Falk unterlag derselben Tactik, die am Hofe gegen mich nicht mit demselben Erfolge, aber mit gleichen Mitteln in Anwendung gebracht worden war; er unterlag ihr, theils weil er für Hof¬ eindrücke empfindlicher war als ich, theils weil ihm die Sympathie des Kaisers nicht in gleichem Maße zur Seite stand wie mir. Die antiministerielle Thätigkeit der Kaiserin fand ihre ursprüngliche Quelle in der Unabhängigkeit des Charakters, welche es ihr er¬ schwerte, mit einer Regirung zu gehn, die nicht in ihren eignen Händen lag, und welche ihr ein Menschenalter hindurch den Weg der Opposition gegen die jedesmalige Regirung anziehend machte. Sie war nicht leicht der Meinung eines Andern. Zur Zeit des Culturkampfes wurde diese Neigung gefördert durch die katholische Umgebung Ihrer Majestät, welche aus dem ultramontanen Lager Information und Anweisung erhielt. Diese Einflüsse nutzten mit Ge¬ schick und Menschenkenntniß die alte Neigung der Kaiserin aus, auf die jedesmalige Staatsregirung verbessernd einzuwirken. Ich habe Falk wiederholt seine beabsichtigten Abschiedsgesuche ausgeredet, die sich an Kaiserliche Handschreiben ungnädigen Inhalts, welche wohl nicht der eignen Initiative des hohen Herrn entsprungen waren, und an verletzendes Benehmen gegen seine Frau am Hofe knüpften. Ich empfahl ihm, sich den ungnädigen, aber auch uncontrasignirten Allerhöchsten Erlassen gegenüber, die weniger an den Culturkampf als an die Beziehungen des Cultusministers zum Oberkirchenrath und zur evangelischen Kirche anknüpften, passiv zu verhalten, allen¬ falls seine Beschwerden an das Staatsministerium zu bringen, dessen Anträge, wenn sie einhellig waren, der König zu berücksichtigen pflegte. Endlich aber wurde er dadurch, daß er Kränkungen ausgesetzt war, die seinem Ehrgefühl empfindlich waren, doch bestimmt, seinen Abschied zu nehmen. Alle Erzählungen, nach denen ich ihn aus dem Ministerium verdrängt haben soll, beruhn auf Erfindung, und ich habe mich gewundert, daß er selbst ihnen niemals in der Oeffent¬ lichkeit widersprochen hat, obschon er mit mir stets in befreundeten Beziehungen geblieben ist. Aus den Vorgängen, die für seinen
Die Maigeſetze. Urſachen von Falks Rücktritt.
Falk unterlag derſelben Tactik, die am Hofe gegen mich nicht mit demſelben Erfolge, aber mit gleichen Mitteln in Anwendung gebracht worden war; er unterlag ihr, theils weil er für Hof¬ eindrücke empfindlicher war als ich, theils weil ihm die Sympathie des Kaiſers nicht in gleichem Maße zur Seite ſtand wie mir. Die antiminiſterielle Thätigkeit der Kaiſerin fand ihre urſprüngliche Quelle in der Unabhängigkeit des Charakters, welche es ihr er¬ ſchwerte, mit einer Regirung zu gehn, die nicht in ihren eignen Händen lag, und welche ihr ein Menſchenalter hindurch den Weg der Oppoſition gegen die jedesmalige Regirung anziehend machte. Sie war nicht leicht der Meinung eines Andern. Zur Zeit des Culturkampfes wurde dieſe Neigung gefördert durch die katholiſche Umgebung Ihrer Majeſtät, welche aus dem ultramontanen Lager Information und Anweiſung erhielt. Dieſe Einflüſſe nutzten mit Ge¬ ſchick und Menſchenkenntniß die alte Neigung der Kaiſerin aus, auf die jedesmalige Staatsregirung verbeſſernd einzuwirken. Ich habe Falk wiederholt ſeine beabſichtigten Abſchiedsgeſuche ausgeredet, die ſich an Kaiſerliche Handſchreiben ungnädigen Inhalts, welche wohl nicht der