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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

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seiner Glückseligkeit zu irren, muß eine
noch längere veranlaßen; die Gewohnheit
falsch zu schließen wird, wie alle Gewohn-
heit, zur andern Natur; Unwißenheit und
Irrthum erwachsen endlich zu einer un-
überwindlichen Stärke. Wie schwer ist
es oft nicht, eine Leidenschaft auszurotten,
der man nur einige Monathe lang nachge-
sehen hat! Begleitet sie uns eine Reihe von
Iahren hindurch bis an den Abend unsers
Lebens, so ist es, ohne die Zwischenkunft
einer übernatürlichen Hülfe, fast nicht
möglich etwas dagegen auszurichten. Ist
es nicht höchst wahrscheinlich, dass die
Tyranney unsrer unordentlichen Begierden
mit unserm Wesen fortdauern werde? Wir
werden ewig fortsündigen. Unsre Erkennt-
niß wird sich ewig verschlimmern; wir
werden uns ewig von der Quelle unsers
Glücks entfernen. Wer will uns dahin

ſeiner Glückſeligkeit zu irren, muß eine
noch längere veranlaßen; die Gewohnheit
falſch zu ſchließen wird, wie alle Gewohn-
heit, zur andern Natur; Unwißenheit und
Irrthum erwachſen endlich zu einer un-
überwindlichen Stärke. Wie ſchwer iſt
es oft nicht, eine Leidenſchaft auszurotten,
der man nur einige Monathe lang nachge-
ſehen hat! Begleitet ſie uns eine Reihe von
Iahren hindurch bis an den Abend unſers
Lebens, ſo iſt es, ohne die Zwiſchenkunft
einer übernatürlichen Hülfe, faſt nicht
möglich etwas dagegen auszurichten. Iſt
es nicht höchſt wahrſcheinlich, daſs die
Tyranney unſrer unordentlichen Begierden
mit unſerm Weſen fortdauern werde? Wir
werden ewig fortſündigen. Unſre Erkennt-
niß wird ſich ewig verſchlimmern; wir
werden uns ewig von der Quelle unſers
Glücks entfernen. Wer will uns dahin

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[144/0150] ſeiner Glückſeligkeit zu irren, muß eine noch längere veranlaßen; die Gewohnheit falſch zu ſchließen wird, wie alle Gewohn- heit, zur andern Natur; Unwißenheit und Irrthum erwachſen endlich zu einer un- überwindlichen Stärke. Wie ſchwer iſt es oft nicht, eine Leidenſchaft auszurotten, der man nur einige Monathe lang nachge- ſehen hat! Begleitet ſie uns eine Reihe von Iahren hindurch bis an den Abend unſers Lebens, ſo iſt es, ohne die Zwiſchenkunft einer übernatürlichen Hülfe, faſt nicht möglich etwas dagegen auszurichten. Iſt es nicht höchſt wahrſcheinlich, daſs die Tyranney unſrer unordentlichen Begierden mit unſerm Weſen fortdauern werde? Wir werden ewig fortſündigen. Unſre Erkennt- niß wird ſich ewig verſchlimmern; wir werden uns ewig von der Quelle unſers Glücks entfernen. Wer will uns dahin

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/150>, abgerufen am 21.11.2024.