Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.Dreizehntes Cap. II. Monarch. Statsformen. F. Neuere absol. Monarchie. die französischen Legisten (so wurden die römischenRechtsgelehrten genannt) mit Kühnheit und Einigkeit daran, die französische Monarchie auf die alten Grundlagen des rö- mischen Kaiserreichs zurückzuführen. Sie gründeten eine theoretische und practische Schule des Regiments, deren oberster Grundsatz die Einheit, die Untheilbarkeit und die absolute Statsgewalt des Königthums war, welche sie unter dem Ausdruck der souveränen Gewalt zusammen- faszten. Von da aus behandelten sie die Herrschaften und Gerichtsbarkeiten der Groszen und ihrer Vasallen wie An- maszungen und Miszbräuche, die zu Gunsten des Königs und des Volks aufzuheben, oder mindestens so sehr als möglich zu beschränken seien. Sie stellten die französischen Könige als Nachfolger der römischen Imperatoren dar, und indem sie die römische Gesetzgebung als die wahre priesen, behandelten sie die feudalen Rechtsgewohnheiten mit Geringschätzung. 1 Es dauerte freilich noch Jahrhunderte, bis diese Theorien in die Praxis eindrangen und die Herrschaft der Seigneurs wirk- lich gebrochen wurde. Aber der innere Kampf hörte nicht mehr auf, bis der ganze reich gestaltete Lehensstat von Grund aus zusammenstürzte, dann aber auch in seinen Sturz die inzwischen mächtig gewordene absolute Monarchie mit ver- wickelt wurde. Der Satz des römischen Kaiserrechts: "Quod principi pla- 1 Thierry, temps Merowing. I. S. 16. 2 Beaumanoir II. 57.: "Ce qui li plest a fere, doit estre tenu por
a loi; fügt aber beschränkend hinzu: pourvu qu'il ne soit pas fet contre Dieu, ne contre bonnes meurs, car s'il le feroit, ne le devroient pas si souget soufrir." Vgl. Laferriere in d. Revue critique de Legisl. par Wolowski IV. p. 125. Die italischen Glossatoren haben ebenso noch eine gewisse Scheu vor dem Princip und suchen es durch die Rücksicht auf das bestehende göttliche und menschliche Recht zu beschränken. Sogar im Jahre 1688, noch unter Ludwig XIV. dem mächtigen Lieb- Dreizehntes Cap. II. Monarch. Statsformen. F. Neuere absol. Monarchie. die französischen Legisten (so wurden die römischenRechtsgelehrten genannt) mit Kühnheit und Einigkeit daran, die französische Monarchie auf die alten Grundlagen des rö- mischen Kaiserreichs zurückzuführen. Sie gründeten eine theoretische und practische Schule des Regiments, deren oberster Grundsatz die Einheit, die Untheilbarkeit und die absolute Statsgewalt des Königthums war, welche sie unter dem Ausdruck der souveränen Gewalt zusammen- faszten. Von da aus behandelten sie die Herrschaften und Gerichtsbarkeiten der Groszen und ihrer Vasallen wie An- maszungen und Miszbräuche, die zu Gunsten des Königs und des Volks aufzuheben, oder mindestens so sehr als möglich zu beschränken seien. Sie stellten die französischen Könige als Nachfolger der römischen Imperatoren dar, und indem sie die römische Gesetzgebung als die wahre priesen, behandelten sie die feudalen Rechtsgewohnheiten mit Geringschätzung. 1 Es dauerte freilich noch Jahrhunderte, bis diese Theorien in die Praxis eindrangen und die Herrschaft der Seigneurs wirk- lich gebrochen wurde. Aber der innere Kampf hörte nicht mehr auf, bis der ganze reich gestaltete Lehensstat von Grund aus zusammenstürzte, dann aber auch in seinen Sturz die inzwischen mächtig gewordene absolute Monarchie mit ver- wickelt wurde. Der Satz des römischen Kaiserrechts: „Quod principi pla- 1 Thierry, temps Mérowing. I. S. 16. 2 Beaumanoir II. 57.: „Ce qui li plest à fere, doit estre tenu por
à loi; fügt aber beschränkend hinzu: pourvu qu'il ne soit pas fet contre Dieu, ne contre bonnes meurs, car s'il le feroit, ne le devroient pas si souget soufrir.“ Vgl. Laferrière in d. Revue critique de Législ. par Wolowski IV. p. 125. Die italischen Glossatoren haben ebenso noch eine gewisse Scheu vor dem Princip und suchen es durch die Rücksicht auf das bestehende göttliche und menschliche Recht zu beschränken. Sogar im Jahre 1688, noch unter Ludwig XIV. dem mächtigen Lieb- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0459" n="441"/><fw place="top" type="header">Dreizehntes Cap. II. Monarch. Statsformen. F. Neuere absol. Monarchie.