Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Umfang der Annexionen, König und Minister. Der Wunsch des Königs, Westsachsen, Leipzig, Zwickau und Das Generalstabswerk sagt unter dem 21. Juli: "In Nikolsburg hatten seit mehreren Tagen Verhandlungen Ich fragte Moltke, ob er unser Unternehmen bei Preßburg *) Die Diplomatie hatte aber Angesichts der französischen Einmischung
weniger Zeit zu verlieren als die Heeresleitung. Umfang der Annexionen, König und Miniſter. Der Wunſch des Königs, Weſtſachſen, Leipzig, Zwickau und Das Generalſtabswerk ſagt unter dem 21. Juli: „In Nikolsburg hatten ſeit mehreren Tagen Verhandlungen Ich fragte Moltke, ob er unſer Unternehmen bei Preßburg *) Die Diplomatie hatte aber Angeſichts der franzöſiſchen Einmiſchung
weniger Zeit zu verlieren als die Heeresleitung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0065" n="41"/> <fw place="top" type="header">Umfang der Annexionen, König und Miniſter.<lb/></fw> <p>Der Wunſch des Königs, Weſtſachſen, Leipzig, Zwickau und<lb/> Chemnitz zur Herſtellung der Verbindung mit Bayreuth zu behalten,<lb/> ſtieß auf die Erklärung Karolyis, daß er die Integrität Sachſens<lb/> als <hi rendition="#aq">conditio sine qua non</hi> der Friedensbedingungen feſthalten<lb/> müſſe. Dieſer Unterſchied in der Behandlung der Bundesgenoſſen<lb/> beruhte auf den perſönlichen Beziehungen zum Könige von Sachſen<lb/> und auf dem Verhalten der ſächſiſchen Truppen nach der Schlacht<lb/> bei Königgrätz, die bei dem Rückzuge den feſteſten und intacteſten<lb/> militäriſchen Körper gebildet hatten. Die andern deutſchen Truppen<lb/> hatten ſich tapfer geſchlagen, wo ſie in's Gefecht kamen, aber ſpät und<lb/> ohne praktiſche Erfolge, und es waltete in Wien der den Umſtänden<lb/> nach unberechtigte Eindruck vor, von den Bundesgenoſſen, namentlich<lb/> von Baiern und Würtemberg, unzulänglich unterſtützt zu ſein.</p><lb/> <p>Das Generalſtabswerk ſagt unter dem 21. Juli:</p><lb/> <p>„In Nikolsburg hatten ſeit mehreren Tagen Verhandlungen<lb/> Statt gefunden, deren nächſtes Ziel eine fünftägige Waffenruhe<lb/> war. Vor Allem galt es, für die Diplomatie Zeit zu gewinnen<note place="foot" n="*)">Die Diplomatie hatte aber Angeſichts der franzöſiſchen Einmiſchung<lb/> weniger Zeit zu verlieren als die Heeresleitung.</note>.<lb/> Jetzt, wo das preußiſche Heer das Marchfeld betrat, ſtand eine<lb/> neue Kataſtrophe unmittelbar bevor.“</p><lb/> <p>Ich fragte Moltke, ob er unſer Unternehmen bei Preßburg<lb/> für gefährlich oder für unbedenklich halte. Bis jetzt hätten wir<lb/> keinen Flecken auf der weißen Weſte. Sei mit Sicherheit auf einen<lb/> guten Ausgang zu rechnen, ſo müßten wir die Schlacht ſich voll¬<lb/> ziehn, die Waffenruhe einen halben Tag ſpäter beginnen laſſen;<lb/> der Sieg würde unſre Stellung in der Verhandlung natürlich<lb/> ſtärken. Im andern Fall wäre beſſer auf das Unternehmen zu<lb/> verzichten. Er gab mir die Antwort, daß er den Ausgang für<lb/> zweifelhaft und die Operation für eine gewagte halte; aber im<lb/> Kriege ſei alles gefährlich. Dies beſtimmte mich, die Verabredung<lb/> über die Waffenruhe Sr. Majeſtät in der Art zu empfehlen, daß<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0065]
Umfang der Annexionen, König und Miniſter.
Der Wunſch des Königs, Weſtſachſen, Leipzig, Zwickau und
Chemnitz zur Herſtellung der Verbindung mit Bayreuth zu behalten,
ſtieß auf die Erklärung Karolyis, daß er die Integrität Sachſens
als conditio sine qua non der Friedensbedingungen feſthalten
müſſe. Dieſer Unterſchied in der Behandlung der Bundesgenoſſen
beruhte auf den perſönlichen Beziehungen zum Könige von Sachſen
und auf dem Verhalten der ſächſiſchen Truppen nach der Schlacht
bei Königgrätz, die bei dem Rückzuge den feſteſten und intacteſten
militäriſchen Körper gebildet hatten. Die andern deutſchen Truppen
hatten ſich tapfer geſchlagen, wo ſie in's Gefecht kamen, aber ſpät und
ohne praktiſche Erfolge, und es waltete in Wien der den Umſtänden
nach unberechtigte Eindruck vor, von den Bundesgenoſſen, namentlich
von Baiern und Würtemberg, unzulänglich unterſtützt zu ſein.
Das Generalſtabswerk ſagt unter dem 21. Juli:
„In Nikolsburg hatten ſeit mehreren Tagen Verhandlungen
Statt gefunden, deren nächſtes Ziel eine fünftägige Waffenruhe
war. Vor Allem galt es, für die Diplomatie Zeit zu gewinnen *).
Jetzt, wo das preußiſche Heer das Marchfeld betrat, ſtand eine
neue Kataſtrophe unmittelbar bevor.“
Ich fragte Moltke, ob er unſer Unternehmen bei Preßburg
für gefährlich oder für unbedenklich halte. Bis jetzt hätten wir
keinen Flecken auf der weißen Weſte. Sei mit Sicherheit auf einen
guten Ausgang zu rechnen, ſo müßten wir die Schlacht ſich voll¬
ziehn, die Waffenruhe einen halben Tag ſpäter beginnen laſſen;
der Sieg würde unſre Stellung in der Verhandlung natürlich
ſtärken. Im andern Fall wäre beſſer auf das Unternehmen zu
verzichten. Er gab mir die Antwort, daß er den Ausgang für
zweifelhaft und die Operation für eine gewagte halte; aber im
Kriege ſei alles gefährlich. Dies beſtimmte mich, die Verabredung
über die Waffenruhe Sr. Majeſtät in der Art zu empfehlen, daß
*) Die Diplomatie hatte aber Angeſichts der franzöſiſchen Einmiſchung
weniger Zeit zu verlieren als die Heeresleitung.
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