früh Morgens kam der zum Kriegsminiſter<lb/> ernannte General v. Strotha zu mir, weil ihn Brandenburg an mich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0077]
Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
bei dem Einfluſſe, den Abgeordnete der äußerſten Linken auf ſie
beſäßen, müſſe man auf größere Ausſchreitungen gefaßt ſein, wenn
die Regirung dem demokratiſchen Andringen Widerſtand zu leiſten
und in feſtere Wege einzulenken verſuche.
Als der Graf Brandenburg, gleichgültig gegen ſolche Beſorg¬
niſſe, ſich bereit erklärt hatte, das Präſidium zu übernehmen, kam
es darauf an, ihm geeignete und genehme Collegen zu gewinnen.
In einer Liſte, welche dem Könige vorgelegt wurde, fand ſich auch
mein Name; wie mir der General Gerlach erzählte, hatte der König
dazu an den Rand geſchrieben: „Nur zu gebrauchen, wenn das
Bayonett ſchrankenlos waltet“ *). Der Graf Brandenburg ſelbſt
ſagte mir in Potsdam: „Ich habe die Sache übernommen, habe
aber kaum die Zeitungen geleſen, bin mit ſtaatsrechtlichen Fragen
unbekannt und kann nichts weiter thun, als meinen Kopf zu Markte
tragen. Ich brauche einen ‚Kornak‘, einen Mann, dem ich traue
und der mir ſagt, was ich thun kann. Ich gehe in die Sache wie
ein Kind in's Dunkel, und weiß Niemanden, als Otto Manteuffel
(Director im Miniſterium des Innern), der die Vorbildung und
zugleich mein perſönliches Vertrauen beſitzt, der aber noch Bedenken
hat. Wenn er will, ſo gehe ich morgen in die Verſammlung;
wenn er nicht will, ſo müſſen wir warten und einen Andern
finden. Fahren Sie nach Berlin hinüber und bewegen Sie Man¬
teuffel.“ Dies gelang, nachdem ich von 9 Uhr bis Mitternacht
in ihn eingeredet und es übernommen hatte, ſeine Frau in Pots¬
dam zu benachrichtigen, und die für die perſönliche Sicherheit der
Miniſter im Schauſpielhauſe und in deſſen Umgebung getroffenen
Maßregeln dargelegt hatte.
Am 9. November früh Morgens kam der zum Kriegsminiſter
ernannte General v. Strotha zu mir, weil ihn Brandenburg an mich
*)
Gerlach iſt zuverläſſiger als die Quelle, aus welcher der Graf Vitzthum
von Eckſtädt geſchöpft haben muß, wenn er — „Berlin und Wien“ S. 247 —
die Randbemerkung ſo giebt: „Rother Reactionär, riecht nach Blut, ſpäter
zu gebrauchen.“
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