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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zwanzigstes Capitel. Verhältnisz des States zur Familie. 2. Die Frauen.
und niemals entbehren und nicht durch die Beimischung der
weiblichen Empfindsamkeit und Schwäche verdorben werden
dürfen.

d) Die grosze Gefahr, dasz die politischen Parteikämpfe
noch leidenschaftlicher und noch weniger durch den männ-
lichen Verstand geleitet und in Schranken gehalten würden.
Die passiven Seelenkräfte würden zum Schaden des States
vermehrt, die activen geschwächt werden.

Einzelne Ausnahmen, wie die Thronfolgefähigkeit von
Frauen, welche durch günstige Verhältnisse und eine hohe
Ausbildung unschädlich gemacht werden können, sind daher
erträglich, eine allgemeine Aufnahme der Frauen in das Stats-
bürgerrecht wäre verderblich.

Sind daher die Frauen von einer regelmäszigen unmittel-
baren Theilnahme an den Statsgeschäften ausgeschlossen, so
ist dagegen ihre mittelbare Einwirkung auf die Wohlfahrt
des States nicht gering zu achten. Aber auch da artet der
Einflusz der Frauen auf das Statswohl leicht aus, wenn der-
selbe von politischen Motiven geleitet wird. Rein und
heilsam erweist er sich fast nur, wenn religiöse oder mora-
lische
Gründe die Handlungen der Frauen bestimmen. Die
berühmten politischen Frauen haben meistens den Staten und
den Ihrigen Schaden gebracht. Die weibliche Klugheit und
List in kleinen Dingen wird auf politischem Gebiete zu ge-
fährlicher Intrigue. Und wenn einmal die politischen Leiden-
schaften des Hasses, der Rache, des Ehrgeizes in der Brust
des Weibes eingekehrt sind, werden sie leicht zu maszloser
Gier entzündet und theilen sich so den Männern mit. Es
gilt das nicht blosz von den Maitressen der Fürsten, es gilt
das auch von manchen Ehefrauen und Müttern, die sich in
der Geschichte einen Namen erworben haben. Die römische
Geschichte ist nicht arm an Beispielen dafür, und die fran-
zösiche Revolution kennt solche nicht minder als das Hofleben
der französischen Könige.


Zwanzigstes Capitel. Verhältnisz des States zur Familie. 2. Die Frauen.
und niemals entbehren und nicht durch die Beimischung der
weiblichen Empfindsamkeit und Schwäche verdorben werden
dürfen.

d) Die grosze Gefahr, dasz die politischen Parteikämpfe
noch leidenschaftlicher und noch weniger durch den männ-
lichen Verstand geleitet und in Schranken gehalten würden.
Die passiven Seelenkräfte würden zum Schaden des States
vermehrt, die activen geschwächt werden.

Einzelne Ausnahmen, wie die Thronfolgefähigkeit von
Frauen, welche durch günstige Verhältnisse und eine hohe
Ausbildung unschädlich gemacht werden können, sind daher
erträglich, eine allgemeine Aufnahme der Frauen in das Stats-
bürgerrecht wäre verderblich.

Sind daher die Frauen von einer regelmäszigen unmittel-
baren Theilnahme an den Statsgeschäften ausgeschlossen, so
ist dagegen ihre mittelbare Einwirkung auf die Wohlfahrt
des States nicht gering zu achten. Aber auch da artet der
Einflusz der Frauen auf das Statswohl leicht aus, wenn der-
selbe von politischen Motiven geleitet wird. Rein und
heilsam erweist er sich fast nur, wenn religiöse oder mora-
lische
Gründe die Handlungen der Frauen bestimmen. Die
berühmten politischen Frauen haben meistens den Staten und
den Ihrigen Schaden gebracht. Die weibliche Klugheit und
List in kleinen Dingen wird auf politischem Gebiete zu ge-
fährlicher Intrigue. Und wenn einmal die politischen Leiden-
schaften des Hasses, der Rache, des Ehrgeizes in der Brust
des Weibes eingekehrt sind, werden sie leicht zu maszloser
Gier entzündet und theilen sich so den Männern mit. Es
gilt das nicht blosz von den Maitressen der Fürsten, es gilt
das auch von manchen Ehefrauen und Müttern, die sich in
der Geschichte einen Namen erworben haben. Die römische
Geschichte ist nicht arm an Beispielen dafür, und die fran-
zösiche Revolution kennt solche nicht minder als das Hofleben
der französischen Könige.


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[233/0251] Zwanzigstes Capitel. Verhältnisz des States zur Familie. 2. Die Frauen. und niemals entbehren und nicht durch die Beimischung der weiblichen Empfindsamkeit und Schwäche verdorben werden dürfen. d) Die grosze Gefahr, dasz die politischen Parteikämpfe noch leidenschaftlicher und noch weniger durch den männ- lichen Verstand geleitet und in Schranken gehalten würden. Die passiven Seelenkräfte würden zum Schaden des States vermehrt, die activen geschwächt werden. Einzelne Ausnahmen, wie die Thronfolgefähigkeit von Frauen, welche durch günstige Verhältnisse und eine hohe Ausbildung unschädlich gemacht werden können, sind daher erträglich, eine allgemeine Aufnahme der Frauen in das Stats- bürgerrecht wäre verderblich. Sind daher die Frauen von einer regelmäszigen unmittel- baren Theilnahme an den Statsgeschäften ausgeschlossen, so ist dagegen ihre mittelbare Einwirkung auf die Wohlfahrt des States nicht gering zu achten. Aber auch da artet der Einflusz der Frauen auf das Statswohl leicht aus, wenn der- selbe von politischen Motiven geleitet wird. Rein und heilsam erweist er sich fast nur, wenn religiöse oder mora- lische Gründe die Handlungen der Frauen bestimmen. Die berühmten politischen Frauen haben meistens den Staten und den Ihrigen Schaden gebracht. Die weibliche Klugheit und List in kleinen Dingen wird auf politischem Gebiete zu ge- fährlicher Intrigue. Und wenn einmal die politischen Leiden- schaften des Hasses, der Rache, des Ehrgeizes in der Brust des Weibes eingekehrt sind, werden sie leicht zu maszloser Gier entzündet und theilen sich so den Männern mit. Es gilt das nicht blosz von den Maitressen der Fürsten, es gilt das auch von manchen Ehefrauen und Müttern, die sich in der Geschichte einen Namen erworben haben. Die römische Geschichte ist nicht arm an Beispielen dafür, und die fran- zösiche Revolution kennt solche nicht minder als das Hofleben der französischen Könige.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/251>, abgerufen am 22.11.2024.