Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898."Maintenant la paix est assuree." Gortschakow als Friedensengel. Schaden gereichten. Wenn ihm daran liege, in Paris gerühmt zuwerden, so brauchte er deshalb unsre russischen Beziehungen noch nicht zu verderben, ich sei gern bereit, ihm beizustehn und in Berlin Fünffrankenstücke schlagen zu lassen mit der Umschrift: Gortchakoff protege la France; wir könnten auch in der deutschen Botschaft ein Theater herstellen, wo er der französischen Gesellschaft mit derselben Umschrift als Schutzengel im weißen Kleide und mit Flügeln in bengalischem Feuer vorgeführt würde. Er wurde unter meinen bittern Invectiven ziemlich kleinlaut, Mir lag eine solche damals und später so fern, daß ich eher „Maintenant la paix est assurée.“ Gortſchakow als Friedensengel. Schaden gereichten. Wenn ihm daran liege, in Paris gerühmt zuwerden, ſo brauchte er deshalb unſre ruſſiſchen Beziehungen noch nicht zu verderben, ich ſei gern bereit, ihm beizuſtehn und in Berlin Fünffrankenſtücke ſchlagen zu laſſen mit der Umſchrift: Gortchakoff protège la France; wir könnten auch in der deutſchen Botſchaft ein Theater herſtellen, wo er der franzöſiſchen Geſellſchaft mit derſelben Umſchrift als Schutzengel im weißen Kleide und mit Flügeln in bengaliſchem Feuer vorgeführt würde. Er wurde unter meinen bittern Invectiven ziemlich kleinlaut, Mir lag eine ſolche damals und ſpäter ſo fern, daß ich eher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0199" n="175"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">„Maintenant la paix est assurée</hi>.“ Gortſchakow als Friedensengel.<lb/></fw> Schaden gereichten. Wenn ihm daran liege, in Paris gerühmt zu<lb/> werden, ſo brauchte er deshalb unſre ruſſiſchen Beziehungen noch<lb/> nicht zu verderben, ich ſei gern bereit, ihm beizuſtehn und in<lb/> Berlin Fünffrankenſtücke ſchlagen zu laſſen mit der Umſchrift:<lb/><hi rendition="#aq">Gortchakoff protège la France</hi>; wir könnten auch in der deutſchen<lb/> Botſchaft ein Theater herſtellen, wo er der franzöſiſchen Geſellſchaft<lb/> mit derſelben Umſchrift als Schutzengel im weißen Kleide und mit<lb/> Flügeln in bengaliſchem Feuer vorgeführt würde.</p><lb/> <p>Er wurde unter meinen bittern Invectiven ziemlich kleinlaut,<lb/> beſtritt die für mich beweiskräftig feſtſtehenden Thatſachen und<lb/> zeigte nicht die ihm ſonſt eigne Sicherheit und Beredſamkeit,<lb/> woraus ich ſchließen durfte, daß er Zweifel hatte, ob ſein kaiſer¬<lb/> licher Herr ſein Verhalten billigen werde. Der Beweis wurde<lb/> vervollſtändigt, als ich mich bei dem Kaiſer Alexander mit derſelben<lb/> Offenheit über Gortſchakows unehrliches Verfahren beſchwerte; der<lb/> Kaiſer gab den ganzen Thatbeſtand zu und beſchränkte ſich rauchend<lb/> und lachend darauf, zu ſagen, ich möge dieſe <hi rendition="#aq">vanité ſénile</hi> nicht<lb/> zu ernſthaft nehmen. Die dadurch allerdings ausgeſprochene Mi߬<lb/> billigung hat aber niemals einen hinreichend authentiſchen Ausdruck<lb/> gefunden, um die Legende von unſrer Abſicht, 1875 Frankreich zu<lb/> überfallen, aus der Welt zu ſchaffen.</p><lb/> <p>Mir lag eine ſolche damals und ſpäter ſo fern, daß ich eher<lb/> zurückgetreten ſein würde, als zu einem vom Zaune zu brechen¬<lb/> den Kriege die Hand zu bieten, der kein andres Motiv gehabt<lb/> haben würde, als Frankreich nicht wieder zu Athem und zu Kräften<lb/> kommen zu laſſen. Ein ſolcher Krieg hätte meiner Anſicht nach<lb/> nicht zu haltbaren Zuſtänden in Europa auf die Dauer geführt,<lb/> wohl aber eine Uebereinſtimmung von Rußland, Oeſtreich und<lb/> England in Mißtrauen und eventuell in activem Vorgehn einleiten<lb/> können gegen das neue und noch nicht conſolidirte Reich, das<lb/> damit die Wege betreten haben würde, auf denen das erſte und<lb/> das zweite franzöſiſche Kaiſerreich in einer fortgeſetzten Kriegs- und<lb/> Preſtige-Politik ihrem Untergange entgegengingen. Europa würde<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0199]
„Maintenant la paix est assurée.“ Gortſchakow als Friedensengel.
Schaden gereichten. Wenn ihm daran liege, in Paris gerühmt zu
werden, ſo brauchte er deshalb unſre ruſſiſchen Beziehungen noch
nicht zu verderben, ich ſei gern bereit, ihm beizuſtehn und in
Berlin Fünffrankenſtücke ſchlagen zu laſſen mit der Umſchrift:
Gortchakoff protège la France; wir könnten auch in der deutſchen
Botſchaft ein Theater herſtellen, wo er der franzöſiſchen Geſellſchaft
mit derſelben Umſchrift als Schutzengel im weißen Kleide und mit
Flügeln in bengaliſchem Feuer vorgeführt würde.
Er wurde unter meinen bittern Invectiven ziemlich kleinlaut,
beſtritt die für mich beweiskräftig feſtſtehenden Thatſachen und
zeigte nicht die ihm ſonſt eigne Sicherheit und Beredſamkeit,
woraus ich ſchließen durfte, daß er Zweifel hatte, ob ſein kaiſer¬
licher Herr ſein Verhalten billigen werde. Der Beweis wurde
vervollſtändigt, als ich mich bei dem Kaiſer Alexander mit derſelben
Offenheit über Gortſchakows unehrliches Verfahren beſchwerte; der
Kaiſer gab den ganzen Thatbeſtand zu und beſchränkte ſich rauchend
und lachend darauf, zu ſagen, ich möge dieſe vanité ſénile nicht
zu ernſthaft nehmen. Die dadurch allerdings ausgeſprochene Mi߬
billigung hat aber niemals einen hinreichend authentiſchen Ausdruck
gefunden, um die Legende von unſrer Abſicht, 1875 Frankreich zu
überfallen, aus der Welt zu ſchaffen.
Mir lag eine ſolche damals und ſpäter ſo fern, daß ich eher
zurückgetreten ſein würde, als zu einem vom Zaune zu brechen¬
den Kriege die Hand zu bieten, der kein andres Motiv gehabt
haben würde, als Frankreich nicht wieder zu Athem und zu Kräften
kommen zu laſſen. Ein ſolcher Krieg hätte meiner Anſicht nach
nicht zu haltbaren Zuſtänden in Europa auf die Dauer geführt,
wohl aber eine Uebereinſtimmung von Rußland, Oeſtreich und
England in Mißtrauen und eventuell in activem Vorgehn einleiten
können gegen das neue und noch nicht conſolidirte Reich, das
damit die Wege betreten haben würde, auf denen das erſte und
das zweite franzöſiſche Kaiſerreich in einer fortgeſetzten Kriegs- und
Preſtige-Politik ihrem Untergange entgegengingen. Europa würde
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