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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

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tergraben gesucht. Man hat nemlich den Satz:
Die Natur thut keinen Sprung, über den
schon der große Leibnitz viel wahres und schö-
nes gesagt hat, den Bradley nachher (auf
Addison's Anrathen) in einem eignen Werke,
aber ziemlich unvollständig und trocken, Bon-
net ungemein scharfsinnig, und Robinet ganz
abentheuerlich behandelt haben, dahin gedeutet:
daß alle erschaffene Wesen, vom vollkommensten
bis zum Atom, vom Engel bis zum einfachsten
Elemente, in einer ununterbrochnen Reihe, wie
Glied an Glied in einer Kette, zusammenhin-
gen; daß sie in Rücksicht ihrer Bildung und Ei-
genschaften stufenweise, aber doch so unmerk-
lich auf einander folgten, daß durchaus keine an-
dre, als eine sehr willkürliche, sehr imaginäre
Abtheilung in Reiche oder Classen und Ordnun-
gen etc. bey ihnen statt finden könne. Dieses
Räsonnement scheint wirklich auf den ersten
Blick ganz richtig. Die Idee von Stufenfolge
in der Natur ist eben so alt als artig. Wir
selbst haben sie von je her für eine der interessant-
sten Speculationen in der Natürlichen Philoso-
phie gehalten. Sie kann auch sehr wesentlich
nutzbar werden. Sie ist, beym Lichte betrachtet,
der wahre Grund eines natürlichen Systems
in der Naturgeschichte, das der große, aber noch
meist unbefriedigte Wunsch, aller Naturforscher
ist, und nach welchem man die natürlichen Kör-
per nach ihrer grösten Verwandschaft zusammen

tergraben gesucht. Man hat nemlich den Satz:
Die Natur thut keinen Sprung, über den
schon der große Leibnitz viel wahres und schö-
nes gesagt hat, den Bradley nachher (auf
Addison's Anrathen) in einem eignen Werke,
aber ziemlich unvollständig und trocken, Bon-
net ungemein scharfsinnig, und Robinet ganz
abentheuerlich behandelt haben, dahin gedeutet:
daß alle erschaffene Wesen, vom vollkommensten
bis zum Atom, vom Engel bis zum einfachsten
Elemente, in einer ununterbrochnen Reihe, wie
Glied an Glied in einer Kette, zusammenhin-
gen; daß sie in Rücksicht ihrer Bildung und Ei-
genschaften stufenweise, aber doch so unmerk-
lich auf einander folgten, daß durchaus keine an-
dre, als eine sehr willkürliche, sehr imaginäre
Abtheilung in Reiche oder Classen und Ordnun-
gen ꝛc. bey ihnen statt finden könne. Dieses
Räsonnement scheint wirklich auf den ersten
Blick ganz richtig. Die Idee von Stufenfolge
in der Natur ist eben so alt als artig. Wir
selbst haben sie von je her für eine der interessant-
sten Speculationen in der Natürlichen Philoso-
phie gehalten. Sie kann auch sehr wesentlich
nutzbar werden. Sie ist, beym Lichte betrachtet,
der wahre Grund eines natürlichen Systems
in der Naturgeschichte, das der große, aber noch
meist unbefriedigte Wunsch, aller Naturforscher
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[11/0033] tergraben gesucht. Man hat nemlich den Satz: Die Natur thut keinen Sprung, über den schon der große Leibnitz viel wahres und schö- nes gesagt hat, den Bradley nachher (auf Addison's Anrathen) in einem eignen Werke, aber ziemlich unvollständig und trocken, Bon- net ungemein scharfsinnig, und Robinet ganz abentheuerlich behandelt haben, dahin gedeutet: daß alle erschaffene Wesen, vom vollkommensten bis zum Atom, vom Engel bis zum einfachsten Elemente, in einer ununterbrochnen Reihe, wie Glied an Glied in einer Kette, zusammenhin- gen; daß sie in Rücksicht ihrer Bildung und Ei- genschaften stufenweise, aber doch so unmerk- lich auf einander folgten, daß durchaus keine an- dre, als eine sehr willkürliche, sehr imaginäre Abtheilung in Reiche oder Classen und Ordnun- gen ꝛc. bey ihnen statt finden könne. Dieses Räsonnement scheint wirklich auf den ersten Blick ganz richtig. Die Idee von Stufenfolge in der Natur ist eben so alt als artig. Wir selbst haben sie von je her für eine der interessant- sten Speculationen in der Natürlichen Philoso- phie gehalten. Sie kann auch sehr wesentlich nutzbar werden. Sie ist, beym Lichte betrachtet, der wahre Grund eines natürlichen Systems in der Naturgeschichte, das der große, aber noch meist unbefriedigte Wunsch, aller Naturforscher ist, und nach welchem man die natürlichen Kör- per nach ihrer grösten Verwandschaft zusammen

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/33>, abgerufen am 21.11.2024.