Die erste Art der Propagation, nähmlich durch Zweige, von der wir auch schon im Thier- reiche bey den Polypen und sonst einige Spuren bemerkt haben, ist im Pflanzenreich desto ge- wöhnlicher. Manche Gewächse nähmlich ver- mehren sich von selbst auf diese Weise. Bey vielen andern hat es die Kunst durch Absenken oder Ablegen nachgeahmt. Es gibt z. B. eine Art Feigenbaum (der Banianbaum, ficusindica) dessen Zweige herab hangen, und sobald sie den Boden berühren, von selbst Wurzel schlagen; so daß ein einziger solcher Baum mit der Zeit ein kleines Wäldchen, dessen Stämme oben durch Bogen verbunden sind, vorstellt.
Anm. Einige Meilen von Patna in Bengalen steht ein solcher Banianbaum von 50 bis 60 zusammen- hängenden Stämmen, der, nach einer vor zehn Jahren vorgenommenen Messung, auf 370 Fuß im Durchschnitt, und sein Schatten den er Mit- tags wirft, über 1100 Fuß im Umfang hält.
§. 191.
Anders ist hingegen die zweyte Fortpflan- zungsart, durch Augen. So nennt man nähm- lich die kleinen Knöspchen, die im Herbste an den Bäumen, da wo die Blattstiele ansitzen, zum Vorschein kommen, aber bey den mehresten erst im folgenden Frühjahr sich öffnen und ausschla- gen. Sie finden sich meist nur an den Bäumen der kältern Erdstriche, und fallen bey einigen von selbst ab: keimen auch, wenn man sie vorsichtig
§. 190.
Die erste Art der Propagation, nähmlich durch Zweige, von der wir auch schon im Thier- reiche bey den Polypen und sonst einige Spuren bemerkt haben, ist im Pflanzenreich desto ge- wöhnlicher. Manche Gewächse nähmlich ver- mehren sich von selbst auf diese Weise. Bey vielen andern hat es die Kunst durch Absenken oder Ablegen nachgeahmt. Es gibt z. B. eine Art Feigenbaum (der Banianbaum, ficusindica) dessen Zweige herab hangen, und sobald sie den Boden berühren, von selbst Wurzel schlagen; so daß ein einziger solcher Baum mit der Zeit ein kleines Wäldchen, dessen Stämme oben durch Bogen verbunden sind, vorstellt.
Anm. Einige Meilen von Patna in Bengalen steht ein solcher Banianbaum von 50 bis 60 zusammen- hängenden Stämmen, der, nach einer vor zehn Jahren vorgenommenen Messung, auf 370 Fuß im Durchschnitt, und sein Schatten den er Mit- tags wirft, über 1100 Fuß im Umfang hält.
§. 191.
Anders ist hingegen die zweyte Fortpflan- zungsart, durch Augen. So nennt man nähm- lich die kleinen Knöspchen, die im Herbste an den Bäumen, da wo die Blattstiele ansitzen, zum Vorschein kommen, aber bey den mehresten erst im folgenden Frühjahr sich öffnen und ausschla- gen. Sie finden sich meist nur an den Bäumen der kältern Erdstriche, und fallen bey einigen von selbst ab: keimen auch, wenn man sie vorsichtig
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000026"><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0513"xml:id="pb491_0001"n="491"/><headrendition="#c">§. 190.</head><lb/><p>Die erste Art der Propagation, nähmlich<lb/>
durch Zweige, von der wir auch schon im Thier-<lb/>
reiche bey den Polypen und sonst einige Spuren<lb/>
bemerkt haben, ist im Pflanzenreich desto ge-<lb/>
wöhnlicher. Manche Gewächse nähmlich ver-<lb/>
mehren sich von selbst auf diese Weise. Bey<lb/>
vielen andern hat es die Kunst durch Absenken<lb/>
oder Ablegen nachgeahmt. Es gibt z. B. eine<lb/>
Art Feigenbaum (der Banianbaum, <hirendition="#aq">ficus</hi><hirendition="#i"><hirendition="#aq">indica</hi></hi>)<lb/>
dessen Zweige herab hangen, und sobald sie den<lb/>
Boden berühren, von selbst Wurzel schlagen; so<lb/>
daß ein einziger solcher Baum mit der Zeit ein<lb/>
kleines Wäldchen, dessen Stämme oben durch<lb/>
Bogen verbunden sind, vorstellt.</p><prendition="#indent-1 #small">Anm. Einige Meilen von Patna in Bengalen steht<lb/>
ein solcher Banianbaum von 50 bis 60 zusammen-<lb/>
hängenden Stämmen, der, nach einer vor zehn<lb/>
Jahren vorgenommenen Messung, auf 370 Fuß<lb/>
im Durchschnitt, und sein Schatten den er Mit-<lb/>
tags wirft, über 1100 Fuß im Umfang hält.</p></div><divn="2"><headrendition="#c">§. 191.</head><lb/><p>Anders ist hingegen die zweyte Fortpflan-<lb/>
zungsart, durch Augen. So nennt man nähm-<lb/>
lich die kleinen Knöspchen, die im Herbste an den<lb/>
Bäumen, da wo die Blattstiele ansitzen, zum<lb/>
Vorschein kommen, aber bey den mehresten erst<lb/>
im folgenden Frühjahr sich öffnen und ausschla-<lb/>
gen. Sie finden sich meist nur an den Bäumen<lb/>
der kältern Erdstriche, und fallen bey einigen von<lb/>
selbst ab: keimen auch, wenn man sie vorsichtig<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[491/0513]
§. 190.
Die erste Art der Propagation, nähmlich
durch Zweige, von der wir auch schon im Thier-
reiche bey den Polypen und sonst einige Spuren
bemerkt haben, ist im Pflanzenreich desto ge-
wöhnlicher. Manche Gewächse nähmlich ver-
mehren sich von selbst auf diese Weise. Bey
vielen andern hat es die Kunst durch Absenken
oder Ablegen nachgeahmt. Es gibt z. B. eine
Art Feigenbaum (der Banianbaum, ficus indica)
dessen Zweige herab hangen, und sobald sie den
Boden berühren, von selbst Wurzel schlagen; so
daß ein einziger solcher Baum mit der Zeit ein
kleines Wäldchen, dessen Stämme oben durch
Bogen verbunden sind, vorstellt.
Anm. Einige Meilen von Patna in Bengalen steht
ein solcher Banianbaum von 50 bis 60 zusammen-
hängenden Stämmen, der, nach einer vor zehn
Jahren vorgenommenen Messung, auf 370 Fuß
im Durchschnitt, und sein Schatten den er Mit-
tags wirft, über 1100 Fuß im Umfang hält.
§. 191.
Anders ist hingegen die zweyte Fortpflan-
zungsart, durch Augen. So nennt man nähm-
lich die kleinen Knöspchen, die im Herbste an den
Bäumen, da wo die Blattstiele ansitzen, zum
Vorschein kommen, aber bey den mehresten erst
im folgenden Frühjahr sich öffnen und ausschla-
gen. Sie finden sich meist nur an den Bäumen
der kältern Erdstriche, und fallen bey einigen von
selbst ab: keimen auch, wenn man sie vorsichtig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1797/513>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.