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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Bedeutung des Nordostsee-Canals. Helgoland.
her weiß, so ist der letztre genöthigt, in jedem der beiden Meere
ein unsrer ganzen Flotte äquivalentes Geschwader zu unterhalten.
Aus diesen und andern Gründen war ich der Meinung, daß die
Herstellung des Canals unsrer Küstenvertheidigung nützlicher sein
würde, als die Verwendung der Canalkosten auf Festungsbau und
Mehranschaffung von Schiffen, für deren Bemannung wir nicht
über unbegrenzte Kräfte verfügen. Mein Wunsch war, den Canal
von der Niederelbe in westlicher Richtung so weit fortzusetzen, daß
die Wesermündung, die Jahde und eventuell auch die Emsmündung
zu Ausfallpforten, welche der blockirende Feind zu beobachten hätte,
hergerichtet würden. Die westliche Fortsetzung des Canals wäre
verhältnißmäßig weniger kostspielig, als die Durchschneidung des
holsteinischen Landrückens, da sich Linien von gleichmäßigem Niveau
darbieten, auch zur Umgehung der hohen Geest an der Landspitze
zwischen der Weser und der Elbemündung.

Im Hinblick auf eine, voraussichtlich französische, Blockade war
bisher die Deckung Helgolands durch die englische Neutralität für
uns nützlich; ein französisches Geschwader konnte daselbst kein
Kohlendepot haben, sondern war genöthigt, zur Beschaffung des
Kohlenbedarfs in bestimmten, nicht zu langen Zeiträumen nach
französischen Häfen zurückzukehren oder eine große Anzahl von
Frachtschiffen hin- und hergehn zu lassen. Jetzt haben wir den
Felsen mit eigner Kraft zu vertheidigen, wenn wir verhindern
wollen, daß die Franzosen im Falle des Krieges sich daselbst fest¬
setzen. Welche Gründe um das Jahr 1885 den Widerstand der
Landesvertheidigungs-Commission abgeschwächt haben, weiß ich nicht;
vielleicht hatte Graf Moltke sich inzwischen überzeugt, daß der
Gedanke eines deutsch-dänischen Bündnisses, mit dem er sich früher
getragen hatte, unausführbar sei.


Bedeutung des Nordoſtſee-Canals. Helgoland.
her weiß, ſo iſt der letztre genöthigt, in jedem der beiden Meere
ein unſrer ganzen Flotte äquivalentes Geſchwader zu unterhalten.
Aus dieſen und andern Gründen war ich der Meinung, daß die
Herſtellung des Canals unſrer Küſtenvertheidigung nützlicher ſein
würde, als die Verwendung der Canalkoſten auf Feſtungsbau und
Mehranſchaffung von Schiffen, für deren Bemannung wir nicht
über unbegrenzte Kräfte verfügen. Mein Wunſch war, den Canal
von der Niederelbe in weſtlicher Richtung ſo weit fortzuſetzen, daß
die Weſermündung, die Jahde und eventuell auch die Emsmündung
zu Ausfallpforten, welche der blockirende Feind zu beobachten hätte,
hergerichtet würden. Die weſtliche Fortſetzung des Canals wäre
verhältnißmäßig weniger koſtſpielig, als die Durchſchneidung des
holſteiniſchen Landrückens, da ſich Linien von gleichmäßigem Niveau
darbieten, auch zur Umgehung der hohen Geeſt an der Landſpitze
zwiſchen der Weſer und der Elbemündung.

Im Hinblick auf eine, vorausſichtlich franzöſiſche, Blockade war
bisher die Deckung Helgolands durch die engliſche Neutralität für
uns nützlich; ein franzöſiſches Geſchwader konnte daſelbſt kein
Kohlendepot haben, ſondern war genöthigt, zur Beſchaffung des
Kohlenbedarfs in beſtimmten, nicht zu langen Zeiträumen nach
franzöſiſchen Häfen zurückzukehren oder eine große Anzahl von
Frachtſchiffen hin- und hergehn zu laſſen. Jetzt haben wir den
Felſen mit eigner Kraft zu vertheidigen, wenn wir verhindern
wollen, daß die Franzoſen im Falle des Krieges ſich daſelbſt feſt¬
ſetzen. Welche Gründe um das Jahr 1885 den Widerſtand der
Landesvertheidigungs-Commiſſion abgeſchwächt haben, weiß ich nicht;
vielleicht hatte Graf Moltke ſich inzwiſchen überzeugt, daß der
Gedanke eines deutſch-däniſchen Bündniſſes, mit dem er ſich früher
getragen hatte, unausführbar ſei.


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[31/0055] Bedeutung des Nordoſtſee-Canals. Helgoland. her weiß, ſo iſt der letztre genöthigt, in jedem der beiden Meere ein unſrer ganzen Flotte äquivalentes Geſchwader zu unterhalten. Aus dieſen und andern Gründen war ich der Meinung, daß die Herſtellung des Canals unſrer Küſtenvertheidigung nützlicher ſein würde, als die Verwendung der Canalkoſten auf Feſtungsbau und Mehranſchaffung von Schiffen, für deren Bemannung wir nicht über unbegrenzte Kräfte verfügen. Mein Wunſch war, den Canal von der Niederelbe in weſtlicher Richtung ſo weit fortzuſetzen, daß die Weſermündung, die Jahde und eventuell auch die Emsmündung zu Ausfallpforten, welche der blockirende Feind zu beobachten hätte, hergerichtet würden. Die weſtliche Fortſetzung des Canals wäre verhältnißmäßig weniger koſtſpielig, als die Durchſchneidung des holſteiniſchen Landrückens, da ſich Linien von gleichmäßigem Niveau darbieten, auch zur Umgehung der hohen Geeſt an der Landſpitze zwiſchen der Weſer und der Elbemündung. Im Hinblick auf eine, vorausſichtlich franzöſiſche, Blockade war bisher die Deckung Helgolands durch die engliſche Neutralität für uns nützlich; ein franzöſiſches Geſchwader konnte daſelbſt kein Kohlendepot haben, ſondern war genöthigt, zur Beſchaffung des Kohlenbedarfs in beſtimmten, nicht zu langen Zeiträumen nach franzöſiſchen Häfen zurückzukehren oder eine große Anzahl von Frachtſchiffen hin- und hergehn zu laſſen. Jetzt haben wir den Felſen mit eigner Kraft zu vertheidigen, wenn wir verhindern wollen, daß die Franzoſen im Falle des Krieges ſich daſelbſt feſt¬ ſetzen. Welche Gründe um das Jahr 1885 den Widerſtand der Landesvertheidigungs-Commiſſion abgeſchwächt haben, weiß ich nicht; vielleicht hatte Graf Moltke ſich inzwiſchen überzeugt, daß der Gedanke eines deutſch-däniſchen Bündniſſes, mit dem er ſich früher getragen hatte, unausführbar ſei.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/55>, abgerufen am 22.11.2024.