Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens.
auch die gemäszigten Erscheinungen der äuszeren Natur am
besten auf die Entfaltung seines Verstandes. Das einförmige
Einerlei übt zu wenig Reiz auf den Menschen aus, die offen-
bare Uebergewalt der Natur schreckt ihn. Eine öfter wech-
selnde, aber gemäszigte Naturerscheinung regt sein Nach-
denken an und fordert seine Arbeit heraus. In den tropischen
Ländern wird die Phantasie der Völker bis zu fratzenhafter
Unnatur überreizt, in den gemäszigten kann der Masz haltende
und ordnende Verstand der Völker eher zur Geltung kommen.

Uebrigens musz man sich davor hüten, die Wirksamkeit
dieser Naturerscheinungen zu überschätzen. Es kommt doch
noch mehr auf die sittliche und intellectuelle Erziehung an,
welche der Mensch dem Menschen ertheilt, als auf die Ein-
drücke der Natur. Auch in heiszen Ländern kann der Ver-
stand ausgebildeter und die Phantasie durch das Schönheits-
gefühl gezügelt werden; auch unter einem gemäszigten
Himmelsstrich kann der Aberglaube üppig wuchern und die
Denkkraft gebunden werden. Die Natur der Erdoberfläche
herrscht nicht absolut über den Menschen, der Mensch kann
und soll sich ihr selbständig gegenüber stellen, und je nach
Umständen ihre Hülfe benutzen oder ihre schädlichen Wir-
kungen bekämpfen.



Drittes Capitel.
III. Fruchtbarkeit des Bodens.

Je fruchtbarer der Boden ist, um so leichter wird es
den daselbst wohnenden Menschen, sich zu ernähren; und
je freigebiger ihnen die Natur die erforderliche Nahrung ge-
währt, um so rascher vermehren sich die Familien und die
Bevölkerung. Es scheint also, dasz je fruchtbarer der Boden
ist, um so günstiger die natürliche Vorbedingung für die

Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens.
auch die gemäszigten Erscheinungen der äuszeren Natur am
besten auf die Entfaltung seines Verstandes. Das einförmige
Einerlei übt zu wenig Reiz auf den Menschen aus, die offen-
bare Uebergewalt der Natur schreckt ihn. Eine öfter wech-
selnde, aber gemäszigte Naturerscheinung regt sein Nach-
denken an und fordert seine Arbeit heraus. In den tropischen
Ländern wird die Phantasie der Völker bis zu fratzenhafter
Unnatur überreizt, in den gemäszigten kann der Masz haltende
und ordnende Verstand der Völker eher zur Geltung kommen.

Uebrigens musz man sich davor hüten, die Wirksamkeit
dieser Naturerscheinungen zu überschätzen. Es kommt doch
noch mehr auf die sittliche und intellectuelle Erziehung an,
welche der Mensch dem Menschen ertheilt, als auf die Ein-
drücke der Natur. Auch in heiszen Ländern kann der Ver-
stand ausgebildeter und die Phantasie durch das Schönheits-
gefühl gezügelt werden; auch unter einem gemäszigten
Himmelsstrich kann der Aberglaube üppig wuchern und die
Denkkraft gebunden werden. Die Natur der Erdoberfläche
herrscht nicht absolut über den Menschen, der Mensch kann
und soll sich ihr selbständig gegenüber stellen, und je nach
Umständen ihre Hülfe benutzen oder ihre schädlichen Wir-
kungen bekämpfen.



Drittes Capitel.
III. Fruchtbarkeit des Bodens.

