Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Gesundheitsbankrott. Herr v. Gruner. von Gruner in den Kreisen, die 1876 die "Reichsglocke" prote¬girten und speisten. Nachdem der Redacteur dieses Blattes im Januar 1877 ver¬ Ich schrieb darüber unter dem 8. Juni an den Chef der "Meiner Ansicht nach ist der amtliche Theil des Reichs- Geſundheitsbankrott. Herr v. Gruner. von Gruner in den Kreiſen, die 1876 die „Reichsglocke“ prote¬girten und ſpeiſten. Nachdem der Redacteur dieſes Blattes im Januar 1877 ver¬ Ich ſchrieb darüber unter dem 8. Juni an den Chef der „Meiner Anſicht nach iſt der amtliche Theil des Reichs- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0223" n="199"/><fw place="top" type="header">Geſundheitsbankrott. Herr v. Gruner.<lb/></fw>von Gruner in den Kreiſen, die 1876 die „Reichsglocke“ prote¬<lb/> girten und ſpeiſten.</p><lb/> <p>Nachdem der Redacteur dieſes Blattes im Januar 1877 ver¬<lb/> urtheilt und ich im März das von Sr. Majeſtät abgelehnte Ab¬<lb/> ſchiedsgeſuch eingereicht hatte, kam es im Juni, während ich mich<lb/> zur Kur in Kiſſingen befand, im Geſchäftswege zu meiner Kenntniß,<lb/> daß Herr von Gruner in das Hausminiſterium berufen, zugleich<lb/> ohne Gegenzeichnung eines verantwortlichen Miniſters zum Wirk¬<lb/> lichen Geheimen Rath ernannt ſei, und daß Herr von Schleinitz<lb/> an den Curator des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ das An¬<lb/> ſinnen geſtellt habe, dieſe Ernennung in dem amtlichen Blatte zu<lb/> publiciren.</p><lb/> <p>Ich ſchrieb darüber unter dem 8. Juni an den Chef der<lb/> Reichskanzlei Geheim-Rath Tiedemann, zur Mittheilung an das<lb/> Staatsminiſterium:</p><lb/> <p>„Meiner Anſicht nach iſt der amtliche Theil des Reichs-<lb/> und Staats-Anzeigers für ſolche Veröffentlichungen da, welche be¬<lb/> züglich der Reichs- und der Preußiſchen Staats-Angelegenheiten<lb/> unter Verantwortung des Reichskanzlers reſp. des Preußiſchen<lb/> Staatsminiſteriums erfolgen. Kommt die Ernennung Gruners ohne<lb/> Weitres in den amtlichen Theil, ſo kann ſelbſt durch die vorgängige<lb/> Erwähnung der Ueberweiſung an das Hausminiſterium die Prä¬<lb/> ſumtion nicht entkräftet werden, daß das Staatsminiſterium die Er¬<lb/> nennung Gruners zum Wirkl. Geheimen Rath mit ſeiner Ver¬<lb/> antwortlichkeit deckt. Die öffentliche Meinung und der Landtag<lb/> würden kaum annehmen, daß das Staatsminiſterium dieſe Aus¬<lb/> zeichnung ſeines notoriſchen Gegners gewünſcht habe; ſie würden<lb/> vielmehr die Wahrheit leicht errathen, daß das Staatsminiſterium<lb/> bei Hofe nicht das hinreichende Anſehn, bei Sr. Majeſtät nicht<lb/> den hinreichenden Einfluß gehabt habe, um dieſe Ernennung zu<lb/> hindern; man würde auch darüber garnicht zweifelhaft ſein, daß<lb/> dieſe im Staatsanzeiger veröffentlichte Ernennung eine vom Staats¬<lb/> miniſterium <hi rendition="#aq">more solito</hi> contraſignirte geweſen ſei. Der Glaube,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [199/0223]
Geſundheitsbankrott. Herr v. Gruner.
von Gruner in den Kreiſen, die 1876 die „Reichsglocke“ prote¬
girten und ſpeiſten.
Nachdem der Redacteur dieſes Blattes im Januar 1877 ver¬
urtheilt und ich im März das von Sr. Majeſtät abgelehnte Ab¬
ſchiedsgeſuch eingereicht hatte, kam es im Juni, während ich mich
zur Kur in Kiſſingen befand, im Geſchäftswege zu meiner Kenntniß,
daß Herr von Gruner in das Hausminiſterium berufen, zugleich
ohne Gegenzeichnung eines verantwortlichen Miniſters zum Wirk¬
lichen Geheimen Rath ernannt ſei, und daß Herr von Schleinitz
an den Curator des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ das An¬
ſinnen geſtellt habe, dieſe Ernennung in dem amtlichen Blatte zu
publiciren.
Ich ſchrieb darüber unter dem 8. Juni an den Chef der
Reichskanzlei Geheim-Rath Tiedemann, zur Mittheilung an das
Staatsminiſterium:
„Meiner Anſicht nach iſt der amtliche Theil des Reichs-
und Staats-Anzeigers für ſolche Veröffentlichungen da, welche be¬
züglich der Reichs- und der Preußiſchen Staats-Angelegenheiten
unter Verantwortung des Reichskanzlers reſp. des Preußiſchen
Staatsminiſteriums erfolgen. Kommt die Ernennung Gruners ohne
Weitres in den amtlichen Theil, ſo kann ſelbſt durch die vorgängige
Erwähnung der Ueberweiſung an das Hausminiſterium die Prä¬
ſumtion nicht entkräftet werden, daß das Staatsminiſterium die Er¬
nennung Gruners zum Wirkl. Geheimen Rath mit ſeiner Ver¬
antwortlichkeit deckt. Die öffentliche Meinung und der Landtag
würden kaum annehmen, daß das Staatsminiſterium dieſe Aus¬
zeichnung ſeines notoriſchen Gegners gewünſcht habe; ſie würden
vielmehr die Wahrheit leicht errathen, daß das Staatsminiſterium
bei Hofe nicht das hinreichende Anſehn, bei Sr. Majeſtät nicht
den hinreichenden Einfluß gehabt habe, um dieſe Ernennung zu
hindern; man würde auch darüber garnicht zweifelhaft ſein, daß
dieſe im Staatsanzeiger veröffentlichte Ernennung eine vom Staats¬
miniſterium more solito contraſignirte geweſen ſei. Der Glaube,
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