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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

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Hauptnahrungsstoff der Pflanzen ausmacht. Und so wird be-
greiflich, wie sich Gewächse, die sonst mit ihren Wurzelzasern
in der Erde sitzen, nicht nur, wie Hyacinthenzwiebeln auf blo-
ßem Wasser, oder Kresse auf angefeuchtetem Flanell ziehen
lassen, sondern manche andere, wie das Hauslauch auf den
Dächern, und so viele eben so saftvolle Pflanzen der dürresten,
heißesten Erdstriche, z. B. die Agaven, Aloen, Cactusgattun-
gen etc. auch bloß durch Einsaugen aus der Atmosphäre für lan-
ge Zeit hinlängliche Nahrung erhalten können*).

§. 168.

Die allgemeinsten äußern Nutritions- oder eigentlich In-
gestions-Organe der Pflanzen, die Wurzelzasern, treiben bei
vielen Gewächsen gleich über der Erde die Blätter aus; bei an-
dern aber treten sie vorher erst in einen Wurzelstrunk und die-
ser wird dann bei vielen in einen Stamm oder Stängel,
Halm (wie man es bei manchen Pflanzen nennt) verlängert,
der aber im Grunde meist die gleiche Structur, wie der Wur-
zelstrunk selbst, behält.

§. 169.

Der Stamm der Bäume und Stauden ist zu äußerst
mit einer feinen Oberhaut bedeckt, unter welcher die Bor-
ke
und der Bast (liber) liegen, welcher letztere fast ganz aus
den thätigsten Saftgefäßen besteht, und daher für die Erhal-
tung der Pflanze einer der allerwichtigsten Theile ist. Weiter
hinein folgt der Splint (alburnum) und hierauf die eigent-
lich holzige Substanz, und dann theils zwischen dieser, theils
aber auch besonders längs der Mitte des Stammes, das so ge-
nannte Mark, welches letztere aber mit zunehmendem Alter
an Menge abzunehmen und gleichsam zu schwinden pflegt. Auch
wird bei diesen Gewächsen, alljährlich eine oder eigentlich zwey
neue Holzlagen, und zwar wahrscheinlich aus dem gedachten
Splint erzeugt, daher man bekanntlich aus der Anzahl die-
ser concentrischen Lagen (pectines) ungefähr das Alter der
Stämme schätzen kann.

Anm. Von dieser Einrichtung sind doch die Hölzer der Palmen
ausgenommen, als welche keine solche concentrische Lagen bilden,
sondern durchaus gleichförmig dicht, sehr hart und wie mit par-

*) So z. B. das Epidendrum flos aeris in Cochinchina. s. Jo.
de Loureiro flora Cochinchinens. T. II. p. 525. "mirabilis hu-
jus plantae proprietas est, quod ex sylvis domum delata, et
in aere libero suspensa, in multos annos duret, crescat, flo-
reat, et germinet. Vix crederem, nisi diuturna experientia
comprobassem.
"

Hauptnahrungsstoff der Pflanzen ausmacht. Und so wird be-
greiflich, wie sich Gewächse, die sonst mit ihren Wurzelzasern
in der Erde sitzen, nicht nur, wie Hyacinthenzwiebeln auf blo-
ßem Wasser, oder Kresse auf angefeuchtetem Flanell ziehen
lassen, sondern manche andere, wie das Hauslauch auf den
Dächern, und so viele eben so saftvolle Pflanzen der dürresten,
heißesten Erdstriche, z. B. die Agaven, Aloën, Cactusgattun-
gen ꝛc. auch bloß durch Einsaugen aus der Atmosphäre für lan-
ge Zeit hinlängliche Nahrung erhalten können*).

§. 168.

Die allgemeinsten äußern Nutritions- oder eigentlich In-
gestions-Organe der Pflanzen, die Wurzelzasern, treiben bei
vielen Gewächsen gleich über der Erde die Blätter aus; bei an-
dern aber treten sie vorher erst in einen Wurzelstrunk und die-
ser wird dann bei vielen in einen Stamm oder Stängel,
Halm (wie man es bei manchen Pflanzen nennt) verlängert,
der aber im Grunde meist die gleiche Structur, wie der Wur-
zelstrunk selbst, behält.

§. 169.

