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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intrigen.
Augenblick ganz davon ab, daß grade diese Reichsglocken-Elemente
mir die Erfüllung meiner Amtspflicht in einem meine Kräfte über¬
schreitenden Maße erschweren. Ich spreche jetzt nur von dem
Schlag, der dadurch persönlich gegen mich hat geführt werden
sollen, daß dieser Mensch Sr. Majestät hat mit Erfolg empfohlen
werden können. Wenn ich dem gegenüber in meinem Schreiben
an Tiedemann sage, daß für meine Herrn Collegen ein zwingendes
Motiv zum Rücktritt in diesem Grunerschen Falle nicht liegt, so
erscheint mir meine Lage demselben gegenüber als eine wesentlich
andre.

Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie namentlich mit
Camphausen, Friedenthal und Falk in diesem Sinne vertraulich reden
wollten. Das Verhalten Wilmowskis gestaltet sich anders, als ich
erwartet hatte. Ich hatte bisher auf ihn als auf einen sichern
Bundesgenossen gegen die Schleinitzsche Camarilla gerechnet; seine
Thätigkeit in diesem Falle aber verstehe ich nicht recht. Er wird
mit Eulenburg und Leonhardt zusammen das Staatsministerium um
das Maß von Selbstachtung, von Consideration und schließlich auch
im Lande bringen, ohne welches sich in diesen schwierigen Lagen
am Hofe und im Lande die Staatsgeschäfte nicht führen lassen.
Gegen Eulenburg wird man sich nur so äußern können, wie es
wiedererzählt werden kann. Wie stellt sich eigentlich Hofmann zu
der Sache?

Mir scheint die Kur gut zu bekommen, doch markirt sich jeder
Rückschlag über ärgerliche Eindrücke in empfindlicher Weise und
läßt mich voraussehn, daß mein Gesundheitszustand ein geschäfts¬
fähiger schwerlich wieder werden wird. Vor der einfachen Be¬
sorgung der Amtsgeschäfte würde ich nicht zurückschrecken; aber die
faux frais der Hofintrigen vermag ich nicht mehr in der Weise zu
tragen wie früher, vielleicht auch deshalb, weil sie an Umfang und
Wirkung in erschreckender Weise zugenommen haben. Diese eigent¬
lichen Gründe meiner fortbestehenden Absicht, zurückzutreten, habe
ich vor drei Monaten verschwiegen, obschon es wesentlich dieselben

Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen.
Augenblick ganz davon ab, daß grade dieſe Reichsglocken-Elemente
mir die Erfüllung meiner Amtspflicht in einem meine Kräfte über¬
ſchreitenden Maße erſchweren. Ich ſpreche jetzt nur von dem
Schlag, der dadurch perſönlich gegen mich hat geführt werden
ſollen, daß dieſer Menſch Sr. Majeſtät hat mit Erfolg empfohlen
werden können. Wenn ich dem gegenüber in meinem Schreiben
an Tiedemann ſage, daß für meine Herrn Collegen ein zwingendes
Motiv zum Rücktritt in dieſem Grunerſchen Falle nicht liegt, ſo
erſcheint mir meine Lage demſelben gegenüber als eine weſentlich
andre.

Ich würde Ihnen ſehr dankbar ſein, wenn Sie namentlich mit
Camphauſen, Friedenthal und Falk in dieſem Sinne vertraulich reden
wollten. Das Verhalten Wilmowskis geſtaltet ſich anders, als ich
erwartet hatte. Ich hatte bisher auf ihn als auf einen ſichern
Bundesgenoſſen gegen die Schleinitzſche Camarilla gerechnet; ſeine
Thätigkeit in dieſem Falle aber verſtehe ich nicht recht. Er wird
mit Eulenburg und Leonhardt zuſammen das Staatsminiſterium um
das Maß von Selbſtachtung, von Conſideration und ſchließlich auch
im Lande bringen, ohne welches ſich in dieſen ſchwierigen Lagen
am Hofe und im Lande die Staatsgeſchäfte nicht führen laſſen.
Gegen Eulenburg wird man ſich nur ſo äußern können, wie es
wiedererzählt werden kann. Wie ſtellt ſich eigentlich Hofmann zu
der Sache?

Mir ſcheint die Kur gut zu bekommen, doch markirt ſich jeder
Rückſchlag über ärgerliche Eindrücke in empfindlicher Weiſe und
läßt mich vorausſehn, daß mein Geſundheitszuſtand ein geſchäfts¬
fähiger ſchwerlich wieder werden wird. Vor der einfachen Be¬
ſorgung der Amtsgeſchäfte würde ich nicht zurückſchrecken; aber die
faux frais der Hofintrigen vermag ich nicht mehr in der Weiſe zu
tragen wie früher, vielleicht auch deshalb, weil ſie an Umfang und
Wirkung in erſchreckender Weiſe zugenommen haben. Dieſe eigent¬
lichen Gründe meiner fortbeſtehenden Abſicht, zurückzutreten, habe
ich vor drei Monaten verſchwiegen, obſchon es weſentlich dieſelben

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[204/0228] Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen. Augenblick ganz davon ab, daß grade dieſe Reichsglocken-Elemente mir die Erfüllung meiner Amtspflicht in einem meine Kräfte über¬ ſchreitenden Maße erſchweren. Ich ſpreche jetzt nur von dem Schlag, der dadurch perſönlich gegen mich hat geführt werden ſollen, daß dieſer Menſch Sr. Majeſtät hat mit Erfolg empfohlen werden können. Wenn ich dem gegenüber in meinem Schreiben an Tiedemann ſage, daß für meine Herrn Collegen ein zwingendes Motiv zum Rücktritt in dieſem Grunerſchen Falle nicht liegt, ſo erſcheint mir meine Lage demſelben gegenüber als eine weſentlich andre. Ich würde Ihnen ſehr dankbar ſein, wenn Sie namentlich mit Camphauſen, Friedenthal und Falk in dieſem Sinne vertraulich reden wollten. Das Verhalten Wilmowskis geſtaltet ſich anders, als ich erwartet hatte. Ich hatte bisher auf ihn als auf einen ſichern Bundesgenoſſen gegen die Schleinitzſche Camarilla gerechnet; ſeine Thätigkeit in dieſem Falle aber verſtehe ich nicht recht. Er wird mit Eulenburg und Leonhardt zuſammen das Staatsminiſterium um das Maß von Selbſtachtung, von Conſideration und ſchließlich auch im Lande bringen, ohne welches ſich in dieſen ſchwierigen Lagen am Hofe und im Lande die Staatsgeſchäfte nicht führen laſſen. Gegen Eulenburg wird man ſich nur ſo äußern können, wie es wiedererzählt werden kann. Wie ſtellt ſich eigentlich Hofmann zu der Sache? Mir ſcheint die Kur gut zu bekommen, doch markirt ſich jeder Rückſchlag über ärgerliche Eindrücke in empfindlicher Weiſe und läßt mich vorausſehn, daß mein Geſundheitszuſtand ein geſchäfts¬ fähiger ſchwerlich wieder werden wird. Vor der einfachen Be¬ ſorgung der Amtsgeſchäfte würde ich nicht zurückſchrecken; aber die faux frais der Hofintrigen vermag ich nicht mehr in der Weiſe zu tragen wie früher, vielleicht auch deshalb, weil ſie an Umfang und Wirkung in erſchreckender Weiſe zugenommen haben. Dieſe eigent¬ lichen Gründe meiner fortbeſtehenden Abſicht, zurückzutreten, habe ich vor drei Monaten verſchwiegen, obſchon es weſentlich dieſelben

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/228>, abgerufen am 24.11.2024.