Einundzwanzigstes Cap. Verhältnisz des Stats etc. 1. Volksgenossen etc.
zwei Staten, welche entweder beide zugleich ein Individuum als Statsgenossen betrachten und je nach Umständen schützen oder verpflichten, oder von denen keiner dem andern gegen- über sich für verpflichtet hält, einen früher ihm Angehörigen aufzunehmen.
Um derartige Conflicte zu beseitigen, ist vornehmlich auf Betrieb des nordamerikanischen Gesandten bei dem Nord- deutschen Bunde, Bancroft, der Vertrag vom 22. Februar 1868 zwischen diesem Bunde und der Union der Vereinigten Staten zu Stande gekommen, durch welchen bestimmt wurde, dasz die fünf Jahre lang fortwirkende Naturalisation in einem der beiden Staten von da an auch in dem andern als wirk- sam anerkannt, folglich der bisherige Statsverband nach dieser Frist als erloschen betrachtet werde. Auf derselben Grundlage hat denn auch England mit den Vereinigten Staten ebenfalls 1868 sich vereinbart und es scheint das neue Princip allgemeine Billigung zu erwerben.
4. Die Wirkungen der Volksgenossenschaft beziehen sich theils auf das Gebiet des Privatrechts, theils auf das Gebiet des Oeffentlichen. In dem Privatrechte war früherhin der Gegensatz zwischen Einheimischen und Fremden viel be- deutender als gegenwärtig. Die moderne Zeit ist geeignet, die beiden Gebiete schärfer zu sondern und daher auch in dem Privatrechte dem seiner Natur nach politischen Statsverbande keine besondere Bedeutung beizulegen. Regel ist daher nun- mehr, dasz Einheimische und Fremde in privatrechtlicher Hinsicht gleich behandelt, und diese wie jene zunächst des vollen Privatrechts fähig erachtet werden. 16
16Preusz. Landr. Einl. §. 38: "Auch Unterthanen fremder Staten, welche in hiesigen Landen leben oder Geschäfte treiben, müssen nach obigen Bestimmungen beurtheilt werden." Oesterr. Ges. §. 33. "Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und Verbind- lichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Statsbürgers erfordert wird." Code Civil. 13.
Einundzwanzigstes Cap. Verhältnisz des Stats etc. 1. Volksgenossen etc.
zwei Staten, welche entweder beide zugleich ein Individuum als Statsgenossen betrachten und je nach Umständen schützen oder verpflichten, oder von denen keiner dem andern gegen- über sich für verpflichtet hält, einen früher ihm Angehörigen aufzunehmen.
Um derartige Conflicte zu beseitigen, ist vornehmlich auf Betrieb des nordamerikanischen Gesandten bei dem Nord- deutschen Bunde, Bancroft, der Vertrag vom 22. Februar 1868 zwischen diesem Bunde und der Union der Vereinigten Staten zu Stande gekommen, durch welchen bestimmt wurde, dasz die fünf Jahre lang fortwirkende Naturalisation in einem der beiden Staten von da an auch in dem andern als wirk- sam anerkannt, folglich der bisherige Statsverband nach dieser Frist als erloschen betrachtet werde. Auf derselben Grundlage hat denn auch England mit den Vereinigten Staten ebenfalls 1868 sich vereinbart und es scheint das neue Princip allgemeine Billigung zu erwerben.
4. Die Wirkungen der Volksgenossenschaft beziehen sich theils auf das Gebiet des Privatrechts, theils auf das Gebiet des Oeffentlichen. In dem Privatrechte war früherhin der Gegensatz zwischen Einheimischen und Fremden viel be- deutender als gegenwärtig. Die moderne Zeit ist geeignet, die beiden Gebiete schärfer zu sondern und daher auch in dem Privatrechte dem seiner Natur nach politischen Statsverbande keine besondere Bedeutung beizulegen. Regel ist daher nun- mehr, dasz Einheimische und Fremde in privatrechtlicher Hinsicht gleich behandelt, und diese wie jene zunächst des vollen Privatrechts fähig erachtet werden. 16
16Preusz. Landr. Einl. §. 38: „Auch Unterthanen fremder Staten, welche in hiesigen Landen leben oder Geschäfte treiben, müssen nach obigen Bestimmungen beurtheilt werden.“ Oesterr. Ges. §. 33. „Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und Verbind- lichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Statsbürgers erfordert wird.“ Code Civil. 13.
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Einundzwanzigstes Cap. Verhältnisz des Stats etc. 1. Volksgenossen etc.
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oder verpflichten, oder von denen keiner dem andern gegen-
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aufzunehmen.
Um derartige Conflicte zu beseitigen, ist vornehmlich
auf Betrieb des nordamerikanischen Gesandten bei dem Nord-
deutschen Bunde, Bancroft, der Vertrag vom 22. Februar
1868 zwischen diesem Bunde und der Union der Vereinigten
Staten zu Stande gekommen, durch welchen bestimmt wurde,
dasz die fünf Jahre lang fortwirkende Naturalisation in einem
der beiden Staten von da an auch in dem andern als wirk-
sam anerkannt, folglich der bisherige Statsverband nach
dieser Frist als erloschen betrachtet werde. Auf derselben
Grundlage hat denn auch England mit den Vereinigten Staten
ebenfalls 1868 sich vereinbart und es scheint das neue Princip
allgemeine Billigung zu erwerben.
4. Die Wirkungen der Volksgenossenschaft beziehen
sich theils auf das Gebiet des Privatrechts, theils auf das
Gebiet des Oeffentlichen. In dem Privatrechte war früherhin
der Gegensatz zwischen Einheimischen und Fremden viel be-
deutender als gegenwärtig. Die moderne Zeit ist geeignet, die
beiden Gebiete schärfer zu sondern und daher auch in dem
Privatrechte dem seiner Natur nach politischen Statsverbande
keine besondere Bedeutung beizulegen. Regel ist daher nun-
mehr, dasz Einheimische und Fremde in privatrechtlicher
Hinsicht gleich behandelt, und diese wie jene zunächst
des vollen Privatrechts fähig erachtet werden. 16
16 Preusz. Landr. Einl. §. 38: „Auch Unterthanen fremder Staten,
welche in hiesigen Landen leben oder Geschäfte treiben, müssen nach
obigen Bestimmungen beurtheilt werden.“ Oesterr. Ges. §. 33. „Den
Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und Verbind-
lichkeiten mit den Eingebornen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser
Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Statsbürgers erfordert wird.“
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/261>, abgerufen am 22.11.2024.
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