Der Stamm der Bäume und Stauden ist zu äußerst
mit einer feinen Oberhaut bedeckt, unter welcher die Bor-
ke
und der Bast (liber) liegen, welcher letztere fast ganz aus
den thätigsten Saftgefäßen besteht, und daher für die Erhal-
tung der Pflanze einer der allerwichtigsten Theile ist. Weiter
hinein folgt der Splint (alburnum) und hierauf die eigent-
lich holzige Substanz, und dann theils zwischen dieser, theils
aber auch besonders längs der Mitte des Stammes, das so ge-
nannte Mark, welches letztere aber mit zunehmendem Alter
an Menge abzunehmen und gleichsam zu schwinden pflegt. Auch
wird bei diesen Gewächsen, alljährlich eine oder eigentlich zwey
neue Holzlagen, und zwar wahrscheinlich aus dem gedachten
Splint erzeugt, daher man bekanntlich aus der Anzahl die-
ser concentrischen Lagen (pectines) ungefähr das Alter der
Stämme schätzen kann.

Anm. Von dieser Einrichtung sind doch die Hölzer der Palmen
ausgenommen, als welche keine solche concentrische Lagen bilden,
sondern durchaus gleichförmig dicht, sehr hart und wie mit par-

*) So z. B. das Epidendrum flos aëris in Cochinchina. s. Jo.
de Loureiro flora Cochinchinens. T. II. p. 525. mirabilis hu-
jus plantae proprietas est, quod ex sylvis domum delata, et
in aëre libero suspensa, in multos annos duret, crescat, flo-
reat, et germinet. Vix crederem, nisi diuturna experientia
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[336/0346] Hauptnahrungsstoff der Pflanzen ausmacht. Und so wird be- greiflich, wie sich Gewächse, die sonst mit ihren Wurzelzasern in der Erde sitzen, nicht nur, wie Hyacinthenzwiebeln auf blo- ßem Wasser, oder Kresse auf angefeuchtetem Flanell ziehen lassen, sondern manche andere, wie das Hauslauch auf den Dächern, und so viele eben so saftvolle Pflanzen der dürresten, heißesten Erdstriche, z. B. die Agaven, Aloën, Cactusgattun- gen ꝛc. auch bloß durch Einsaugen aus der Atmosphäre für lan- ge Zeit hinlängliche Nahrung erhalten können *). §. 168. Die allgemeinsten äußern Nutritions- oder eigentlich In- gestions-Organe der Pflanzen, die Wurzelzasern, treiben bei vielen Gewächsen gleich über der Erde die Blätter aus; bei an- dern aber treten sie vorher erst in einen Wurzelstrunk und die- ser wird dann bei vielen in einen Stamm oder Stängel, Halm (wie man es bei manchen Pflanzen nennt) verlängert, der aber im Grunde meist die gleiche Structur, wie der Wur- zelstrunk selbst, behält. §. 169. Der Stamm der Bäume und Stauden ist zu äußerst mit einer feinen Oberhaut bedeckt, unter welcher die Bor- ke und der Bast (liber) liegen, welcher letztere fast ganz aus den thätigsten Saftgefäßen besteht, und daher für die Erhal- tung der Pflanze einer der allerwichtigsten Theile ist. Weiter hinein folgt der Splint (alburnum) und hierauf die eigent- lich holzige Substanz, und dann theils zwischen dieser, theils aber auch besonders längs der Mitte des Stammes, das so ge- nannte Mark, welches letztere aber mit zunehmendem Alter an Menge abzunehmen und gleichsam zu schwinden pflegt. Auch wird bei diesen Gewächsen, alljährlich eine oder eigentlich zwey neue Holzlagen, und zwar wahrscheinlich aus dem gedachten Splint erzeugt, daher man bekanntlich aus der Anzahl die- ser concentrischen Lagen (pectines) ungefähr das Alter der Stämme schätzen kann. Anm. Von dieser Einrichtung sind doch die Hölzer der Palmen ausgenommen, als welche keine solche concentrische Lagen bilden, sondern durchaus gleichförmig dicht, sehr hart und wie mit par- *) So z. B. das Epidendrum flos aëris in Cochinchina. s. Jo. de Loureiro flora Cochinchinens. T. II. p. 525. „mirabilis hu- jus plantae proprietas est, quod ex sylvis domum delata, et in aëre libero suspensa, in multos annos duret, crescat, flo- reat, et germinet. Vix crederem, nisi diuturna experientia comprobassem.“

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  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/346>, abgerufen am 22.11.2024.