Je fruchtbarer der Boden ist, um so leichter wird es
den daselbst wohnenden Menschen, sich zu ernähren; und
je freigebiger ihnen die Natur die erforderliche Nahrung ge-
währt, um so rascher vermehren sich die Familien und die
Bevölkerung. Es scheint also, dasz je fruchtbarer der Boden
ist, um so günstiger die natürliche Vorbedingung für die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0281" n="263"/><fw place="top" type="header">Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens.</fw><lb/>
auch die gemäszigten Erscheinungen der äuszeren Natur am<lb/>
besten auf die Entfaltung seines Verstandes. Das einförmige<lb/>
Einerlei übt zu wenig Reiz auf den Menschen aus, die offen-<lb/>
bare Uebergewalt der Natur schreckt ihn. Eine öfter wech-<lb/>
selnde, aber gemäszigte Naturerscheinung regt sein Nach-<lb/>
denken an und fordert seine Arbeit heraus. In den tropischen<lb/>
Ländern wird die Phantasie der Völker bis zu fratzenhafter<lb/>
Unnatur überreizt, in den gemäszigten kann der Masz haltende<lb/>
und ordnende Verstand der Völker eher zur Geltung kommen.</p><lb/>
          <p>Uebrigens musz man sich davor hüten, die Wirksamkeit<lb/>
dieser Naturerscheinungen zu überschätzen. Es kommt doch<lb/>
noch mehr auf die sittliche und intellectuelle Erziehung an,<lb/>
welche der Mensch dem Menschen ertheilt, als auf die Ein-<lb/>
drücke der Natur. Auch in heiszen Ländern kann der Ver-<lb/>
stand ausgebildeter und die Phantasie durch das Schönheits-<lb/>
gefühl gezügelt werden; auch unter einem gemäszigten<lb/>
Himmelsstrich kann der Aberglaube üppig wuchern und die<lb/>
Denkkraft gebunden werden. Die Natur der Erdoberfläche<lb/>
herrscht nicht absolut über den Menschen, der Mensch kann<lb/>
und soll sich ihr selbständig gegenüber stellen, und je nach<lb/>
Umständen ihre Hülfe benutzen oder ihre schädlichen Wir-<lb/>
kungen bekämpfen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>Drittes Capitel.<lb/><hi rendition="#b">III. Fruchtbarkeit des Bodens.</hi></head><lb/>
          <p>Je fruchtbarer der Boden ist, um so leichter wird es<lb/>
den daselbst wohnenden Menschen, sich zu ernähren; und<lb/>
je freigebiger ihnen die Natur die erforderliche Nahrung ge-<lb/>
währt, um so rascher vermehren sich die Familien und die<lb/>
Bevölkerung. Es scheint also, dasz je fruchtbarer der Boden<lb/>
ist, um so günstiger die natürliche Vorbedingung für die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0281] Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens. auch die gemäszigten Erscheinungen der äuszeren Natur am besten auf die Entfaltung seines Verstandes. Das einförmige Einerlei übt zu wenig Reiz auf den Menschen aus, die offen- bare Uebergewalt der Natur schreckt ihn. Eine öfter wech- selnde, aber gemäszigte Naturerscheinung regt sein Nach- denken an und fordert seine Arbeit heraus. In den tropischen Ländern wird die Phantasie der Völker bis zu fratzenhafter Unnatur überreizt, in den gemäszigten kann der Masz haltende und ordnende Verstand der Völker eher zur Geltung kommen. Uebrigens musz man sich davor hüten, die Wirksamkeit dieser Naturerscheinungen zu überschätzen. Es kommt doch noch mehr auf die sittliche und intellectuelle Erziehung an, welche der Mensch dem Menschen ertheilt, als auf die Ein- drücke der Natur. Auch in heiszen Ländern kann der Ver- stand ausgebildeter und die Phantasie durch das Schönheits- gefühl gezügelt werden; auch unter einem gemäszigten Himmelsstrich kann der Aberglaube üppig wuchern und die Denkkraft gebunden werden. Die Natur der Erdoberfläche herrscht nicht absolut über den Menschen, der Mensch kann und soll sich ihr selbständig gegenüber stellen, und je nach Umständen ihre Hülfe benutzen oder ihre schädlichen Wir- kungen bekämpfen. Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens. Je fruchtbarer der Boden ist, um so leichter wird es den daselbst wohnenden Menschen, sich zu ernähren; und je freigebiger ihnen die Natur die erforderliche Nahrung ge- währt, um so rascher vermehren sich die Familien und die Bevölkerung. Es scheint also, dasz je fruchtbarer der Boden ist, um so günstiger die natürliche Vorbedingung für die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/281
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/281>, abgerufen am 22.11.2024.