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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
schützen und zu handhaben. 12 Auch hier übt er keine will-
kürliche Gewalt, weder in Form noch Inhalt. In beiden Be-
ziehungen wird er durch das Urtheil beschränkt und bestimmt.

3. Er ist ferner Haupt der Kriegsordnung und in der
Regel Heerführer. 13 Im Kriege erweitert sich dann seine
Macht. 14 Zuweilen sehen sich die deutschen Stämme indessen
genöthigt, eben weil sie noch mehr als die Hellenen an dem
Erbrechte halten, statt unmündiger Könige Herzoge im be-
sondern Falle mit der wirklichen Kriegsführung zu betrauen.
Auch in solchen Fällen aber gilt doch der König als Ober-
haupt des Heerbanns.

4. Die eigentliche Regierungsmacht dagegen ist bei
den Hellenen und den Germanen in den ersten Zeiten noch
sehr unentwickelt. Der Keim derselben liegt noch verhüllt
in den vorhin genannten Eigenschaften des Königs.

Diese Könige sind endlich mit ihrer ganzen Existenz
und ihren Rechten umschlossen von dem göttlichen und dem
menschlichen Recht. Die Griechen machen auf den Unter-
schied zwischen der orientalischen Despotie und diesem Kö-
nigthum aufmerksam, und heben mit Nachdruck hervor, dasz
das Wesen des letztern in der Beachtung der göttlichen Ord-
nung, der vaterländischen Gesetze und Gewohnheiten bestehe. 15

12 Homer nennt die Könige daher "dikaspolous" und themistepolous.
Ueber die deutschen vgl. Tacit. Germ. 9. 12. Auch der indische Königs-
name rag stammt von rag richten, wie rex von regere. Die Idee der
Rechtsordnung ist daher schon in dem alt-arischen Königsnamen aus-
gesprochen. Lassen Ind. Alterth. I. S. 808. "Die Bürde der Gerech-
tigkeit ruht auf der Königswürde." Rama 17.
13 Aristotel. Pol. III. 9, 7: "Kurioi d' esan tes te kata polemon
egemonias." Bei manchen deutschen Völkerschaften hat der glückliche
Herzog eine königliche Dynastie gegründet.
14 Vgl. Caesar de B. G. VI. 23.
15 Dionys von Halicarnasz V. 74: "Ursprünglich hatten alle grie-
chischen Städte Könige, aber nicht in der despotischen Art der Bar-
baren, sondern nach den Gesetzen und den vaterländischen Gewohnheiten."
Aristot. Pol. III. 9, 7 und III. 10, 1. Vgl. Herrmann a. a. O. Sophokles
Oed. d. König v. 850 ff., wo der Chor auf das göttliche Recht hinweist:

Sechstes Buch. Die Statsformen.
schützen und zu handhaben. 12 Auch hier übt er keine will-
kürliche Gewalt, weder in Form noch Inhalt. In beiden Be-
ziehungen wird er durch das Urtheil beschränkt und bestimmt.

3. Er ist ferner Haupt der Kriegsordnung und in der
Regel Heerführer. 13 Im Kriege erweitert sich dann seine
Macht. 14 Zuweilen sehen sich die deutschen Stämme indessen
genöthigt, eben weil sie noch mehr als die Hellenen an dem
Erbrechte halten, statt unmündiger Könige Herzoge im be-
sondern Falle mit der wirklichen Kriegsführung zu betrauen.
Auch in solchen Fällen aber gilt doch der König als Ober-
haupt des Heerbanns.

4. Die eigentliche Regierungsmacht dagegen ist bei
den Hellenen und den Germanen in den ersten Zeiten noch
sehr unentwickelt. Der Keim derselben liegt noch verhüllt
in den vorhin genannten Eigenschaften des Königs.

