Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
freier oder rittermäsziger Abstammung, durch den Antheil an der städtischen Obrigkeit ausgezeichnet.
Auch unter diesen Classen des sogenannten niedern Adels verdrängte das überhandnehmende Princip der persönlichen Erblichkeit mehr und mehr die Rücksichten auf Grund- besitz, ritterliche Lebensart, Hofdienst, und erzeugte eine grosze Anzahl von Edelleuten, die keine andere edle Eigen- schaft besaszen als den Nachweis eines alten Stammbaums. Auch die Abschlieszung dieses Standes von den freien Bürgern und Bauern wurde immer schroffer, und zwar gerade in den Zeiten, als die innere Bedeutung des Gegensatzes ab- starb. Im Zusammenhange damit erhielt die Sucht nach vor- nehmen Titeln reichliche Befriedigung, und auch aus diesem Stande gingen ganze Schaaren von Freiherren und sogar Grafen und Fürsten hervor, theils durch Verleihung, theils geradezu durch Anmaszung solcher Titel, denen im übrigen keine Rea- lität mehr entsprach, die keine Freiherrschaft, keine Graf- schaft, kein Fürstenthum hatten.
Ein so ausgebildeter Adel der Militär- und Civilämter wie in Frankreich kam in Deutschland nicht auf. Höchstens bildete der gelehrte Adel der Doctores juris eine individuelle Ergänzung des im übrigen erblichen Standes. Um so eifriger dagegen wurde der Briefadel zur Erweiterung des ohnehin übermäszigen Titularadels den Franzosen nachgeahmt.
Dieser niedere Adel hatte weder auf Landeshoheit noch auf Reichsstandschaft Anspruch. Nur die Reichsritterschaft erlangte eine der Landeshoheit ähnliche Selbstständigkeit in ihren durch das Reich zerstreuten Gebieten. Dagegen war er des Lehensrechts theilhaft und hatte häufig gewisse Vorrechte auf Stiftungen und Pfründen. Auch besasz ein Theil seiner Glieder, jedoch nur in Verbindung mit bestimmten Herrschaften und Gütern, erbliche Vogtei- und Grundherrschaft und übte die damit verbundene Gerichtsbarkeit aus, im Zu- sammenhang mit der mittelalterlichen Ausbreitung des Lehens-
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
freier oder rittermäsziger Abstammung, durch den Antheil an der städtischen Obrigkeit ausgezeichnet.
Auch unter diesen Classen des sogenannten niedern Adels verdrängte das überhandnehmende Princip der persönlichen Erblichkeit mehr und mehr die Rücksichten auf Grund- besitz, ritterliche Lebensart, Hofdienst, und erzeugte eine grosze Anzahl von Edelleuten, die keine andere edle Eigen- schaft besaszen als den Nachweis eines alten Stammbaums. Auch die Abschlieszung dieses Standes von den freien Bürgern und Bauern wurde immer schroffer, und zwar gerade in den Zeiten, als die innere Bedeutung des Gegensatzes ab- starb. Im Zusammenhange damit erhielt die Sucht nach vor- nehmen Titeln reichliche Befriedigung, und auch aus diesem Stande gingen ganze Schaaren von Freiherren und sogar Grafen und Fürsten hervor, theils durch Verleihung, theils geradezu durch Anmaszung solcher Titel, denen im übrigen keine Rea- lität mehr entsprach, die keine Freiherrschaft, keine Graf- schaft, kein Fürstenthum hatten.
Ein so ausgebildeter Adel der Militär- und Civilämter wie in Frankreich kam in Deutschland nicht auf. Höchstens bildete der gelehrte Adel der Doctores juris eine individuelle Ergänzung des im übrigen erblichen Standes. Um so eifriger dagegen wurde der Briefadel zur Erweiterung des ohnehin übermäszigen Titularadels den Franzosen nachgeahmt.
Dieser niedere Adel hatte weder auf Landeshoheit noch auf Reichsstandschaft Anspruch. Nur die Reichsritterschaft erlangte eine der Landeshoheit ähnliche Selbstständigkeit in ihren durch das Reich zerstreuten Gebieten. Dagegen war er des Lehensrechts theilhaft und hatte häufig gewisse Vorrechte auf Stiftungen und Pfründen. Auch besasz ein Theil seiner Glieder, jedoch nur in Verbindung mit bestimmten Herrschaften und Gütern, erbliche Vogtei- und Grundherrschaft und übte die damit verbundene Gerichtsbarkeit aus, im Zu- sammenhang mit der mittelalterlichen Ausbreitung des Lehens-
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
freier oder rittermäsziger Abstammung, durch den Antheil an
der städtischen Obrigkeit ausgezeichnet.
Auch unter diesen Classen des sogenannten niedern Adels
verdrängte das überhandnehmende Princip der persönlichen
Erblichkeit mehr und mehr die Rücksichten auf Grund-
besitz, ritterliche Lebensart, Hofdienst, und erzeugte eine
grosze Anzahl von Edelleuten, die keine andere edle Eigen-
schaft besaszen als den Nachweis eines alten Stammbaums.
Auch die Abschlieszung dieses Standes von den freien
Bürgern und Bauern wurde immer schroffer, und zwar gerade
in den Zeiten, als die innere Bedeutung des Gegensatzes ab-
starb. Im Zusammenhange damit erhielt die Sucht nach vor-
nehmen Titeln reichliche Befriedigung, und auch aus diesem
Stande gingen ganze Schaaren von Freiherren und sogar Grafen
und Fürsten hervor, theils durch Verleihung, theils geradezu
durch Anmaszung solcher Titel, denen im übrigen keine Rea-
lität mehr entsprach, die keine Freiherrschaft, keine Graf-
schaft, kein Fürstenthum hatten.
Ein so ausgebildeter Adel der Militär- und Civilämter
wie in Frankreich kam in Deutschland nicht auf. Höchstens
bildete der gelehrte Adel der Doctores juris eine individuelle
Ergänzung des im übrigen erblichen Standes. Um so eifriger
dagegen wurde der Briefadel zur Erweiterung des ohnehin
übermäszigen Titularadels den Franzosen nachgeahmt.
Dieser niedere Adel hatte weder auf Landeshoheit noch
auf Reichsstandschaft Anspruch. Nur die Reichsritterschaft
erlangte eine der Landeshoheit ähnliche Selbstständigkeit in ihren
durch das Reich zerstreuten Gebieten. Dagegen war er des
Lehensrechts theilhaft und hatte häufig gewisse Vorrechte
auf Stiftungen und Pfründen. Auch besasz ein Theil seiner
Glieder, jedoch nur in Verbindung mit bestimmten Herrschaften
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übte die damit verbundene Gerichtsbarkeit aus, im Zu-
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/190>, abgerufen am 21.11.2024.
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