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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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scheinliche Meinung, daß die Amerikaner aus dem nörd-
lichen Asien herübergekommen, und von einer mongo-
lischen Völkerschaft entsprungen sind; daß aber mehre-
re solcher Auswanderungen in langen Zwischenräumen
erfolgt sind, wozu sowohl physische und geogenische als
politische Katastrophen Veranlassung geben konnten,
ist wahrscheinlich; und hieraus ist, wenn eine Ver-
muthung bey solchen Erörterungen statt finden kann,
muthmaßlich der Grund abzuleiten, warum die Es-
kimos noch weit mehr als die übrigen Amerikaner
diese Gesichtsbildung an sich haben 38)? theils näm-
lich, weil sie weit später, durch eine neuere Kata-
strophe vertrieben, aus dem nördlichen Asien ange-
kommen sind 39); theils weil das Klima der neuen
Erde, die sie jetzt bewohnen, dem Klima des vori-
gen Vaterlandes ähnlicher ist. Ja man muß sogar,
wenn ich nicht irre, derselben Macht des Klima auf
Erhaltung oder Wiederherstellung der Nationalge-
sichtsbildung, wovon wir oben (§. 57.) gesprochen
haben, es zuschreiben, daß die äußersten kalten Be-
wohner des andern Amerika, wie die wilden Be-
wohner der Magellansstraße, wieder der vorigen
mongolischen Gesichtsbildung sich nähern, und gleich-
sam wieder darein zurückfallen 40).


§. 89.
38) Diese sehe ich sehr deutlich in zwey Schädeln von Eski-
mos von der Kolonie Nain auf Labrador, welche meine
Sammlung ziereu, und in denen von sehr guten Künst-
lern nach dem Leben gemahlten Portraits dieser Wil-
den, welche ich der Güte des Hrn. Banks verdanke.
39) Denn Robertsons paradoxe Meinung, welcher in
History of America, Th. 2. S. 40. die Esquimos von
den Normannen herleitete, bedarf jetzo kaum einer
ernsthaften Widerlegung.
40) So z. B. vergleicht der klassische Seefahrer und
beobachtende Augenzeuge Linschoten die Anwohner der
Maga-

ſcheinliche Meinung, daß die Amerikaner aus dem noͤrd-
lichen Aſien heruͤbergekommen, und von einer mongo-
liſchen Voͤlkerſchaft entſprungen ſind; daß aber mehre-
re ſolcher Auswanderungen in langen Zwiſchenraͤumen
erfolgt ſind, wozu ſowohl phyſiſche und geogeniſche als
politiſche Kataſtrophen Veranlaſſung geben konnten,
iſt wahrſcheinlich; und hieraus iſt, wenn eine Ver-
muthung bey ſolchen Eroͤrterungen ſtatt finden kann,
muthmaßlich der Grund abzuleiten, warum die Es-
kimos noch weit mehr als die uͤbrigen Amerikaner
dieſe Geſichtsbildung an ſich haben 38)? theils naͤm-
lich, weil ſie weit ſpaͤter, durch eine neuere Kata-
ſtrophe vertrieben, aus dem noͤrdlichen Aſien ange-
kommen ſind 39); theils weil das Klima der neuen
Erde, die ſie jetzt bewohnen, dem Klima des vori-
gen Vaterlandes aͤhnlicher iſt. Ja man muß ſogar,
wenn ich nicht irre, derſelben Macht des Klima auf
Erhaltung oder Wiederherſtellung der Nationalge-
ſichtsbildung, wovon wir oben (§. 57.) geſprochen
haben, es zuſchreiben, daß die aͤußerſten kalten Be-
wohner des andern Amerika, wie die wilden Be-
wohner der Magellansſtraße, wieder der vorigen
mongoliſchen Geſichtsbildung ſich naͤhern, und gleich-
ſam wieder darein zuruͤckfallen 40).


§. 89.
38) Dieſe ſehe ich ſehr deutlich in zwey Schaͤdeln von Eski-
mos von der Kolonie Nain auf Labrador, welche meine
Sammlung ziereu, und in denen von ſehr guten Kuͤnſt-
lern nach dem Leben gemahlten Portraits dieſer Wil-
den, welche ich der Guͤte des Hrn. Banks verdanke.
39) Denn Robertſons paradoxe Meinung, welcher in
Hiſtory of America, Th. 2. S. 40. die Esquimos von
den Normannen herleitete, bedarf jetzo kaum einer
ernſthaften Widerlegung.
40) So z. B. vergleicht der klaſſiſche Seefahrer und
beobachtende Augenzeuge Linſchoten die Anwohner der
Maga-
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[222/0256] ſcheinliche Meinung, daß die Amerikaner aus dem noͤrd- lichen Aſien heruͤbergekommen, und von einer mongo- liſchen Voͤlkerſchaft entſprungen ſind; daß aber mehre- re ſolcher Auswanderungen in langen Zwiſchenraͤumen erfolgt ſind, wozu ſowohl phyſiſche und geogeniſche als politiſche Kataſtrophen Veranlaſſung geben konnten, iſt wahrſcheinlich; und hieraus iſt, wenn eine Ver- muthung bey ſolchen Eroͤrterungen ſtatt finden kann, muthmaßlich der Grund abzuleiten, warum die Es- kimos noch weit mehr als die uͤbrigen Amerikaner dieſe Geſichtsbildung an ſich haben 38)? theils naͤm- lich, weil ſie weit ſpaͤter, durch eine neuere Kata- ſtrophe vertrieben, aus dem noͤrdlichen Aſien ange- kommen ſind 39); theils weil das Klima der neuen Erde, die ſie jetzt bewohnen, dem Klima des vori- gen Vaterlandes aͤhnlicher iſt. Ja man muß ſogar, wenn ich nicht irre, derſelben Macht des Klima auf Erhaltung oder Wiederherſtellung der Nationalge- ſichtsbildung, wovon wir oben (§. 57.) geſprochen haben, es zuſchreiben, daß die aͤußerſten kalten Be- wohner des andern Amerika, wie die wilden Be- wohner der Magellansſtraße, wieder der vorigen mongoliſchen Geſichtsbildung ſich naͤhern, und gleich- ſam wieder darein zuruͤckfallen 40). §. 89. 38) Dieſe ſehe ich ſehr deutlich in zwey Schaͤdeln von Eski- mos von der Kolonie Nain auf Labrador, welche meine Sammlung ziereu, und in denen von ſehr guten Kuͤnſt- lern nach dem Leben gemahlten Portraits dieſer Wil- den, welche ich der Guͤte des Hrn. Banks verdanke. 39) Denn Robertſons paradoxe Meinung, welcher in Hiſtory of America, Th. 2. S. 40. die Esquimos von den Normannen herleitete, bedarf jetzo kaum einer ernſthaften Widerlegung. 40) So z. B. vergleicht der klaſſiſche Seefahrer und beobachtende Augenzeuge Linſchoten die Anwohner der Maga-

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/256>, abgerufen am 22.11.2024.