Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

zigen Jahre haben sich drey Eheleute schei-
den lassen, und eben so viel Mädchen sind
zu Huren geworden. Die meisten Bauern
sind verarmt, ein dreymaliges Viehsterben
ist kurz auf einander gefolgt; der Hagel
hat alles zu Grund und Boden geschlagen;
Feuer vom Himmel hat unsre Hütten ver-
zehrt, und kurz: des Elends ist kein Ende
gewesen. Darauf ist endlich der Hr. Pastor
plötzlich vom Schlage gerührt worden, wie
er eben den Segen sprechen wollen. Es
war ein schlimmer Mann, (Gott hab' ihn
selig!) und man sagte ihm nach, dass er
sich nicht selten in Brandtwein betrunken
hätte. Drauf schickte uns der König un-
sern Hrn. Magister. Allein die Gemeine
war ganz verwildert, und es ging Jahr und
Tag hin, ehe man Zutrauen zu ihm fassen
wollte. Wie man ihn aber einmal kannte,
so gingen alle Sachen in wenigen Jahren

zigen Jahre haben ſich drey Eheleute ſchei-
den laſsen, und eben ſo viel Mädchen ſind
zu Huren geworden. Die meiſten Bauern
ſind verarmt, ein dreymaliges Viehſterben
iſt kurz auf einander gefolgt; der Hagel
hat alles zu Grund und Boden geſchlagen;
Feuer vom Himmel hat unſre Hütten ver-
zehrt, und kurz: des Elends iſt kein Ende
geweſen. Darauf iſt endlich der Hr. Paſtor
plötzlich vom Schlage gerührt worden, wie
er eben den Segen ſprechen wollen. Es
war ein ſchlimmer Mann, (Gott hab’ ihn
ſelig!) und man ſagte ihm nach, daſs er
ſich nicht ſelten in Brandtwein betrunken
hätte. Drauf ſchickte uns der König un-
ſern Hrn. Magiſter. Allein die Gemeine
war ganz verwildert, und es ging Jahr und
Tag hin, ehe man Zutrauen zu ihm faſsen
wollte. Wie man ihn aber einmal kannte,
ſo gingen alle Sachen in wenigen Jahren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="55"/>
zigen Jahre haben &#x017F;ich drey Eheleute &#x017F;chei-<lb/>
den la&#x017F;sen, und eben &#x017F;o viel Mädchen &#x017F;ind<lb/>
zu Huren geworden. Die mei&#x017F;ten Bauern<lb/>
&#x017F;ind verarmt, ein dreymaliges Vieh&#x017F;terben<lb/>
i&#x017F;t kurz auf einander gefolgt; der Hagel<lb/>
hat alles zu Grund und Boden ge&#x017F;chlagen;<lb/>
Feuer vom Himmel hat un&#x017F;re Hütten ver-<lb/>
zehrt, und kurz: des Elends i&#x017F;t kein Ende<lb/>
gewe&#x017F;en. Darauf i&#x017F;t endlich der Hr. Pa&#x017F;tor<lb/>
plötzlich vom Schlage gerührt worden, wie<lb/>
er eben den Segen &#x017F;prechen wollen. Es<lb/>
war ein &#x017F;chlimmer Mann, (Gott hab&#x2019; ihn<lb/>
&#x017F;elig!) und man &#x017F;agte ihm nach, da&#x017F;s er<lb/>
&#x017F;ich nicht &#x017F;elten in Brandtwein betrunken<lb/>
hätte. Drauf &#x017F;chickte uns der König un-<lb/>
&#x017F;ern Hrn. Magi&#x017F;ter. Allein die Gemeine<lb/>
war ganz verwildert, und es ging Jahr und<lb/>
Tag hin, ehe man Zutrauen zu ihm fa&#x017F;sen<lb/>
wollte. Wie man ihn aber einmal kannte,<lb/>
&#x017F;o gingen alle Sachen in wenigen Jahren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0063] zigen Jahre haben ſich drey Eheleute ſchei- den laſsen, und eben ſo viel Mädchen ſind zu Huren geworden. Die meiſten Bauern ſind verarmt, ein dreymaliges Viehſterben iſt kurz auf einander gefolgt; der Hagel hat alles zu Grund und Boden geſchlagen; Feuer vom Himmel hat unſre Hütten ver- zehrt, und kurz: des Elends iſt kein Ende geweſen. Darauf iſt endlich der Hr. Paſtor plötzlich vom Schlage gerührt worden, wie er eben den Segen ſprechen wollen. Es war ein ſchlimmer Mann, (Gott hab’ ihn ſelig!) und man ſagte ihm nach, daſs er ſich nicht ſelten in Brandtwein betrunken hätte. Drauf ſchickte uns der König un- ſern Hrn. Magiſter. Allein die Gemeine war ganz verwildert, und es ging Jahr und Tag hin, ehe man Zutrauen zu ihm faſsen wollte. Wie man ihn aber einmal kannte, ſo gingen alle Sachen in wenigen Jahren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/63
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/63>, abgerufen am 24.11.2024.