Diese Könige sind endlich mit ihrer ganzen Existenz
und ihren Rechten umschlossen von dem göttlichen und dem
menschlichen Recht. Die Griechen machen auf den Unter-
schied zwischen der orientalischen Despotie und diesem Kö-
nigthum aufmerksam, und heben mit Nachdruck hervor, dasz
das Wesen des letztern in der Beachtung der göttlichen Ord-
nung, der vaterländischen Gesetze und Gewohnheiten bestehe. 15

12 Homer nennt die Könige daher „διϰασπὀλους“ und ϑεμιστεπόλους.
Ueber die deutschen vgl. Tacit. Germ. 9. 12. Auch der indische Königs-
name râg stammt von rag richten, wie rex von regere. Die Idee der
Rechtsordnung ist daher schon in dem alt-arischen Königsnamen aus-
gesprochen. Lassen Ind. Alterth. I. S. 808. „Die Bürde der Gerech-
tigkeit ruht auf der Königswürde.“ Rama 17.
13 Aristotel. Pol. III. 9, 7: „Κύριοι δ᾽ ῆσαν τῆς τε ϰατὰ πόλεμον
ἡγεμονίας.“ Bei manchen deutschen Völkerschaften hat der glückliche
Herzog eine königliche Dynastie gegründet.
14 Vgl. Caesar de B. G. VI. 23.
15 Dionys von Halicarnasz V. 74: „Ursprünglich hatten alle grie-
chischen Städte Könige, aber nicht in der despotischen Art der Bar-
baren, sondern nach den Gesetzen und den vaterländischen Gewohnheiten.“
Aristot. Pol. III. 9, 7 und III. 10, 1. Vgl. Herrmann a. a. O. Sophokles
Oed. d. König v. 850 ff., wo der Chor auf das göttliche Recht hinweist:
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[408/0426] Sechstes Buch. Die Statsformen. schützen und zu handhaben. 12 Auch hier übt er keine will- kürliche Gewalt, weder in Form noch Inhalt. In beiden Be- ziehungen wird er durch das Urtheil beschränkt und bestimmt. 3. Er ist ferner Haupt der Kriegsordnung und in der Regel Heerführer. 13 Im Kriege erweitert sich dann seine Macht. 14 Zuweilen sehen sich die deutschen Stämme indessen genöthigt, eben weil sie noch mehr als die Hellenen an dem Erbrechte halten, statt unmündiger Könige Herzoge im be- sondern Falle mit der wirklichen Kriegsführung zu betrauen. Auch in solchen Fällen aber gilt doch der König als Ober- haupt des Heerbanns. 4. Die eigentliche Regierungsmacht dagegen ist bei den Hellenen und den Germanen in den ersten Zeiten noch sehr unentwickelt. Der Keim derselben liegt noch verhüllt in den vorhin genannten Eigenschaften des Königs. Diese Könige sind endlich mit ihrer ganzen Existenz und ihren Rechten umschlossen von dem göttlichen und dem menschlichen Recht. Die Griechen machen auf den Unter- schied zwischen der orientalischen Despotie und diesem Kö- nigthum aufmerksam, und heben mit Nachdruck hervor, dasz das Wesen des letztern in der Beachtung der göttlichen Ord- nung, der vaterländischen Gesetze und Gewohnheiten bestehe. 15 12 Homer nennt die Könige daher „διϰασπὀλους“ und ϑεμιστεπόλους. Ueber die deutschen vgl. Tacit. Germ. 9. 12. Auch der indische Königs- name râg stammt von rag richten, wie rex von regere. Die Idee der Rechtsordnung ist daher schon in dem alt-arischen Königsnamen aus- gesprochen. Lassen Ind. Alterth. I. S. 808. „Die Bürde der Gerech- tigkeit ruht auf der Königswürde.“ Rama 17. 13 Aristotel. Pol. III. 9, 7: „Κύριοι δ᾽ ῆσαν τῆς τε ϰατὰ πόλεμον ἡγεμονίας.“ Bei manchen deutschen Völkerschaften hat der glückliche Herzog eine königliche Dynastie gegründet. 14 Vgl. Caesar de B. G. VI. 23. 15 Dionys von Halicarnasz V. 74: „Ursprünglich hatten alle grie- chischen Städte Könige, aber nicht in der despotischen Art der Bar- baren, sondern nach den Gesetzen und den vaterländischen Gewohnheiten.“ Aristot. Pol. III. 9, 7 und III. 10, 1. Vgl. Herrmann a. a. O. Sophokles Oed. d. König v. 850 ff., wo der Chor auf das göttliche Recht hinweist:

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/426>, abgerufen am 22.11.2024.