eignen Initiative des hohen Herrn entſprungen waren, und an verletzendes Benehmen gegen ſeine Frau am Hofe knüpften. Ich empfahl ihm, ſich den ungnädigen, aber auch uncontraſignirten Allerhöchſten Erlaſſen gegenüber, die weniger an den Culturkampf als an die Beziehungen des Cultusminiſters zum Oberkirchenrath und zur evangeliſchen Kirche anknüpften, paſſiv zu verhalten, allen¬ falls ſeine Beſchwerden an das Staatsminiſterium zu bringen, deſſen Anträge, wenn ſie einhellig waren, der König zu berückſichtigen pflegte. Endlich aber wurde er dadurch, daß er Kränkungen ausgeſetzt war, die ſeinem Ehrgefühl empfindlich waren, doch beſtimmt, ſeinen Abſchied zu nehmen. Alle Erzählungen, nach denen ich ihn aus dem Miniſterium verdrängt haben ſoll, beruhn auf Erfindung, und ich habe mich gewundert, daß er ſelbſt ihnen niemals in der Oeffent¬ lichkeit widerſprochen hat, obſchon er mit mir ſtets in befreundeten Beziehungen geblieben iſt. Aus den Vorgängen, die für ſeinen
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Die Maigeſetze. Urſachen von Falks Rücktritt.
Falk unterlag derſelben Tactik, die am Hofe gegen mich nicht
mit demſelben Erfolge, aber mit gleichen Mitteln in Anwendung
gebracht worden war; er unterlag ihr, theils weil er für Hof¬
eindrücke empfindlicher war als ich, theils weil ihm die Sympathie
des Kaiſers nicht in gleichem Maße zur Seite ſtand wie mir. Die
antiminiſterielle Thätigkeit der Kaiſerin fand ihre urſprüngliche
Quelle in der Unabhängigkeit des Charakters, welche es ihr er¬
ſchwerte, mit einer Regirung zu gehn, die nicht in ihren eignen
Händen lag, und welche ihr ein Menſchenalter hindurch den Weg
der Oppoſition gegen die jedesmalige Regirung anziehend machte.
Sie war nicht leicht der Meinung eines Andern. Zur Zeit des
Culturkampfes wurde dieſe Neigung gefördert durch die katholiſche
Umgebung Ihrer Majeſtät, welche aus dem ultramontanen Lager
Information und Anweiſung erhielt. Dieſe Einflüſſe nutzten mit Ge¬
ſchick und Menſchenkenntniß die alte Neigung der Kaiſerin aus, auf
die jedesmalige Staatsregirung verbeſſernd einzuwirken. Ich habe
Falk wiederholt ſeine beabſichtigten Abſchiedsgeſuche ausgeredet, die
ſich an Kaiſerliche Handſchreiben ungnädigen Inhalts, welche wohl
nicht der eignen Initiative des hohen Herrn entſprungen waren,
und an verletzendes Benehmen gegen ſeine Frau am Hofe knüpften.
Ich empfahl ihm, ſich den ungnädigen, aber auch uncontraſignirten
Allerhöchſten Erlaſſen gegenüber, die weniger an den Culturkampf
als an die Beziehungen des Cultusminiſters zum Oberkirchenrath
und zur evangeliſchen Kirche anknüpften, paſſiv zu verhalten, allen¬
falls ſeine Beſchwerden an das Staatsminiſterium zu bringen, deſſen
Anträge, wenn ſie einhellig waren, der König zu berückſichtigen pflegte.
Endlich aber wurde er dadurch, daß er Kränkungen ausgeſetzt war,
die ſeinem Ehrgefühl empfindlich waren, doch beſtimmt, ſeinen
Abſchied zu nehmen. Alle Erzählungen, nach denen ich ihn aus
dem Miniſterium verdrängt haben ſoll, beruhn auf Erfindung, und
ich habe mich gewundert, daß er ſelbſt ihnen niemals in der Oeffent¬
lichkeit widerſprochen hat, obſchon er mit mir ſtets in befreundeten
Beziehungen geblieben iſt. Aus den Vorgängen, die für ſeinen
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/155>, abgerufen am 23.11.2024.
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