Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Gedanken an einen Schöpfer Raum ge-
ben, der mich allgegenwärtig umgiebt, der
das Jnnre meiner Seele bemerkt und auf jede
geheime Absicht meiner Handlungen acht
hat. Was ist der flüchtige Kitzel, womit je-
ne gekünstelten Gerichte die Zunge reitzen;
was ist die wollüstige Fieberhitze, die jene
köstlichen Weine meinen Adern einflössen,
gegen den reinen Athem der Lust, die ich
hier eintrinke; gegen die innige Wärme, die
diese mässige Bewegung in gleichen Theilen
durch meinen ganzen Körper verbreitet?

Phanor, du hast nichts darum ich dich
beneiden könnte! Dein rauschendes Kon-
zert betäubt mich: Jch glaube die Kory-
banten zu hören. Dein Fest ist ein Bac-
chanal und deine Tänzerinnen gleichen den
Maenaden an Wildheit. Wie viel glück-
licher bin ich, zärtliche Philomele, da ich
deiner einsamen Klage zuhöre! Mein Herz,

dem Gedanken an einen Schöpfer Raum ge-
ben, der mich allgegenwärtig umgiebt, der
das Jnnre meiner Seele bemerkt und auf jede
geheime Abſicht meiner Handlungen acht
hat. Was iſt der flüchtige Kitzel, womit je-
ne gekünſtelten Gerichte die Zunge reitzen;
was iſt die wollüſtige Fieberhitze, die jene
köſtlichen Weine meinen Adern einflöſsen,
gegen den reinen Athem der Luſt, die ich
hier eintrinke; gegen die innige Wärme, die
dieſe mäſsige Bewegung in gleichen Theilen
durch meinen ganzen Körper verbreitet?

Phanor, du haſt nichts darum ich dich
beneiden könnte! Dein rauſchendes Kon-
zert betäubt mich: Jch glaube die Kory-
banten zu hören. Dein Feſt iſt ein Bac-
chanal und deine Tänzerinnen gleichen den
Mænaden an Wildheit. Wie viel glück-
licher bin ich, zärtliche Philomele, da ich
deiner einſamen Klage zuhöre! Mein Herz,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0022" n="14"/>
dem Gedanken an einen Schöpfer Raum ge-<lb/>
ben, der mich allgegenwärtig umgiebt, der<lb/>
das Jnnre meiner Seele bemerkt und auf jede<lb/>
geheime Ab&#x017F;icht meiner Handlungen acht<lb/>
hat. Was i&#x017F;t der flüchtige Kitzel, womit je-<lb/>
ne gekün&#x017F;telten Gerichte die Zunge reitzen;<lb/>
was i&#x017F;t die wollü&#x017F;tige Fieberhitze, die jene<lb/>&#x017F;tlichen Weine meinen Adern einflö&#x017F;sen,<lb/>
gegen den reinen Athem der Lu&#x017F;t, die ich<lb/>
hier eintrinke; gegen die innige Wärme, die<lb/>
die&#x017F;e mä&#x017F;sige Bewegung in gleichen Theilen<lb/>
durch meinen ganzen Körper verbreitet?</p><lb/>
          <p>Phanor, du ha&#x017F;t nichts darum ich dich<lb/>
beneiden könnte! Dein rau&#x017F;chendes Kon-<lb/>
zert betäubt mich: Jch glaube die Kory-<lb/>
banten zu hören. Dein Fe&#x017F;t i&#x017F;t ein Bac-<lb/>
chanal und deine Tänzerinnen gleichen den<lb/>
Mænaden an Wildheit. Wie viel glück-<lb/>
licher bin ich, zärtliche Philomele, da ich<lb/>
deiner ein&#x017F;amen Klage zuhöre! Mein Herz,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0022] dem Gedanken an einen Schöpfer Raum ge- ben, der mich allgegenwärtig umgiebt, der das Jnnre meiner Seele bemerkt und auf jede geheime Abſicht meiner Handlungen acht hat. Was iſt der flüchtige Kitzel, womit je- ne gekünſtelten Gerichte die Zunge reitzen; was iſt die wollüſtige Fieberhitze, die jene köſtlichen Weine meinen Adern einflöſsen, gegen den reinen Athem der Luſt, die ich hier eintrinke; gegen die innige Wärme, die dieſe mäſsige Bewegung in gleichen Theilen durch meinen ganzen Körper verbreitet? Phanor, du haſt nichts darum ich dich beneiden könnte! Dein rauſchendes Kon- zert betäubt mich: Jch glaube die Kory- banten zu hören. Dein Feſt iſt ein Bac- chanal und deine Tänzerinnen gleichen den Mænaden an Wildheit. Wie viel glück- licher bin ich, zärtliche Philomele, da ich deiner einſamen Klage zuhöre! Mein Herz,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/22
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/22>, abgerufen am 21.11.2024.