Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. den er sich sehr zu seinem Ruhme von dem französischen undzum Theil auch von dem deutschen Adel unterscheidet, ver- dient besonders hervorgehoben zu werden. Schon in der Zeit, als die Barone die einzige politische Macht im State waren, hatten sie nicht blosz sich und ihre eigenen Rechte im Auge. Sie fühlten sich frühzeitig als eine nationale Körper- schaft, welche den Beruf habe, auch im allgemeinen öffent- lichen Interesse die Rechte des Volkes zu schirmen und für seine Freiheit zu sorgen. Die Magna Charta enthält zahl- reiche und höchst wichtige Bestimmungen der Art. Die poli- tische Freiheit der Engländer ist zu einem guten Theile ein Werk der Aristokratie. Nachdem diese aber einmal fest begründet war, da wurde die hohe Aristokratie mehr und mehr zu einem festen Damme, welcher den Stat vor der Ueber- fluthung der demokratischen Ströme sicherte, und wie sie vor- her die Volksfreiheit begründet hatte, übernahm sie nun die minder populäre aber nicht minder heilsame Aufgabe für die Aufrechterhaltung des Thrones und der festen Statsord- nung einzustehen. In der Mitte stehend zwischen König und der Menge des Volkes, und weder so mächtig, dasz sie für sich allein zu herrschen vermochte, noch so abhängig in ihrer Existenz, dasz sie allen Strömungen von unten oder jedem Ansinnen von oben folgen müszte, bewahrte sie die Freiheit und die Rechte beider vor dem Uebergriff je des andern und vor dem Miszbrauch beider. Der englische Adel ist auch fortwährend thätig geblieben in den öffentlichen Geschäf- ten, und wenn es sich um Uebung öffentlicher Pflichten handelte, so stand er allezeit in erster Reihe. Schon die Erziehung desselben wird von dem Geiste politischer Freiheit durchdrungen, und ist auf persönliche Selbständigkeit gerichtet. Die politischen Parteien, die Betheiligung an der Polizeiver- waltung der Friedensrichter, die Mitwirkung bei den Wahlen, die Theilnahme an den Grafschaftsverbänden und an den Geschwornengerichten, die Uebung zu allen gemeinnützigen Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. den er sich sehr zu seinem Ruhme von dem französischen undzum Theil auch von dem deutschen Adel unterscheidet, ver- dient besonders hervorgehoben zu werden. Schon in der Zeit, als die Barone die einzige politische Macht im State waren, hatten sie nicht blosz sich und ihre eigenen Rechte im Auge. Sie fühlten sich frühzeitig als eine nationale Körper- schaft, welche den Beruf habe, auch im allgemeinen öffent- lichen Interesse die Rechte des Volkes zu schirmen und für seine Freiheit zu sorgen. Die Magna Charta enthält zahl- reiche und höchst wichtige Bestimmungen der Art. Die poli- tische Freiheit der Engländer ist zu einem guten Theile ein Werk der Aristokratie. Nachdem diese aber einmal fest begründet war, da wurde die hohe Aristokratie mehr und mehr zu einem festen Damme, welcher den Stat vor der Ueber- fluthung der demokratischen Ströme sicherte, und wie sie vor- her die Volksfreiheit begründet hatte, übernahm sie nun die minder populäre aber nicht minder heilsame Aufgabe für die Aufrechterhaltung des Thrones und der festen Statsord- nung einzustehen. In der Mitte stehend zwischen König und der Menge des Volkes, und weder so mächtig, dasz sie für sich allein zu herrschen vermochte, noch so abhängig in ihrer Existenz, dasz sie allen Strömungen von unten oder jedem Ansinnen von oben folgen müszte, bewahrte sie die Freiheit und die Rechte beider vor dem Uebergriff je des andern und vor dem Miszbrauch beider. Der englische Adel ist auch fortwährend thätig geblieben in den öffentlichen Geschäf- ten, und wenn es sich um Uebung öffentlicher Pflichten handelte, so stand er allezeit in erster Reihe. Schon die Erziehung desselben wird von dem Geiste politischer Freiheit durchdrungen, und ist auf persönliche Selbständigkeit gerichtet. Die politischen Parteien, die Betheiligung an der Polizeiver- waltung der Friedensrichter, die Mitwirkung bei den Wahlen, die Theilnahme an den Grafschaftsverbänden und an den Geschwornengerichten, die Uebung zu allen gemeinnützigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0178" n="160"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.</fw><lb/> den er sich sehr zu seinem Ruhme von dem französischen und<lb/> zum Theil auch von dem deutschen Adel unterscheidet, ver-<lb/> dient besonders hervorgehoben zu werden. 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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
den er sich sehr zu seinem Ruhme von dem französischen und
zum Theil auch von dem deutschen Adel unterscheidet, ver-
dient besonders hervorgehoben zu werden. Schon in der Zeit,
als die Barone die einzige politische Macht im State waren,
hatten sie nicht blosz sich und ihre eigenen Rechte im Auge.
Sie fühlten sich frühzeitig als eine nationale Körper-
schaft, welche den Beruf habe, auch im allgemeinen öffent-
lichen Interesse die Rechte des Volkes zu schirmen und
für seine Freiheit zu sorgen. Die Magna Charta enthält zahl-
reiche und höchst wichtige Bestimmungen der Art. Die poli-
tische Freiheit der Engländer ist zu einem guten Theile
ein Werk der Aristokratie. Nachdem diese aber einmal fest
begründet war, da wurde die hohe Aristokratie mehr und
mehr zu einem festen Damme, welcher den Stat vor der Ueber-
fluthung der demokratischen Ströme sicherte, und wie sie vor-
her die Volksfreiheit begründet hatte, übernahm sie nun die
minder populäre aber nicht minder heilsame Aufgabe für die
Aufrechterhaltung des Thrones und der festen Statsord-
nung einzustehen. In der Mitte stehend zwischen König und
der Menge des Volkes, und weder so mächtig, dasz sie für
sich allein zu herrschen vermochte, noch so abhängig in ihrer
Existenz, dasz sie allen Strömungen von unten oder jedem
Ansinnen von oben folgen müszte, bewahrte sie die Freiheit
und die Rechte beider vor dem Uebergriff je des andern und
vor dem Miszbrauch beider. Der englische Adel ist auch
fortwährend thätig geblieben in den öffentlichen Geschäf-
ten, und wenn es sich um Uebung öffentlicher Pflichten
handelte, so stand er allezeit in erster Reihe. Schon die
Erziehung desselben wird von dem Geiste politischer Freiheit
durchdrungen, und ist auf persönliche Selbständigkeit gerichtet.
Die politischen Parteien, die Betheiligung an der Polizeiver-
waltung der Friedensrichter, die Mitwirkung bei den Wahlen,
die Theilnahme an den Grafschaftsverbänden und an den
Geschwornengerichten, die Uebung zu allen gemeinnützigen
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