Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Passivität Spaniens gegenüber der französischen Einmischung.
erstrebten Ziele zu führen. Die Memoiren Seiner Majestät des
Königs von Rumänien sind über Einzelheiten der ministeriellen Mit¬
wirkung in der Frage nicht genau unterrichtet. Das dort erwähnte
Minister-Conseil im Schlosse hat nicht stattgefunden. Fürst Anton
wohnte als Gast des Königs im Schlosse und hatte dort diesen
Herrn und einige der Minister zum Diner eingeladen; ich glaube
kaum, daß im Tischgespräch die spanische Frage verhandelt wurde.
Wenn der Herzog von Gramont*) sich bemüht, den Beweis zu
führen, daß ich der spanischen Anregung gegenüber mich nicht ab¬
lehnend verhalten hätte, so finde ich keinen Grund, dem zu wider¬
sprechen. Des Wortlautes meines Briefes an den Marschall Prim,
von dem der Herzog hat erzählen hören, erinnere ich mich nicht
mehr; wenn ich selbst ihn redigirt habe, was ich auch nicht mehr
weiß, so werde ich die Hohenzollernsche Candidatur schwerlich "une
excellente chose"
genannt haben, der Ausdruck ist mir nicht mund¬
recht. Daß ich sie für "opportune" hielt, nicht "a un moment
donne"
, sondern prinzipiell und im Frieden, ist richtig. Ich hatte
dabei nicht den mindesten Zweifel daran, daß der am französischen
Hofe gern gesehne Enkel der Murats dem Lande Frankreichs Wohl¬
wollen sichern werde.

Die Einmischung Frankreichs galt in ihren Anfängen spani¬
schen, nicht preußischen Angelegenheiten; die Fälschung der Napoleo¬
nischen Politik, vermöge deren die Frage zu einer preußischen werden
sollte, war eine international unberechtigte und provocirende und
bewies mir, daß der Moment gekommen war, wo Frankreich Händel
mit uns suchte und bereit war, dafür jeden Vorwand zu ergreifen,
der brauchbar schien. Ich betrachtete die französische Einmischung
zunächst als eine Verletzung und deshalb als eine Beleidigung
Spaniens und erwartete, daß das spanische Ehrgefühl sich dieses

*) Gramont, La France et la Prusse avant la guerre. Paris 1872.
pag. 21.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 6

Paſſivität Spaniens gegenüber der franzöſiſchen Einmiſchung.
erſtrebten Ziele zu führen. Die Memoiren Seiner Majeſtät des
Königs von Rumänien ſind über Einzelheiten der miniſteriellen Mit¬
wirkung in der Frage nicht genau unterrichtet. Das dort erwähnte
Miniſter-Conſeil im Schloſſe hat nicht ſtattgefunden. Fürſt Anton
wohnte als Gaſt des Königs im Schloſſe und hatte dort dieſen
Herrn und einige der Miniſter zum Diner eingeladen; ich glaube
kaum, daß im Tiſchgeſpräch die ſpaniſche Frage verhandelt wurde.
Wenn der Herzog von Gramont*) ſich bemüht, den Beweis zu
führen, daß ich der ſpaniſchen Anregung gegenüber mich nicht ab¬
lehnend verhalten hätte, ſo finde ich keinen Grund, dem zu wider¬
ſprechen. Des Wortlautes meines Briefes an den Marſchall Prim,
von dem der Herzog hat erzählen hören, erinnere ich mich nicht
mehr; wenn ich ſelbſt ihn redigirt habe, was ich auch nicht mehr
weiß, ſo werde ich die Hohenzollernſche Candidatur ſchwerlich „une
excellente chose“
genannt haben, der Ausdruck iſt mir nicht mund¬
recht. Daß ich ſie für „opportune“ hielt, nicht „à un moment
donné“
, ſondern prinzipiell und im Frieden, iſt richtig. Ich hatte
dabei nicht den mindeſten Zweifel daran, daß der am franzöſiſchen
Hofe gern geſehne Enkel der Murats dem Lande Frankreichs Wohl¬
wollen ſichern werde.

Die Einmiſchung Frankreichs galt in ihren Anfängen ſpani¬
ſchen, nicht preußiſchen Angelegenheiten; die Fälſchung der Napoleo¬
niſchen Politik, vermöge deren die Frage zu einer preußiſchen werden
ſollte, war eine international unberechtigte und provocirende und
bewies mir, daß der Moment gekommen war, wo Frankreich Händel
mit uns ſuchte und bereit war, dafür jeden Vorwand zu ergreifen,
der brauchbar ſchien. Ich betrachtete die franzöſiſche Einmiſchung
zunächſt als eine Verletzung und deshalb als eine Beleidigung
Spaniens und erwartete, daß das ſpaniſche Ehrgefühl ſich dieſes

