Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Deutschlands Aufgabe: den Frieden zu erhalten. Zeit aus dem abwartenden Stadium in das handelnde drängenlassen; wenn nicht, plectuntur Achivi. Unsre Zurückhaltung kann vernünftiger Weise nicht den Zweck Deutſchlands Aufgabe: den Frieden zu erhalten. Zeit aus dem abwartenden Stadium in das handelnde drängenlaſſen; wenn nicht, plectuntur Achivi. Unſre Zurückhaltung kann vernünftiger Weiſe nicht den Zweck <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0291" n="267"/><fw place="top" type="header">Deutſchlands Aufgabe: den Frieden zu erhalten.<lb/></fw>Zeit aus dem abwartenden Stadium in das handelnde drängen<lb/> laſſen; wenn nicht, <hi rendition="#aq">plectuntur Achivi</hi>.</p><lb/> <p>Unſre Zurückhaltung kann vernünftiger Weiſe nicht den Zweck<lb/> haben, über irgend einen unſrer Nachbarn oder möglichen Gegner<lb/> mit geſchonten Kräften herzufallen, nachdem die andern ſich ge¬<lb/> ſchwächt hätten. Im Gegentheil ſollten wir uns bemühn, die<lb/> Verſtimmungen, die unſer Heranwachſen zu einer wirklichen Gro߬<lb/> macht hervorgerufen hat, durch den ehrlichen und friedliebenden<lb/> Gebrauch unſrer Schwerkraft abzuſchwächen, um die Welt zu über¬<lb/> zeugen, daß eine deutſche Hegemonie in Europa nützlicher und<lb/> unparteiiſcher, auch unſchädlicher für die Freiheit andrer wirkt als<lb/> eine franzöſiſche, ruſſiſche oder engliſche. Die Achtung vor den<lb/> Rechten andrer Staaten, an der namentlich Frankreich in den<lb/> Zeiten ſeines Uebergewichts es hat fehlen laſſen, und die in Eng¬<lb/> land doch nur ſo weit reicht, als die engliſchen Intereſſen nicht<lb/> berührt werden, wird dem Deutſchen Reiche und ſeiner Politik<lb/> erleichtert, einerſeits durch die Objectivität des deutſchen Charakters,<lb/> andrerſeits durch die verdienſtloſe Thatſache, daß wir eine Ver¬<lb/> größerung unſres unmittelbaren Gebietes nicht brauchen, auch nicht<lb/> herſtellen könnten, ohne die centrifugalen Elemente im eignen Ge¬<lb/> biete zu ſtärken. Mein ideales Ziel, nachdem wir unſre Einheit<lb/> innerhalb der erreichbaren Grenzen zu Stande gebracht hatten, iſt<lb/> ſtets geweſen, das Vertrauen nicht nur der mindermächtigen euro¬<lb/> päiſchen Staaten, ſondern auch der großen Mächte zu erwerben,<lb/> daß die deutſche Politik, nachdem ſie die <hi rendition="#aq">injuria temporum</hi>, die<lb/> Zerſplitterung der Nation, gut gemacht hat, friedliebend und gerecht<lb/> ſein will. Um dieſes Vertrauen zu erzeugen, iſt vor allen Dingen<lb/> Ehrlichkeit, Offenheit und Verſöhnlichkeit im Falle von Reibungen<lb/> oder von <hi rendition="#aq">untoward events</hi> nöthig. Ich habe dieſes Recept nicht<lb/> ohne Widerſtreben meiner perſönlichen Empfindlichkeiten befolgt in<lb/> Fällen wie Schnäbele (April 1887), Boulanger, Kaufmann (Sep¬<lb/> tember 1887), Spanien gegenüber in der Carolinen-Frage, den<lb/> Vereinigten Staaten gegenüber in Samoa, und vermuthe, daß die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [267/0291]
Deutſchlands Aufgabe: den Frieden zu erhalten.
Zeit aus dem abwartenden Stadium in das handelnde drängen
laſſen; wenn nicht, plectuntur Achivi.
Unſre Zurückhaltung kann vernünftiger Weiſe nicht den Zweck
haben, über irgend einen unſrer Nachbarn oder möglichen Gegner
mit geſchonten Kräften herzufallen, nachdem die andern ſich ge¬
ſchwächt hätten. Im Gegentheil ſollten wir uns bemühn, die
Verſtimmungen, die unſer Heranwachſen zu einer wirklichen Gro߬
macht hervorgerufen hat, durch den ehrlichen und friedliebenden
Gebrauch unſrer Schwerkraft abzuſchwächen, um die Welt zu über¬
zeugen, daß eine deutſche Hegemonie in Europa nützlicher und
unparteiiſcher, auch unſchädlicher für die Freiheit andrer wirkt als
eine franzöſiſche, ruſſiſche oder engliſche. Die Achtung vor den
Rechten andrer Staaten, an der namentlich Frankreich in den
Zeiten ſeines Uebergewichts es hat fehlen laſſen, und die in Eng¬
land doch nur ſo weit reicht, als die engliſchen Intereſſen nicht
berührt werden, wird dem Deutſchen Reiche und ſeiner Politik
erleichtert, einerſeits durch die Objectivität des deutſchen Charakters,
andrerſeits durch die verdienſtloſe Thatſache, daß wir eine Ver¬
größerung unſres unmittelbaren Gebietes nicht brauchen, auch nicht
herſtellen könnten, ohne die centrifugalen Elemente im eignen Ge¬
biete zu ſtärken. Mein ideales Ziel, nachdem wir unſre Einheit
innerhalb der erreichbaren Grenzen zu Stande gebracht hatten, iſt
ſtets geweſen, das Vertrauen nicht nur der mindermächtigen euro¬
päiſchen Staaten, ſondern auch der großen Mächte zu erwerben,
daß die deutſche Politik, nachdem ſie die injuria temporum, die
Zerſplitterung der Nation, gut gemacht hat, friedliebend und gerecht
ſein will. Um dieſes Vertrauen zu erzeugen, iſt vor allen Dingen
Ehrlichkeit, Offenheit und Verſöhnlichkeit im Falle von Reibungen
oder von untoward events nöthig. Ich habe dieſes Recept nicht
ohne Widerſtreben meiner perſönlichen Empfindlichkeiten befolgt in
Fällen wie Schnäbele (April 1887), Boulanger, Kaufmann (Sep¬
tember 1887), Spanien gegenüber in der Carolinen-Frage, den
Vereinigten Staaten gegenüber in Samoa, und vermuthe, daß die
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