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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815.

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gegen ist er ausschließlich im Besitz der Vernunft
(§. 37.), und der dadurch von ihm selbst erfunde-
nen Rede oder Sprache (loquela), die nicht mit
der bloß thierischen Stimme (vox) verwechselt
werden darf (§. 25.), als welche auch den ganz
jungen, und selbst den stummgebornen Kindern zu-
kommt. Und so folgt aus jenen beyden ausschließ-
lichen Vorzügen das große ausschließliche Eigen-
thum der Menschenspecies, wodurch sie über die
ganze übrige thierische Schöpfung erhoben wird,
das Vermögen sich selbst zu vervoll-
kommnen
.



Der Mensch ist für sich ein wehrloses, hülfs-
bedürftiges
Geschöpf. Kein anderes Thier außer
ihm bleibt so lange Kind, keins kriegt so sehr spät
erst sein Gebiß, lernt so sehr spät erst auf seinen
Füßen stehen, keins wird so sehr spät mannbar u.
s. w. Selbst seine großen Vorzüge, Vernunft und
Sprache, sind nur Keime, die sich nicht von selbst,
sondern erst durch fremde Hülfe, Cultur und Er-
ziehung entwickeln können; daher denn bey dieser
Hülfsbedürftigkeit, und bey diesen zahllosen dringen-
den Bedürfnissen, die allgemeine natürliche Bestim-
mung des Menschen zur gesellschaftlichen
Verbindung
. Nicht ganz so allgemein läßt sich
hingegen vor der Hand noch entscheiden, ob in allen
Welttheilen die Proportion in der Anzahl der ge-
bornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer
der Zeit der Fortpflanzungsfähigkeit bey beyden Ge-
schlechtern so gleich sey, daß der Mensch überall so
wie in Europa
zur Monogamie bestimmt
werde.

Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind
beyde unbeschränkt; er bewohnt die ganze bewohn-
bare Erde, und nährt sich mit den vielartigsten Stof-
fen aus dem weitesten Umfang der organisirten Schö-
pfung. Und in Verhältniß zu seiner mäßigen kör-
perlichen Größe, und in Vergleich mit andern Säu-
gethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter.

gegen ist er ausschließlich im Besitz der Vernunft
(§. 37.), und der dadurch von ihm selbst erfunde-
nen Rede oder Sprache (loquela), die nicht mit
der bloß thierischen Stimme (vox) verwechselt
werden darf (§. 25.), als welche auch den ganz
jungen, und selbst den stummgebornen Kindern zu-
kommt. Und so folgt aus jenen beyden ausschließ-
lichen Vorzügen das große ausschließliche Eigen-
thum der Menschenspecies, wodurch sie über die
ganze übrige thierische Schöpfung erhoben wird,
das Vermögen sich selbst zu vervoll-
kommnen
.



Der Mensch ist für sich ein wehrloses, hülfs-
bedürftiges
Geschöpf. Kein anderes Thier außer
ihm bleibt so lange Kind, keins kriegt so sehr spät
erst sein Gebiß, lernt so sehr spät erst auf seinen
Füßen stehen, keins wird so sehr spät mannbar u.
s. w. Selbst seine großen Vorzüge, Vernunft und
Sprache, sind nur Keime, die sich nicht von selbst,
sondern erst durch fremde Hülfe, Cultur und Er-
ziehung entwickeln können; daher denn bey dieser
Hülfsbedürftigkeit, und bey diesen zahllosen dringen-
den Bedürfnissen, die allgemeine natürliche Bestim-
mung des Menschen zur gesellschaftlichen
Verbindung
. Nicht ganz so allgemein läßt sich
hingegen vor der Hand noch entscheiden, ob in allen
Welttheilen die Proportion in der Anzahl der ge-
bornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer
der Zeit der Fortpflanzungsfähigkeit bey beyden Ge-
schlechtern so gleich sey, daß der Mensch überall so
wie in Europa
zur Monogamie bestimmt
werde.

Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind
beyde unbeschränkt; er bewohnt die ganze bewohn-
bare Erde, und nährt sich mit den vielartigsten Stof-
fen aus dem weitesten Umfang der organisirten Schö-
pfung. Und in Verhältniß zu seiner mäßigen kör-
perlichen Größe, und in Vergleich mit andern Säu-
gethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter.

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[72/0076] gegen ist er ausschließlich im Besitz der Vernunft (§. 37.), und der dadurch von ihm selbst erfunde- nen Rede oder Sprache (loquela), die nicht mit der bloß thierischen Stimme (vox) verwechselt werden darf (§. 25.), als welche auch den ganz jungen, und selbst den stummgebornen Kindern zu- kommt. Und so folgt aus jenen beyden ausschließ- lichen Vorzügen das große ausschließliche Eigen- thum der Menschenspecies, wodurch sie über die ganze übrige thierische Schöpfung erhoben wird, das Vermögen sich selbst zu vervoll- kommnen. Der Mensch ist für sich ein wehrloses, hülfs- bedürftiges Geschöpf. Kein anderes Thier außer ihm bleibt so lange Kind, keins kriegt so sehr spät erst sein Gebiß, lernt so sehr spät erst auf seinen Füßen stehen, keins wird so sehr spät mannbar u. s. w. Selbst seine großen Vorzüge, Vernunft und Sprache, sind nur Keime, die sich nicht von selbst, sondern erst durch fremde Hülfe, Cultur und Er- ziehung entwickeln können; daher denn bey dieser Hülfsbedürftigkeit, und bey diesen zahllosen dringen- den Bedürfnissen, die allgemeine natürliche Bestim- mung des Menschen zur gesellschaftlichen Verbindung. Nicht ganz so allgemein läßt sich hingegen vor der Hand noch entscheiden, ob in allen Welttheilen die Proportion in der Anzahl der ge- bornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer der Zeit der Fortpflanzungsfähigkeit bey beyden Ge- schlechtern so gleich sey, daß der Mensch überall so wie in Europa zur Monogamie bestimmt werde. Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind beyde unbeschränkt; er bewohnt die ganze bewohn- bare Erde, und nährt sich mit den vielartigsten Stof- fen aus dem weitesten Umfang der organisirten Schö- pfung. Und in Verhältniß zu seiner mäßigen kör- perlichen Größe, und in Vergleich mit andern Säu- gethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815/76>, abgerufen am 21.11.2024.