schreibungen haben; und welchen allen endlich die Schädel von jenen rohen Völkern selbst, die nach Europa gebracht, und hin und wieder schon früher abgebildet worden sind 162), aufs genaueste und völ- lig entsprechen.
So sehr indeß die Sache selbst außer allen Zwei- fel gesetzt ist, so läßt sich doch jene seit Hippokrates öfter wiederhohlte gelesene Behauptung nicht so leicht annehmen, daß solche besondre Schädelformen, die anfangs mit Fleiß und durch Künsteleyen gebildet und durch viele Generationen hindurch durch gleichen Gebrauch beybehalten worden, dann durch die Länge der Zeit gleichsam erblich und zur andern Natur geworden wären.
Es findet sich nämlich in der vortreflichen Schrift des Hippokrates von der Luft, den Wasserarten und den Gegenden, eine berühmte Stelle von den Lang- köpfen, einem Volke aus der Nähe des Pontus Euxinus, von welchem er zuerst und hauptsächlich handelt, weil überall kein andres Volk sich finde, das ähnliche Köpfe habe. Anfänglich, sagt er, habe die bey ihnen übliche Gewohnheit diese langen Köpfe hervorgebracht; späterhin aber habe die Na- tur mit der Gewohnheit gestimmt. Es werde aber bey diesem Volke für vornehm gehalten, einen sehr langen Kopf zu haben. Und zwar sey der Anfang folgender Gewohnheit gewesen: Sie drückten den
Kindern
162) Z. B. in den Memoires de l'Acad. des sc. de Paris. 1740. Taf 16. Fig. 1.
ſchreibungen haben; und welchen allen endlich die Schaͤdel von jenen rohen Voͤlkern ſelbſt, die nach Europa gebracht, und hin und wieder ſchon fruͤher abgebildet worden ſind 162), aufs genaueſte und voͤl- lig entſprechen.
So ſehr indeß die Sache ſelbſt außer allen Zwei- fel geſetzt iſt, ſo laͤßt ſich doch jene ſeit Hippokrates oͤfter wiederhohlte geleſene Behauptung nicht ſo leicht annehmen, daß ſolche beſondre Schaͤdelformen, die anfangs mit Fleiß und durch Kuͤnſteleyen gebildet und durch viele Generationen hindurch durch gleichen Gebrauch beybehalten worden, dann durch die Laͤnge der Zeit gleichſam erblich und zur andern Natur geworden waͤren.
Es findet ſich naͤmlich in der vortreflichen Schrift des Hippokrates von der Luft, den Waſſerarten und den Gegenden, eine beruͤhmte Stelle von den Lang- koͤpfen, einem Volke aus der Naͤhe des Pontus Euxinus, von welchem er zuerſt und hauptſaͤchlich handelt, weil uͤberall kein andres Volk ſich finde, das aͤhnliche Koͤpfe habe. Anfaͤnglich, ſagt er, habe die bey ihnen uͤbliche Gewohnheit dieſe langen Koͤpfe hervorgebracht; ſpaͤterhin aber habe die Na- tur mit der Gewohnheit geſtimmt. Es werde aber bey dieſem Volke fuͤr vornehm gehalten, einen ſehr langen Kopf zu haben. Und zwar ſey der Anfang folgender Gewohnheit geweſen: Sie druͤckten den
Kindern
162) Z. B. in den Memoires de l’Acad. des ſc. de Paris. 1740. Taf 16. Fig. 1.
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ſchreibungen haben; und welchen allen endlich die
Schaͤdel von jenen rohen Voͤlkern ſelbſt, die nach
Europa gebracht, und hin und wieder ſchon fruͤher
abgebildet worden ſind 162), aufs genaueſte und voͤl-
lig entſprechen.
So ſehr indeß die Sache ſelbſt außer allen Zwei-
fel geſetzt iſt, ſo laͤßt ſich doch jene ſeit Hippokrates
oͤfter wiederhohlte geleſene Behauptung nicht ſo leicht
annehmen, daß ſolche beſondre Schaͤdelformen, die
anfangs mit Fleiß und durch Kuͤnſteleyen gebildet
und durch viele Generationen hindurch durch gleichen
Gebrauch beybehalten worden, dann durch die Laͤnge
der Zeit gleichſam erblich und zur andern Natur
geworden waͤren.
Es findet ſich naͤmlich in der vortreflichen Schrift
des Hippokrates von der Luft, den Waſſerarten und
den Gegenden, eine beruͤhmte Stelle von den Lang-
koͤpfen, einem Volke aus der Naͤhe des Pontus
Euxinus, von welchem er zuerſt und hauptſaͤchlich
handelt, weil uͤberall kein andres Volk ſich finde,
das aͤhnliche Koͤpfe habe. Anfaͤnglich, ſagt er,
habe die bey ihnen uͤbliche Gewohnheit dieſe langen
Koͤpfe hervorgebracht; ſpaͤterhin aber habe die Na-
tur mit der Gewohnheit geſtimmt. Es werde aber
bey dieſem Volke fuͤr vornehm gehalten, einen ſehr
langen Kopf zu haben. Und zwar ſey der Anfang
folgender Gewohnheit geweſen: Sie druͤckten den
Kindern
162) Z. B. in den Memoires de l’Acad. des ſc. de Paris.
1740. Taf 16. Fig. 1.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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