Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie konnte es daher nur aus der einzigen
Vermuthung erklären, dass villeicht eine
andre Schöne schon im gänzlichen Besitz
seines Herzens seyn müße. Anfangs such-
te sie diese vermeynte Schöne in Dresden
auf; bald genug aber entdeckte sie ihre Ne-
benbuhlerinn in ihrer gnädigen Frau selbst
und die Sache wurde ihr in kurzem un-
gezweifelt gewiß. Nun war wohl nichts
so natürlich, als dass sie diejenige Person,
die ihr so sehr im Wege stand, auf irgend
eine Weise auf die Seite zu schaffen; un-
vermerkt entweder hinwegzudrängen; oder
allenfalls ohne Umstände fortzustoßen, und
sich an ihren Platz zu stellen suchte. Sie
fand auch bey einem solchen Unterneh-
men so wenig etwas unanständiges, dass sie
sich vielmehr selbst von ihrer höchsten
Verbindlichkeit gegen ihre Gebieterinn
dazu aufgefodert glaubte. -- Sollte sie

Sie konnte es daher nur aus der einzigen
Vermuthung erklären, daſs villeicht eine
andre Schöne ſchon im gänzlichen Beſitz
ſeines Herzens ſeyn müße. Anfangs ſuch-
te ſie dieſe vermeynte Schöne in Dreſden
auf; bald genug aber entdeckte ſie ihre Ne-
benbuhlerinn in ihrer gnädigen Frau ſelbſt
und die Sache wurde ihr in kurzem un-
gezweifelt gewiß. Nun war wohl nichts
ſo natürlich, als daſs ſie diejenige Perſon,
die ihr ſo ſehr im Wege ſtand, auf irgend
eine Weiſe auf die Seite zu ſchaffen; un-
vermerkt entweder hinwegzudrängen; oder
allenfalls ohne Umſtände fortzuſtoßen, und
ſich an ihren Platz zu ſtellen ſuchte. Sie
fand auch bey einem ſolchen Unterneh-
men ſo wenig etwas unanſtändiges, daſs ſie
ſich vielmehr ſelbſt von ihrer höchſten
Verbindlichkeit gegen ihre Gebieterinn
dazu aufgefodert glaubte. — Sollte ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052" n="46"/>
Sie konnte es daher nur aus der einzigen<lb/>
Vermuthung erklären, da&#x017F;s villeicht eine<lb/>
andre Schöne &#x017F;chon im gänzlichen Be&#x017F;itz<lb/>
&#x017F;eines Herzens &#x017F;eyn müße. Anfangs &#x017F;uch-<lb/>
te &#x017F;ie die&#x017F;e vermeynte Schöne in Dre&#x017F;den<lb/>
auf; bald genug aber entdeckte &#x017F;ie ihre Ne-<lb/>
benbuhlerinn in ihrer gnädigen Frau &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
und die Sache wurde ihr in kurzem un-<lb/>
gezweifelt gewiß. Nun war wohl nichts<lb/>
&#x017F;o natürlich, als da&#x017F;s &#x017F;ie diejenige Per&#x017F;on,<lb/>
die ihr &#x017F;o &#x017F;ehr im Wege &#x017F;tand, auf irgend<lb/>
eine Wei&#x017F;e auf die Seite zu &#x017F;chaffen; un-<lb/>
vermerkt entweder hinwegzudrängen; oder<lb/>
allenfalls ohne Um&#x017F;tände fortzu&#x017F;toßen, und<lb/>
&#x017F;ich an ihren Platz zu &#x017F;tellen &#x017F;uchte. Sie<lb/>
fand auch bey einem &#x017F;olchen Unterneh-<lb/>
men &#x017F;o wenig etwas unan&#x017F;tändiges, da&#x017F;s &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich vielmehr &#x017F;elb&#x017F;t von ihrer höch&#x017F;ten<lb/>
Verbindlichkeit gegen ihre Gebieterinn<lb/>
dazu aufgefodert glaubte. &#x2014; Sollte &#x017F;ie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0052] Sie konnte es daher nur aus der einzigen Vermuthung erklären, daſs villeicht eine andre Schöne ſchon im gänzlichen Beſitz ſeines Herzens ſeyn müße. Anfangs ſuch- te ſie dieſe vermeynte Schöne in Dreſden auf; bald genug aber entdeckte ſie ihre Ne- benbuhlerinn in ihrer gnädigen Frau ſelbſt und die Sache wurde ihr in kurzem un- gezweifelt gewiß. Nun war wohl nichts ſo natürlich, als daſs ſie diejenige Perſon, die ihr ſo ſehr im Wege ſtand, auf irgend eine Weiſe auf die Seite zu ſchaffen; un- vermerkt entweder hinwegzudrängen; oder allenfalls ohne Umſtände fortzuſtoßen, und ſich an ihren Platz zu ſtellen ſuchte. Sie fand auch bey einem ſolchen Unterneh- men ſo wenig etwas unanſtändiges, daſs ſie ſich vielmehr ſelbſt von ihrer höchſten Verbindlichkeit gegen ihre Gebieterinn dazu aufgefodert glaubte. — Sollte ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/52
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/52>, abgerufen am 22.11.2024.