Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Gründung des norddeutschen Reiches ihre Souveränetät an Preuszen.
An dem deutschen Reiche haben noch 22 deutsche Für- sten mit souveräner Landesherrschaft Antheil.
Es besteht aber, trotz des definitiven Untergangs der alten Reichsinstitution des hohen Adels in Deutschland noch eine hohe Aristokratie erlauchter Familien, deren Kern durch die reichsständischen Geschlechter gebildet wird. Aber es sind neue Familien hinzu gekommen, welche durch bedeu- tende Männer, wie z. B. Fürst Bismarck, Graf Moltke, und politische Leistungen, zuweilen auch durch fürstliche Gunst und gesellschaftliche Vorzüge über die Stufe der Gentry empor gehoben worden sind.
Es verdient hervorgehoben zu werden, dasz diese hohe Aristokratie, obwohl sie meistens eher conservativ als liberal gesinnt ist, doch durch einen weiten und freien Blick ausge- zeichnet ist und im Gegensatze zu engherzigem und klein- lichem Particularismus sich mit der nationalen Entwicklung und Grösze des deutschen Reiches vielfältig befreundet hat.
Dreizehntes Capitel. II. Ritterschaftlicher Adel.
In der Mitte zwischen dem alten Dynastenadel und den einfachen Freien standen die aus den letzteren erhobe- nen Mittelfreien, wie sie der Schwabenspiegel nennt. Im Süden von Deutschland läszt sich dieser Stand bis in die Zeit der fränkischen Monarchie hinauf verfolgen. Erst seit dem vierzehnten Jahrhundert aber kam der Sprachgebrauch auf, diese Mittelfreien ebenfalls Edelleute zu nennen, dadurch dem Adel als niederen Adel näher zu bringen und gleich- zeitig schärfer von den einfachen Freien zu trennen.
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Gründung des norddeutschen Reiches ihre Souveränetät an Preuszen.
An dem deutschen Reiche haben noch 22 deutsche Für- sten mit souveräner Landesherrschaft Antheil.
Es besteht aber, trotz des definitiven Untergangs der alten Reichsinstitution des hohen Adels in Deutschland noch eine hohe Aristokratie erlauchter Familien, deren Kern durch die reichsständischen Geschlechter gebildet wird. Aber es sind neue Familien hinzu gekommen, welche durch bedeu- tende Männer, wie z. B. Fürst Bismarck, Graf Moltke, und politische Leistungen, zuweilen auch durch fürstliche Gunst und gesellschaftliche Vorzüge über die Stufe der Gentry empor gehoben worden sind.
Es verdient hervorgehoben zu werden, dasz diese hohe Aristokratie, obwohl sie meistens eher conservativ als liberal gesinnt ist, doch durch einen weiten und freien Blick ausge- zeichnet ist und im Gegensatze zu engherzigem und klein- lichem Particularismus sich mit der nationalen Entwicklung und Grösze des deutschen Reiches vielfältig befreundet hat.
Dreizehntes Capitel. II. Ritterschaftlicher Adel.
In der Mitte zwischen dem alten Dynastenadel und den einfachen Freien standen die aus den letzteren erhobe- nen Mittelfreien, wie sie der Schwabenspiegel nennt. Im Süden von Deutschland läszt sich dieser Stand bis in die Zeit der fränkischen Monarchie hinauf verfolgen. Erst seit dem vierzehnten Jahrhundert aber kam der Sprachgebrauch auf, diese Mittelfreien ebenfalls Edelleute zu nennen, dadurch dem Adel als niederen Adel näher zu bringen und gleich- zeitig schärfer von den einfachen Freien zu trennen.
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
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Preuszen.
An dem deutschen Reiche haben noch 22 deutsche Für-
sten mit souveräner Landesherrschaft Antheil.
Es besteht aber, trotz des definitiven Untergangs der
alten Reichsinstitution des hohen Adels in Deutschland noch
eine hohe Aristokratie erlauchter Familien, deren Kern
durch die reichsständischen Geschlechter gebildet wird. Aber
es sind neue Familien hinzu gekommen, welche durch bedeu-
tende Männer, wie z. B. Fürst Bismarck, Graf Moltke, und
politische Leistungen, zuweilen auch durch fürstliche Gunst
und gesellschaftliche Vorzüge über die Stufe der Gentry empor
gehoben worden sind.
Es verdient hervorgehoben zu werden, dasz diese hohe
Aristokratie, obwohl sie meistens eher conservativ als liberal
gesinnt ist, doch durch einen weiten und freien Blick ausge-
zeichnet ist und im Gegensatze zu engherzigem und klein-
lichem Particularismus sich mit der nationalen Entwicklung
und Grösze des deutschen Reiches vielfältig befreundet hat.
Dreizehntes Capitel.
II. Ritterschaftlicher Adel.
In der Mitte zwischen dem alten Dynastenadel und den
einfachen Freien standen die aus den letzteren erhobe-
nen Mittelfreien, wie sie der Schwabenspiegel nennt. Im
Süden von Deutschland läszt sich dieser Stand bis in die Zeit
der fränkischen Monarchie hinauf verfolgen. Erst seit dem
vierzehnten Jahrhundert aber kam der Sprachgebrauch auf,
diese Mittelfreien ebenfalls Edelleute zu nennen, dadurch
dem Adel als niederen Adel näher zu bringen und gleich-
zeitig schärfer von den einfachen Freien zu trennen.
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/188>, abgerufen am 21.11.2024.
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