Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Töchter mit dem Vater stimmen. Dadurch würde das poli- tische Gewicht der Hausväter, der solidesten Bestandtheile in der Nation, erheblich verstärkt werden gegenüber den ehe- losen und auszer der Familie lebenden Elementen.
e) Der Einflusz der Frauen auf die Politik, der sich auch heute in der Gesellschaft und innerhalb des Hauses geltend mache, sei überhaupt nicht zu vermeiden. Gegen- wärtig aber äuszere sich dieser Einflusz in ungeordneter Weise, meist insgeheim, immer ohne dasz die Frauen das Gefühl der Verantwortlichkeit haben. Da wäre es doch besser, diesem Einflusz eine wohl angelegte Bahn zu eröffnen, den- selben vor Ausschreitungen zu bewahren und den Frauen, in- dem man sie bei dem State mitbetheilige, auch die Verant- wortlichkeit ihrer Abstimmungen und Meinungsäuszerungen klar zu machen.
Unter diesen Gründen für die Ausdehnung des Frauen- stimmrechts hat der vierte wohl das meiste Gewicht. Mir scheinen aber die Gegengründe noch gewichtiger. Sie sind:
a) Die übereinstimmende Sitte aller Culturvölker, welche freilich keine absolute Beweiskraft hat, aber entschie- den vor einer Aenderung warnt, welche den beharrlichen Zuständen und Gefühlen der Menschheit widerspricht.
b) Die Natur der Frauen, welche vornehmlich für die Familie geschaffen und bestimmt sind und durch massen- haftes Hineinziehen in die politischen Kämpfe und Arbeiten ihrem eigentlichen Beruf eher entfremdet würden. Die weib- lichen Tugenden der Gatten- und Mutterliebe, der häuslichen Sorge, die zarte Feinfühligkeit und Liebenswürdigkeit der Frauen würden sicher Schaden leiden, und die Frauen wür- den die Fähigkeit zu den Arbeiten und dem offenen Kampfe des äuszern Lebens doch nicht gewinnen.
c) Die männliche Natur des States, als der bewusz- ten Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung des Volks, welche die Kraft des männlichen Charakters und Geistes nicht
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Töchter mit dem Vater stimmen. Dadurch würde das poli- tische Gewicht der Hausväter, der solidesten Bestandtheile in der Nation, erheblich verstärkt werden gegenüber den ehe- losen und auszer der Familie lebenden Elementen.
e) Der Einflusz der Frauen auf die Politik, der sich auch heute in der Gesellschaft und innerhalb des Hauses geltend mache, sei überhaupt nicht zu vermeiden. Gegen- wärtig aber äuszere sich dieser Einflusz in ungeordneter Weise, meist insgeheim, immer ohne dasz die Frauen das Gefühl der Verantwortlichkeit haben. Da wäre es doch besser, diesem Einflusz eine wohl angelegte Bahn zu eröffnen, den- selben vor Ausschreitungen zu bewahren und den Frauen, in- dem man sie bei dem State mitbetheilige, auch die Verant- wortlichkeit ihrer Abstimmungen und Meinungsäuszerungen klar zu machen.
Unter diesen Gründen für die Ausdehnung des Frauen- stimmrechts hat der vierte wohl das meiste Gewicht. Mir scheinen aber die Gegengründe noch gewichtiger. Sie sind:
a) Die übereinstimmende Sitte aller Culturvölker, welche freilich keine absolute Beweiskraft hat, aber entschie- den vor einer Aenderung warnt, welche den beharrlichen Zuständen und Gefühlen der Menschheit widerspricht.
b) Die Natur der Frauen, welche vornehmlich für die Familie geschaffen und bestimmt sind und durch massen- haftes Hineinziehen in die politischen Kämpfe und Arbeiten ihrem eigentlichen Beruf eher entfremdet würden. Die weib- lichen Tugenden der Gatten- und Mutterliebe, der häuslichen Sorge, die zarte Feinfühligkeit und Liebenswürdigkeit der Frauen würden sicher Schaden leiden, und die Frauen wür- den die Fähigkeit zu den Arbeiten und dem offenen Kampfe des äuszern Lebens doch nicht gewinnen.
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Töchter mit dem Vater stimmen. Dadurch würde das poli-
tische Gewicht der Hausväter, der solidesten Bestandtheile in
der Nation, erheblich verstärkt werden gegenüber den ehe-
losen und auszer der Familie lebenden Elementen.
e) Der Einflusz der Frauen auf die Politik, der sich
auch heute in der Gesellschaft und innerhalb des Hauses
geltend mache, sei überhaupt nicht zu vermeiden. Gegen-
wärtig aber äuszere sich dieser Einflusz in ungeordneter
Weise, meist insgeheim, immer ohne dasz die Frauen das
Gefühl der Verantwortlichkeit haben. Da wäre es doch besser,
diesem Einflusz eine wohl angelegte Bahn zu eröffnen, den-
selben vor Ausschreitungen zu bewahren und den Frauen, in-
dem man sie bei dem State mitbetheilige, auch die Verant-
wortlichkeit ihrer Abstimmungen und Meinungsäuszerungen
klar zu machen.
Unter diesen Gründen für die Ausdehnung des Frauen-
stimmrechts hat der vierte wohl das meiste Gewicht. Mir
scheinen aber die Gegengründe noch gewichtiger. Sie sind:
a) Die übereinstimmende Sitte aller Culturvölker,
welche freilich keine absolute Beweiskraft hat, aber entschie-
den vor einer Aenderung warnt, welche den beharrlichen
Zuständen und Gefühlen der Menschheit widerspricht.
b) Die Natur der Frauen, welche vornehmlich für die
Familie geschaffen und bestimmt sind und durch massen-
haftes Hineinziehen in die politischen Kämpfe und Arbeiten
ihrem eigentlichen Beruf eher entfremdet würden. Die weib-
lichen Tugenden der Gatten- und Mutterliebe, der häuslichen
Sorge, die zarte Feinfühligkeit und Liebenswürdigkeit der
Frauen würden sicher Schaden leiden, und die Frauen wür-
den die Fähigkeit zu den Arbeiten und dem offenen Kampfe
des äuszern Lebens doch nicht gewinnen.
c) Die männliche Natur des States, als der bewusz-
ten Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung des Volks,
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/250>, abgerufen am 22.11.2024.
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