Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Es ist, in Absicht meiner wenigstens,
eine richtige Bemerkung: dass ich auch im
Allgemeinen, über die Natur der Schicksale
meiner verlornen Mitmenschen, niemals zu
einer solchen Vollständigkeit der Erkennt-
niß habe gelangen können, als ich mir
doch mit geringerer Mühe von dem ewi-
gen Wohl der Rechtschaffenen zu erwer-
ben im Stande gewesen bin. Lag diese
Verschiedenheit in der Sache selbst? oder
wollte mich die himmlische Güte nur über
die edelsten Bewegungsgründe zur Tugend
erleuchten? --

Der beharrliche Sünder hat in dem
Laufe eines oft siebenzig und achtzigjähri-
gen Lebens eine unendliche Menge von
Realitäten in sich selbst aufgehoben. Un-
endliche Verneinungen müßen Folgen die-
ses Betragens seyn bis in alle Ewigkeit hin-
aus. Eine lange Fertigkeit sich in Absicht

Es iſt, in Abſicht meiner wenigſtens,
eine richtige Bemerkung: daſs ich auch im
Allgemeinen, über die Natur der Schickſale
meiner verlornen Mitmenſchen, niemals zu
einer ſolchen Vollſtändigkeit der Erkennt-
niß habe gelangen können, als ich mir
doch mit geringerer Mühe von dem ewi-
gen Wohl der Rechtſchâffenen zu erwer-
ben im Stande geweſen bin. Lag dieſe
Verſchiedenheit in der Sache ſelbſt? oder
wollte mich die himmliſche Güte nur über
die edelſten Bewegungsgründe zur Tugend
erleuchten? —

Der beharrliche Sünder hat in dem
Laufe eines oft ſiebenzig und achtzigjähri-
gen Lebens eine unendliche Menge von
Realitäten in ſich ſelbſt aufgehoben. Un-
endliche Verneinungen müßen Folgen die-
ſes Betragens ſeyn bis in alle Ewigkeit hin-
aus. Eine lange Fertigkeit ſich in Abſicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0149" n="143"/>
          <p>Es i&#x017F;t, in Ab&#x017F;icht meiner wenig&#x017F;tens,<lb/>
eine richtige Bemerkung: da&#x017F;s ich auch im<lb/>
Allgemeinen, über die Natur der Schick&#x017F;ale<lb/>
meiner verlornen Mitmen&#x017F;chen, niemals zu<lb/>
einer &#x017F;olchen Voll&#x017F;tändigkeit der Erkennt-<lb/>
niß habe gelangen können, als ich mir<lb/>
doch mit geringerer Mühe von dem ewi-<lb/>
gen Wohl der Recht&#x017F;châffenen zu erwer-<lb/>
ben im Stande gewe&#x017F;en bin. Lag die&#x017F;e<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit in der Sache &#x017F;elb&#x017F;t? oder<lb/>
wollte mich die himmli&#x017F;che Güte nur über<lb/>
die edel&#x017F;ten Bewegungsgründe zur Tugend<lb/>
erleuchten? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der beharrliche Sünder hat in dem<lb/>
Laufe eines oft &#x017F;iebenzig und achtzigjähri-<lb/>
gen Lebens eine unendliche Menge von<lb/>
Realitäten in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t aufgehoben. Un-<lb/>
endliche Verneinungen müßen Folgen die-<lb/>
&#x017F;es Betragens &#x017F;eyn bis in alle Ewigkeit hin-<lb/>
aus. Eine lange Fertigkeit &#x017F;ich in Ab&#x017F;icht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0149] Es iſt, in Abſicht meiner wenigſtens, eine richtige Bemerkung: daſs ich auch im Allgemeinen, über die Natur der Schickſale meiner verlornen Mitmenſchen, niemals zu einer ſolchen Vollſtändigkeit der Erkennt- niß habe gelangen können, als ich mir doch mit geringerer Mühe von dem ewi- gen Wohl der Rechtſchâffenen zu erwer- ben im Stande geweſen bin. Lag dieſe Verſchiedenheit in der Sache ſelbſt? oder wollte mich die himmliſche Güte nur über die edelſten Bewegungsgründe zur Tugend erleuchten? — Der beharrliche Sünder hat in dem Laufe eines oft ſiebenzig und achtzigjähri- gen Lebens eine unendliche Menge von Realitäten in ſich ſelbſt aufgehoben. Un- endliche Verneinungen müßen Folgen die- ſes Betragens ſeyn bis in alle Ewigkeit hin- aus. Eine lange Fertigkeit ſich in Abſicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/149
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/149>, abgerufen am 21.11.2024.