Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Schauspiel rührte mich ungewöhnlich.
Meine Seele wurde dadurch zu dem gros-
sen und liebenswürdigen Urheber desselben
erhoben. Ich dachte nur große Gedan-
ken. Worte hätten sie entkräftet. In
meinen Begierden war nichts sträfliches;
sie waren rein wie der Himmel, der mich
umgab; alle aufs Gute gerichtet. Ich
kenne nichts edles, nichts ruhmwürdiges,
das ich in diesen Augenblicken nicht wür-
de beschloßen haben und zu dessen Aus-
führung ich mich nicht heiter und stark
genug gefühlt hätte. -- So gewiß nimmt
die Sinnlichkeit an unsern religiösen Ent-
schließungen Theil. Eine Religion für
den bloßen Verstand ist für höhere Gei-
ster villeicht; aber gewiß nicht für uns
gemacht. Man kennt unsre Natur nicht
und in der That unternimmt man eine
schädliche Trennung, wenn man uns aus

Schauſpiel rührte mich ungewöhnlich.
Meine Seele wurde dadurch zu dem groſ-
ſen und liebenswürdigen Urheber deſſelben
erhoben. Ich dachte nur große Gedan-
ken. Worte hätten ſie entkräftet. In
meinen Begierden war nichts ſträfliches;
ſie waren rein wie der Himmel, der mich
umgab; alle aufs Gute gerichtet. Ich
kenne nichts edles, nichts ruhmwürdiges,
das ich in dieſen Augenblicken nicht wür-
de beſchloßen haben und zu deſſen Aus-
führung ich mich nicht heiter und ſtark
genug gefühlt hätte. — So gewiß nimmt
die Sinnlichkeit an unſern religiöſen Ent-
ſchließungen Theil. Eine Religion für
den bloßen Verſtand iſt für höhere Gei-
ſter villeicht; aber gewiß nicht für uns
gemacht. Man kennt unſre Natur nicht
und in der That unternimmt man eine
ſchädliche Trennung, wenn man uns aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="221"/>
Schau&#x017F;piel rührte mich ungewöhnlich.<lb/>
Meine Seele wurde dadurch zu dem gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en und liebenswürdigen Urheber de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
erhoben. Ich dachte nur große Gedan-<lb/>
ken. Worte hätten &#x017F;ie entkräftet. In<lb/>
meinen Begierden war nichts &#x017F;träfliches;<lb/>
&#x017F;ie waren rein wie der Himmel, der mich<lb/>
umgab; alle aufs Gute gerichtet. Ich<lb/>
kenne nichts edles, nichts ruhmwürdiges,<lb/>
das ich in die&#x017F;en Augenblicken nicht wür-<lb/>
de be&#x017F;chloßen haben und zu de&#x017F;&#x017F;en Aus-<lb/>
führung ich mich nicht heiter und &#x017F;tark<lb/>
genug gefühlt hätte. &#x2014; So gewiß nimmt<lb/>
die Sinnlichkeit an un&#x017F;ern religiö&#x017F;en Ent-<lb/>
&#x017F;chließungen Theil. Eine Religion für<lb/>
den bloßen Ver&#x017F;tand i&#x017F;t für höhere Gei-<lb/>
&#x017F;ter villeicht; aber gewiß nicht für uns<lb/>
gemacht. Man kennt un&#x017F;re Natur nicht<lb/>
und in der That unternimmt man eine<lb/>
&#x017F;chädliche Trennung, wenn man uns aus<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0227] Schauſpiel rührte mich ungewöhnlich. Meine Seele wurde dadurch zu dem groſ- ſen und liebenswürdigen Urheber deſſelben erhoben. Ich dachte nur große Gedan- ken. Worte hätten ſie entkräftet. In meinen Begierden war nichts ſträfliches; ſie waren rein wie der Himmel, der mich umgab; alle aufs Gute gerichtet. Ich kenne nichts edles, nichts ruhmwürdiges, das ich in dieſen Augenblicken nicht wür- de beſchloßen haben und zu deſſen Aus- führung ich mich nicht heiter und ſtark genug gefühlt hätte. — So gewiß nimmt die Sinnlichkeit an unſern religiöſen Ent- ſchließungen Theil. Eine Religion für den bloßen Verſtand iſt für höhere Gei- ſter villeicht; aber gewiß nicht für uns gemacht. Man kennt unſre Natur nicht und in der That unternimmt man eine ſchädliche Trennung, wenn man uns aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/227
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/227>, abgerufen am 16.02.2025.