*) Gramont, La France et la Prusse avant la guerre. Paris 1872.
pag. 21.
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="81"/><fw place="top" type="header">Pa&#x017F;&#x017F;ivität Spaniens gegenüber der franzö&#x017F;i&#x017F;chen Einmi&#x017F;chung.<lb/></fw>er&#x017F;trebten Ziele zu führen. Die Memoiren Seiner Maje&#x017F;tät des<lb/>
Königs von Rumänien &#x017F;ind über Einzelheiten der mini&#x017F;teriellen Mit¬<lb/>
wirkung in der Frage nicht genau unterrichtet. Das dort erwähnte<lb/>
Mini&#x017F;ter-Con&#x017F;eil im Schlo&#x017F;&#x017F;e hat nicht &#x017F;tattgefunden. Für&#x017F;t Anton<lb/>
wohnte als Ga&#x017F;t des Königs im Schlo&#x017F;&#x017F;e und hatte dort die&#x017F;en<lb/>
Herrn und einige der Mini&#x017F;ter zum Diner eingeladen; ich glaube<lb/>
kaum, daß im Ti&#x017F;chge&#x017F;präch die &#x017F;pani&#x017F;che Frage verhandelt wurde.<lb/>
Wenn der Herzog von Gramont<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Gramont, La France et la Prusse avant la guerre. Paris</hi> 1872.<lb/><hi rendition="#aq">pag.</hi> 21.</note> &#x017F;ich bemüht, den Beweis zu<lb/>
führen, daß ich der &#x017F;pani&#x017F;chen Anregung gegenüber mich nicht ab¬<lb/>
lehnend verhalten hätte, &#x017F;o finde ich keinen Grund, dem zu wider¬<lb/>
&#x017F;prechen. Des Wortlautes meines Briefes an den Mar&#x017F;chall Prim,<lb/>
von dem der Herzog hat erzählen hören, erinnere ich mich nicht<lb/>
mehr; wenn ich &#x017F;elb&#x017F;t ihn redigirt habe, was ich auch nicht mehr<lb/>
weiß, &#x017F;o werde ich die Hohenzollern&#x017F;che Candidatur &#x017F;chwerlich <hi rendition="#aq">&#x201E;une<lb/>
excellente chose&#x201C;</hi> genannt haben, der Ausdruck i&#x017F;t mir nicht mund¬<lb/>
recht. Daß ich &#x017F;ie für &#x201E;<hi rendition="#aq">opportune</hi>&#x201C; hielt, nicht <hi rendition="#aq">&#x201E;à un moment<lb/>
donné&#x201C;</hi>, &#x017F;ondern prinzipiell und im Frieden, i&#x017F;t richtig. Ich hatte<lb/>
dabei nicht den minde&#x017F;ten Zweifel daran, daß der am franzö&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Hofe gern ge&#x017F;ehne Enkel der Murats dem Lande Frankreichs Wohl¬<lb/>
wollen &#x017F;ichern werde.</p><lb/>
        <p>Die Einmi&#x017F;chung Frankreichs galt in ihren Anfängen &#x017F;pani¬<lb/>
&#x017F;chen, nicht preußi&#x017F;chen Angelegenheiten; die Fäl&#x017F;chung der Napoleo¬<lb/>
ni&#x017F;chen Politik, vermöge deren die Frage zu einer preußi&#x017F;chen werden<lb/>
&#x017F;ollte, war eine international unberechtigte und provocirende und<lb/>
bewies mir, daß der Moment gekommen war, wo Frankreich Händel<lb/>
mit uns &#x017F;uchte und bereit war, dafür jeden Vorwand zu ergreifen,<lb/>
der brauchbar &#x017F;chien. Ich betrachtete die franzö&#x017F;i&#x017F;che Einmi&#x017F;chung<lb/>
zunäch&#x017F;t als eine Verletzung und deshalb als eine Beleidigung<lb/>
Spaniens und erwartete, daß das &#x017F;pani&#x017F;che Ehrgefühl &#x017F;ich die&#x017F;es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Otto Für&#x017F;t von Bismarck</hi>, Gedanken und Erinnerungen. <hi rendition="#aq">II</hi>. 6<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0105] Paſſivität Spaniens gegenüber der franzöſiſchen Einmiſchung. erſtrebten Ziele zu führen. Die Memoiren Seiner Majeſtät des Königs von Rumänien ſind über Einzelheiten der miniſteriellen Mit¬ wirkung in der Frage nicht genau unterrichtet. Das dort erwähnte Miniſter-Conſeil im Schloſſe hat nicht ſtattgefunden. Fürſt Anton wohnte als Gaſt des Königs im Schloſſe und hatte dort dieſen Herrn und einige der Miniſter zum Diner eingeladen; ich glaube kaum, daß im Tiſchgeſpräch die ſpaniſche Frage verhandelt wurde. Wenn der Herzog von Gramont *) ſich bemüht, den Beweis zu führen, daß ich der ſpaniſchen Anregung gegenüber mich nicht ab¬ lehnend verhalten hätte, ſo finde ich keinen Grund, dem zu wider¬ ſprechen. Des Wortlautes meines Briefes an den Marſchall Prim, von dem der Herzog hat erzählen hören, erinnere ich mich nicht mehr; wenn ich ſelbſt ihn redigirt habe, was ich auch nicht mehr weiß, ſo werde ich die Hohenzollernſche Candidatur ſchwerlich „une excellente chose“ genannt haben, der Ausdruck iſt mir nicht mund¬ recht. Daß ich ſie für „opportune“ hielt, nicht „à un moment donné“, ſondern prinzipiell und im Frieden, iſt richtig. Ich hatte dabei nicht den mindeſten Zweifel daran, daß der am franzöſiſchen Hofe gern geſehne Enkel der Murats dem Lande Frankreichs Wohl¬ wollen ſichern werde. Die Einmiſchung Frankreichs galt in ihren Anfängen ſpani¬ ſchen, nicht preußiſchen Angelegenheiten; die Fälſchung der Napoleo¬ niſchen Politik, vermöge deren die Frage zu einer preußiſchen werden ſollte, war eine international unberechtigte und provocirende und bewies mir, daß der Moment gekommen war, wo Frankreich Händel mit uns ſuchte und bereit war, dafür jeden Vorwand zu ergreifen, der brauchbar ſchien. Ich betrachtete die franzöſiſche Einmiſchung zunächſt als eine Verletzung und deshalb als eine Beleidigung Spaniens und erwartete, daß das ſpaniſche Ehrgefühl ſich dieſes *) Gramont, La France et la Prusse avant la guerre. Paris 1872. pag. 21. Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/105
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/105>, abgerufen am 23.11.2024.