Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.schiedenen Erklärungen erstaunen, welche die ver- Die 34) Wer auch immer das Loos des Menschen unter
seiner Würde schätzt, der bedenke, welche wichtige Vorzüge unser Vater uns verlieben hat, wie wir weit stärkere Thiere unterjochen, weit schnellere verfolgen, wie alles, was irrdisch ist, unsern Streichen unter- liegt. Seneca. ſchiedenen Erklaͤrungen erſtaunen, welche die ver- Die 34) Wer auch immer das Loos des Menſchen unter
ſeiner Wuͤrde ſchaͤtzt, der bedenke, welche wichtige Vorzuͤge unſer Vater uns verlieben hat, wie wir weit ſtaͤrkere Thiere unterjochen, weit ſchnellere verfolgen, wie alles, was irrdiſch iſt, unſern Streichen unter- liegt. Seneca. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0084" n="50"/> ſchiedenen Erklaͤrungen erſtaunen, welche die ver-<lb/> nuͤnftigſten Philoſophen von dem Begriffe der Ver-<lb/> nunft geben. Nach einigen iſt ſie ein ganz beſonde-<lb/> res, dem Menſchen allein eigenes Seelenvermoͤgen,<lb/> nach andern wenigſtens ein ungemeiner und vorzuͤg-<lb/> licher Grad deſſelben, von dem man in der thieriſchen<lb/> Seele nur ſchwache Spuren vorfinde. Nach dieſen<lb/> iſt ſie der Einigungspunkt aller hoͤheren Vermoͤgen<lb/> des menſchlichen Geiſtes, nach jenen eine beſondere<lb/> Richtung der geiſtigen Vermoͤgen des Menſchen,<lb/> u. ſ. f.<lb/><hi rendition="#et">Unſer iſt’s nicht unter dieſen ſo wichtige Streite<lb/> zu ſchlichten.</hi><lb/> Kuͤrzer aber und ſicherer, glaube ich, kann man dieſe<lb/> Unterſuchung abthun, wenn man <hi rendition="#aq">a poſteriori,</hi> wie<lb/> es heißt, dieſen Vorzug des Menſchen darein ſetzt,<lb/> daß er ihn zum Herrſcher und Herrn der uͤbrigen<lb/> Thiere macht <note place="foot" n="34)">Wer auch immer das Loos des Menſchen unter<lb/> ſeiner Wuͤrde ſchaͤtzt, der bedenke, welche wichtige<lb/> Vorzuͤge unſer Vater uns verlieben hat, wie wir weit<lb/> ſtaͤrkere Thiere unterjochen, weit ſchnellere verfolgen,<lb/> wie alles, was irrdiſch iſt, unſern Streichen unter-<lb/> liegt. <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Seneca</hi>.</hi></note>. Daß er dieſe Herrſchaft habe,<lb/> liegt am Tage. Eben ſo offenbar aber iſt es, daß<lb/> die Urſache dieſer Herrſchaft nicht in der koͤrperlichen<lb/> Kraft des Menſchen liege. Sie muß alſo einzig auf<lb/> die Geiſtesgaben und deren Vorzuͤge bezogen werden.<lb/> Und dieſe Gaben, durch welche nun der Menſch vor<lb/> allen uͤbrigen Thieren den Vorrang hat, moͤgen ſie<lb/> uͤbrigens von welcherley Art und Natur ſeyn, wol-<lb/> len wir Vernunft nennen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0084]
ſchiedenen Erklaͤrungen erſtaunen, welche die ver-
nuͤnftigſten Philoſophen von dem Begriffe der Ver-
nunft geben. Nach einigen iſt ſie ein ganz beſonde-
res, dem Menſchen allein eigenes Seelenvermoͤgen,
nach andern wenigſtens ein ungemeiner und vorzuͤg-
licher Grad deſſelben, von dem man in der thieriſchen
Seele nur ſchwache Spuren vorfinde. Nach dieſen
iſt ſie der Einigungspunkt aller hoͤheren Vermoͤgen
des menſchlichen Geiſtes, nach jenen eine beſondere
Richtung der geiſtigen Vermoͤgen des Menſchen,
u. ſ. f.
Unſer iſt’s nicht unter dieſen ſo wichtige Streite
zu ſchlichten.
Kuͤrzer aber und ſicherer, glaube ich, kann man dieſe
Unterſuchung abthun, wenn man a poſteriori, wie
es heißt, dieſen Vorzug des Menſchen darein ſetzt,
daß er ihn zum Herrſcher und Herrn der uͤbrigen
Thiere macht 34). Daß er dieſe Herrſchaft habe,
liegt am Tage. Eben ſo offenbar aber iſt es, daß
die Urſache dieſer Herrſchaft nicht in der koͤrperlichen
Kraft des Menſchen liege. Sie muß alſo einzig auf
die Geiſtesgaben und deren Vorzuͤge bezogen werden.
Und dieſe Gaben, durch welche nun der Menſch vor
allen uͤbrigen Thieren den Vorrang hat, moͤgen ſie
uͤbrigens von welcherley Art und Natur ſeyn, wol-
len wir Vernunft nennen.
Die
34) Wer auch immer das Loos des Menſchen unter
ſeiner Wuͤrde ſchaͤtzt, der bedenke, welche wichtige
Vorzuͤge unſer Vater uns verlieben hat, wie wir weit
ſtaͤrkere Thiere unterjochen, weit ſchnellere verfolgen,
wie alles, was irrdiſch iſt, unſern Streichen unter-
liegt. Seneca.
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