</fw><lb/> die <hi rendition="#g">französischen Legisten</hi> (so wurden die römischen<lb/> Rechtsgelehrten genannt) mit Kühnheit und Einigkeit daran,<lb/> die französische Monarchie auf die alten Grundlagen des rö-<lb/> mischen Kaiserreichs zurückzuführen. Sie gründeten eine<lb/> theoretische und practische Schule des Regiments, deren<lb/> oberster Grundsatz die <hi rendition="#g">Einheit</hi>, die <hi rendition="#g">Untheilbarkeit</hi> und<lb/> die <hi rendition="#g">absolute Statsgewalt</hi> des Königthums war, welche sie<lb/> unter dem Ausdruck der <hi rendition="#g">souveränen Gewalt</hi> zusammen-<lb/> faszten. Von da aus behandelten sie die Herrschaften und<lb/> Gerichtsbarkeiten der Groszen und ihrer Vasallen wie An-<lb/> maszungen und Miszbräuche, die zu Gunsten des Königs und<lb/> des Volks aufzuheben, oder mindestens so sehr als möglich<lb/> zu beschränken seien. Sie stellten die französischen Könige<lb/> als Nachfolger der römischen Imperatoren dar, und indem sie<lb/> die römische Gesetzgebung als die wahre priesen, behandelten<lb/> sie die feudalen Rechtsgewohnheiten mit Geringschätzung. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#i">Thierry</hi>, temps Mérowing. I. S. 16.</note><lb/> Es dauerte freilich noch Jahrhunderte, bis diese Theorien in<lb/> die Praxis eindrangen und die Herrschaft der Seigneurs wirk-<lb/> lich gebrochen wurde. Aber der innere Kampf hörte nicht<lb/> mehr auf, bis der ganze reich gestaltete Lehensstat von Grund<lb/> aus zusammenstürzte, dann aber auch in seinen Sturz die<lb/> inzwischen mächtig gewordene absolute Monarchie mit ver-<lb/> wickelt wurde.</p><lb/> <p>Der Satz des römischen Kaiserrechts: „<hi rendition="#i">Quod principi pla-<lb/> cuit, legis habet vigorem</hi>“ wurde wieder aus dem Alterthum<lb/> hervorgeholt und als nothwendiges Statsprincip verkündigt. <note xml:id="note-0459" next="#note-0460" place="foot" n="2"><hi rendition="#i">Beaumanoir</hi> II. 57.: „<hi rendition="#i">Ce qui li plest à fere</hi>, doit estre tenu por<lb/> à loi; fügt aber <hi rendition="#g">beschränkend</hi> hinzu: pourvu qu'il ne soit pas fet<lb/><hi rendition="#i">contre Dieu, ne contre bonnes meurs, car s'il le feroit, ne le devroient<lb/> pas si souget soufrir.</hi>“ Vgl. <hi rendition="#i">Laferrière</hi> in d. Revue critique de Législ.<lb/> par <hi rendition="#i">Wolowski</hi> IV. p. 125. Die italischen Glossatoren haben ebenso noch<lb/> eine gewisse Scheu vor dem Princip und suchen es durch die Rücksicht<lb/> auf das bestehende göttliche und menschliche Recht zu beschränken.<lb/> Sogar im Jahre 1688, noch unter <hi rendition="#i">Ludwig XIV</hi>. dem mächtigen Lieb-</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [441/0459]
Dreizehntes Cap. II. Monarch. Statsformen. F. Neuere absol. Monarchie.
die französischen Legisten (so wurden die römischen
Rechtsgelehrten genannt) mit Kühnheit und Einigkeit daran,
die französische Monarchie auf die alten Grundlagen des rö-
mischen Kaiserreichs zurückzuführen. Sie gründeten eine
theoretische und practische Schule des Regiments, deren
oberster Grundsatz die Einheit, die Untheilbarkeit und
die absolute Statsgewalt des Königthums war, welche sie
unter dem Ausdruck der souveränen Gewalt zusammen-
faszten. Von da aus behandelten sie die Herrschaften und
Gerichtsbarkeiten der Groszen und ihrer Vasallen wie An-
maszungen und Miszbräuche, die zu Gunsten des Königs und
des Volks aufzuheben, oder mindestens so sehr als möglich
zu beschränken seien. Sie stellten die französischen Könige
als Nachfolger der römischen Imperatoren dar, und indem sie
die römische Gesetzgebung als die wahre priesen, behandelten
sie die feudalen Rechtsgewohnheiten mit Geringschätzung. 1
Es dauerte freilich noch Jahrhunderte, bis diese Theorien in
die Praxis eindrangen und die Herrschaft der Seigneurs wirk-
lich gebrochen wurde. Aber der innere Kampf hörte nicht
mehr auf, bis der ganze reich gestaltete Lehensstat von Grund
aus zusammenstürzte, dann aber auch in seinen Sturz die
inzwischen mächtig gewordene absolute Monarchie mit ver-
wickelt wurde.
Der Satz des römischen Kaiserrechts: „Quod principi pla-
cuit, legis habet vigorem“ wurde wieder aus dem Alterthum
hervorgeholt und als nothwendiges Statsprincip verkündigt. 2
1 Thierry, temps Mérowing. I. S. 16.
2 Beaumanoir II. 57.: „Ce qui li plest à fere, doit estre tenu por
à loi; fügt aber beschränkend hinzu: pourvu qu'il ne soit pas fet
contre Dieu, ne contre bonnes meurs, car s'il le feroit, ne le devroient
pas si souget soufrir.“ Vgl. Laferrière in d. Revue critique de Législ.
par Wolowski IV. p. 125. Die italischen Glossatoren haben ebenso noch
eine gewisse Scheu vor dem Princip und suchen es durch die Rücksicht
auf das bestehende göttliche und menschliche Recht zu beschränken.
Sogar im Jahre 1688, noch unter Ludwig XIV. dem mächtigen Lieb-
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