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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

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würde sie, zumal in den kurzen Tagen verhindern,
ihrer Nahrung kümmerlich nachgehn zu können;
und da ohnedem auch die Insecten sich im
Winter verkriechen, und keine Beeren und
Körner von Früchten in dieser Jahrszeit mehr
zu sehen sind, so müsten unzälige Vögel ver-
hungern, wenn sie nicht vom innern Instinct
getrieben, noch vor Einbruch der strengen
Kälte, unsere Gegenden verliessen, und bis
zur Widerkehr der wärmern Tage, südliche
Himmelsstriche besuchten. Da sie nemlich
vorher paarweise im Gebüsch zerstreuet wa-
ren, so werden sie nun mit einem mal unru-
hig, fliegen hin und her, versammlen sich
in Schaaren, und an frischen heitern Herbst-
morgen verläst denn eine Gattung von Vö-
geln derselben Gegend nach der andern ihr Va-
terland, und emigrirt nach mildern Erdstri-
chen. Der Zug geht in der strengsten Ord-
nung vor sich. Er hat mehrentheils die Ge-
stalt eines scharfen Winkels, und der Anfürer,
der an der Spitze des Heers zuerst die Luft
gegen Süden durchschneidet, und folglich am
meisten arbeiten muß, wird von Zeit zu Zeit
durch andere von seinem Posten abgelöst,
und fliegt dann mit weniger Anstrengung
einige Zeit in den letzten Gliedern. Zuwei-
len läst sich der Zug unterweges an bestimm-
ten Orten, in Feldern, im Wald etc. auch
auf den Inseln des Mitländischen Meeres

würde sie, zumal in den kurzen Tagen verhindern,
ihrer Nahrung kümmerlich nachgehn zu können;
und da ohnedem auch die Insecten sich im
Winter verkriechen, und keine Beeren und
Körner von Früchten in dieser Jahrszeit mehr
zu sehen sind, so müsten unzälige Vögel ver-
hungern, wenn sie nicht vom innern Instinct
getrieben, noch vor Einbruch der strengen
Kälte, unsere Gegenden verliessen, und bis
zur Widerkehr der wärmern Tage, südliche
Himmelsstriche besuchten. Da sie nemlich
vorher paarweise im Gebüsch zerstreuet wa-
ren, so werden sie nun mit einem mal unru-
hig, fliegen hin und her, versammlen sich
in Schaaren, und an frischen heitern Herbst-
morgen verläst denn eine Gattung von Vö-
geln derselben Gegend nach der andern ihr Va-
terland, und emigrirt nach mildern Erdstri-
chen. Der Zug geht in der strengsten Ord-
nung vor sich. Er hat mehrentheils die Ge-
stalt eines scharfen Winkels, und der Anfürer,
der an der Spitze des Heers zuerst die Luft
gegen Süden durchschneidet, und folglich am
meisten arbeiten muß, wird von Zeit zu Zeit
durch andere von seinem Posten abgelöst,
und fliegt dann mit weniger Anstrengung
einige Zeit in den letzten Gliedern. Zuwei-
len läst sich der Zug unterweges an bestimm-
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[156/0168] würde sie, zumal in den kurzen Tagen verhindern, ihrer Nahrung kümmerlich nachgehn zu können; und da ohnedem auch die Insecten sich im Winter verkriechen, und keine Beeren und Körner von Früchten in dieser Jahrszeit mehr zu sehen sind, so müsten unzälige Vögel ver- hungern, wenn sie nicht vom innern Instinct getrieben, noch vor Einbruch der strengen Kälte, unsere Gegenden verliessen, und bis zur Widerkehr der wärmern Tage, südliche Himmelsstriche besuchten. Da sie nemlich vorher paarweise im Gebüsch zerstreuet wa- ren, so werden sie nun mit einem mal unru- hig, fliegen hin und her, versammlen sich in Schaaren, und an frischen heitern Herbst- morgen verläst denn eine Gattung von Vö- geln derselben Gegend nach der andern ihr Va- terland, und emigrirt nach mildern Erdstri- chen. Der Zug geht in der strengsten Ord- nung vor sich. Er hat mehrentheils die Ge- stalt eines scharfen Winkels, und der Anfürer, der an der Spitze des Heers zuerst die Luft gegen Süden durchschneidet, und folglich am meisten arbeiten muß, wird von Zeit zu Zeit durch andere von seinem Posten abgelöst, und fliegt dann mit weniger Anstrengung einige Zeit in den letzten Gliedern. Zuwei- len läst sich der Zug unterweges an bestimm- ten Orten, in Feldern, im Wald ꝛc. auch auf den Inseln des Mitländischen Meeres

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/168>, abgerufen am 29.11.2024.