"Hypothesen zu machen, und sie als seine Stimme der Welt vorzulegen, darf niemand gewehrt seyn, sie gehören dem Verfasser. Aber die Sprache gehört der Nation, und mit dieser darf man nicht umspringen, wie man will."
Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses der Nation gehörige Eigenthum, habe ich auch bey den deutschen Namen der Natura- lien beobachtet, und mich daher immer der allgemein angenommenen und allgemein ver- ständlichen, nicht aber etwa der Solöcismen einer einzelnen Provinz bedient. Darum brauche ich z. B. nicht das hier zu Lande gewöhnliche Wort Molle, sondern das allge- mein angenommene Molch: eben so nicht das im Erzgebirge gebräuchliche Wort Ko- belt, sondern das längst allgemein adoptirte und selbst in andere lebende und todte Spra- chen aufgenommene Kobalt u. s. w.
Anders ist der Fall mit den in der Natur- beschreibung von unsern neuen Systematikern zur Bezeichnung der Geschlechter und ihrer Gattungen selbsterfundenen Kunst - und
tenberg bey einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:
“Hypothesen zu machen, und sie als seine Stimme der Welt vorzulegen, darf niemand gewehrt seyn, sie gehören dem Verfasser. Aber die Sprache gehört der Nation, und mit dieser darf man nicht umspringen, wie man will.“
Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses der Nation gehörige Eigenthum, habe ich auch bey den deutschen Namen der Natura- lien beobachtet, und mich daher immer der allgemein angenommenen und allgemein ver- ständlichen, nicht aber etwa der Solöcismen einer einzelnen Provinz bedient. Darum brauche ich z. B. nicht das hier zu Lande gewöhnliche Wort Molle, sondern das allge- mein angenommene Molch: eben so nicht das im Erzgebirge gebräuchliche Wort Ko- belt, sondern das längst allgemein adoptirte und selbst in andere lebende und todte Spra- chen aufgenommene Kobalt u. s. w.
Anders ist der Fall mit den in der Natur- beschreibung von unsern neuen Systematikern zur Bezeichnung der Geschlechter und ihrer Gattungen selbsterfundenen Kunst – und
<TEI><textxmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance"xml:id="blume_hbnatur_000032"><front><divtype="preface"n="1"><p><pbfacs="#f0012"xml:id="pbVIII_0001"n="VIII"/>
tenberg bey einem ähnlichen Anlaß sich<lb/>
ausdrückt:</p><prendition="#l1em"><qtype="preline">“Hypothesen zu machen, und sie als<lb/>
seine Stimme der Welt vorzulegen,<lb/>
darf niemand gewehrt seyn, sie gehören<lb/>
dem Verfasser. Aber <hirendition="#aq"><hirendition="#i">die Sprache</hi></hi><lb/>
gehört der <hirendition="#aq"><hirendition="#i">Nation</hi></hi>, und mit dieser<lb/>
darf man nicht umspringen, wie<lb/>
man will.“</q></p><p>Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses<lb/>
der Nation gehörige Eigenthum, habe ich<lb/>
auch bey den deutschen Namen der Natura-<lb/>
lien beobachtet, und mich daher immer der<lb/>
allgemein angenommenen und allgemein ver-<lb/>
ständlichen, nicht aber etwa der Solöcismen<lb/>
einer einzelnen Provinz bedient. Darum<lb/>
brauche ich z. B. nicht das hier zu Lande<lb/>
gewöhnliche Wort Molle, sondern das allge-<lb/>
mein angenommene Molch: eben so nicht<lb/>
das im Erzgebirge gebräuchliche Wort Ko-<lb/>
belt, sondern das längst allgemein adoptirte<lb/>
und selbst in andere lebende und todte Spra-<lb/>
chen aufgenommene Kobalt u. s. w.</p><p>Anders ist der Fall mit den in der Natur-<lb/>
beschreibung von unsern neuen Systematikern<lb/>
zur Bezeichnung der Geschlechter und ihrer<lb/>
Gattungen selbsterfundenen Kunst – und<lb/></p></div></front></text></TEI>
[VIII/0012]
tenberg bey einem ähnlichen Anlaß sich
ausdrückt:
“Hypothesen zu machen, und sie als
seine Stimme der Welt vorzulegen,
darf niemand gewehrt seyn, sie gehören
dem Verfasser. Aber die Sprache
gehört der Nation, und mit dieser
darf man nicht umspringen, wie
man will.“
Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses
der Nation gehörige Eigenthum, habe ich
auch bey den deutschen Namen der Natura-
lien beobachtet, und mich daher immer der
allgemein angenommenen und allgemein ver-
ständlichen, nicht aber etwa der Solöcismen
einer einzelnen Provinz bedient. Darum
brauche ich z. B. nicht das hier zu Lande
gewöhnliche Wort Molle, sondern das allge-
mein angenommene Molch: eben so nicht
das im Erzgebirge gebräuchliche Wort Ko-
belt, sondern das längst allgemein adoptirte
und selbst in andere lebende und todte Spra-
chen aufgenommene Kobalt u. s. w.
Anders ist der Fall mit den in der Natur-
beschreibung von unsern neuen Systematikern
zur Bezeichnung der Geschlechter und ihrer
Gattungen selbsterfundenen Kunst – und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 10. Aufl. Göttingen, 1821, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1821/12>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.