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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

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ordnen, die ähnlichen verbinden, die unähnli-
chen von einander entfernen soll. Jedes natür-
liche System sollte eigentlich eine Art Bonneti-
scher Leiter seyn, und das ganze Studium der
Naturgeschichte würde ungemein gewinnen,
würde gar sehr erleichtert werden, wenn die Sy-
stematiker nach diesem Plane arbeiteten, sich
weniger willkürliche Charaktere abstrahirten, nach
welchen sie die Naturalien rangiren etc. Aber
alles dies herzlich gerne zugegeben, dürfen
doch die Leitern und Ketten, der guten Sache der
bestimmten Naturreiche, und der Classification
der Naturalien, bey weitem keinen Eintrag thun.
Die passendste Allegorie kann matt werden, kann
in eine Spielerey ausarten, wenn sie zu weit
getrieben wird. Und das ist in der That bey
den eben angeführten zu befürchten. Es ist un-
terhaltend, es ist, wie wir so eben selbst gesagt
haben, nutzbar, wenn der Naturforscher die
Creaturen nach ihrer nächsten Verwandschaft un-
ter einander ordnet, an einander kettet u. s. w.
Aber es scheint uns von der andern Seite eine
schwache, und der Allweisheit des Schöpfers
unanständige Behauptung, wenn man im
Ernste annehmen wollte, daß auch Er bey der
Schöpfung einen solchen allegorischen Plan be-
folgt, und die Vollkommenheit seiner großen
Handlung darein gesetzt hätte, daß er seinen Crea-
turen alle ersinnliche Formen gäbe, und sie folg-
lich vom obersten bis zum untersten ganz regel-

ordnen, die ähnlichen verbinden, die unähnli-
chen von einander entfernen soll. Jedes natür-
liche System sollte eigentlich eine Art Bonneti-
scher Leiter seyn, und das ganze Studium der
Naturgeschichte würde ungemein gewinnen,
würde gar sehr erleichtert werden, wenn die Sy-
stematiker nach diesem Plane arbeiteten, sich
weniger willkürliche Charaktere abstrahirten, nach
welchen sie die Naturalien rangiren ꝛc. Aber
alles dies herzlich gerne zugegeben, dürfen
doch die Leitern und Ketten, der guten Sache der
bestimmten Naturreiche, und der Classification
der Naturalien, bey weitem keinen Eintrag thun.
Die passendste Allegorie kann matt werden, kann
in eine Spielerey ausarten, wenn sie zu weit
getrieben wird. Und das ist in der That bey
den eben angeführten zu befürchten. Es ist un-
terhaltend, es ist, wie wir so eben selbst gesagt
haben, nutzbar, wenn der Naturforscher die
Creaturen nach ihrer nächsten Verwandschaft un-
ter einander ordnet, an einander kettet u. s. w.
Aber es scheint uns von der andern Seite eine
schwache, und der Allweisheit des Schöpfers
unanständige Behauptung, wenn man im
Ernste annehmen wollte, daß auch Er bey der
Schöpfung einen solchen allegorischen Plan be-
folgt, und die Vollkommenheit seiner großen
Handlung darein gesetzt hätte, daß er seinen Crea-
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[12/0034] ordnen, die ähnlichen verbinden, die unähnli- chen von einander entfernen soll. Jedes natür- liche System sollte eigentlich eine Art Bonneti- scher Leiter seyn, und das ganze Studium der Naturgeschichte würde ungemein gewinnen, würde gar sehr erleichtert werden, wenn die Sy- stematiker nach diesem Plane arbeiteten, sich weniger willkürliche Charaktere abstrahirten, nach welchen sie die Naturalien rangiren ꝛc. Aber alles dies herzlich gerne zugegeben, dürfen doch die Leitern und Ketten, der guten Sache der bestimmten Naturreiche, und der Classification der Naturalien, bey weitem keinen Eintrag thun. Die passendste Allegorie kann matt werden, kann in eine Spielerey ausarten, wenn sie zu weit getrieben wird. Und das ist in der That bey den eben angeführten zu befürchten. Es ist un- terhaltend, es ist, wie wir so eben selbst gesagt haben, nutzbar, wenn der Naturforscher die Creaturen nach ihrer nächsten Verwandschaft un- ter einander ordnet, an einander kettet u. s. w. Aber es scheint uns von der andern Seite eine schwache, und der Allweisheit des Schöpfers unanständige Behauptung, wenn man im Ernste annehmen wollte, daß auch Er bey der Schöpfung einen solchen allegorischen Plan be- folgt, und die Vollkommenheit seiner großen Handlung darein gesetzt hätte, daß er seinen Crea- turen alle ersinnliche Formen gäbe, und sie folg- lich vom obersten bis zum untersten ganz regel-

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/34>, abgerufen am 23.11.2024.