wenig von landständischen Erinnerungen beschränkter Abso- lutismus herrschend wurde. Die deutsche Bundesacte vom 8. Juni 1815 verhiesz in Artikel 13: "In allen Bundesstaten wird eine landständische Verfassung Statt finden." Ausdrück- lich verwahrten sich die Oesterreichischen Statsmänner da- gegen, dasz damit die "repräsentative oder constitutionelle Monarchie" gemeint sei.
Nur ausnahmsweise versuchte man's, in einigen Staten, eine Art constitutioneller Monarchie, in Nachahmung der fran- zösischen Charte, aber durch landständische Ueberlieferung modificirt, einzurichten. Das Herzogthum Nassau ging vor- aus, aber ohne nachhaltige Kraft (Verf. vom 2. Septbr. 1814). Dann folgte Luxemburg (Verf. vom 24. August 1815) und vor- züglich das Groszherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach (5. Mai 1816), dessen Fürst, Karl August -- eine seltene Erscheinung -- persönlich der freieren Verfassung zugethan war.
Wichtiger war es, dasz die süddeutschen Mittelstaten, die Königreiche Bayern (Verf. vom 26. Mai 1818), Würt- temberg (25. Septbr. 1819), wo der Widerstand der alten Landstände vorerst durch die weitsichtigere Regierung zu über- winden war, und das Groszherzogthum Baden (22. August 1818) nun zu der constitutionellen Monarchie übergingen und gerade in dieser Wandlung eine Stärkung erkannten gegen- über dem Drucke der deutschen absolut regierten Groszstaten.
Es folgte dann das Königreich Hannover (17. Decbr. 1819), das Groszherzogthum Hessen (17. Decbr. 1820) und Sachsen-Meiningen (23. August 1829).
In allen diesen Verfassungen ist die Monarchie mit einer reichen Fülle von Rechten ausgestattet. Auf der conserva- tiven Natur des deutschen Volkscharakters konnte sie sicherer ruhen als in Frankreich, und wenn sie nur einigermaszen verstand, die Zeitideen zu erfassen und in liberaler Richtung vorzugehen, so wurde ihr die Leitung der öffentlichen Dinge vertrauensvoller überlassen, als irgend anderwärts.
Sechstes Buch. Die Statsformen.
wenig von landständischen Erinnerungen beschränkter Abso- lutismus herrschend wurde. Die deutsche Bundesacte vom 8. Juni 1815 verhiesz in Artikel 13: „In allen Bundesstaten wird eine landständische Verfassung Statt finden.“ Ausdrück- lich verwahrten sich die Oesterreichischen Statsmänner da- gegen, dasz damit die „repräsentative oder constitutionelle Monarchie“ gemeint sei.
Nur ausnahmsweise versuchte man's, in einigen Staten, eine Art constitutioneller Monarchie, in Nachahmung der fran- zösischen Charte, aber durch landständische Ueberlieferung modificirt, einzurichten. Das Herzogthum Nassau ging vor- aus, aber ohne nachhaltige Kraft (Verf. vom 2. Septbr. 1814). Dann folgte Luxemburg (Verf. vom 24. August 1815) und vor- züglich das Groszherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach (5. Mai 1816), dessen Fürst, Karl August — eine seltene Erscheinung — persönlich der freieren Verfassung zugethan war.
Wichtiger war es, dasz die süddeutschen Mittelstaten, die Königreiche Bayern (Verf. vom 26. Mai 1818), Würt- temberg (25. Septbr. 1819), wo der Widerstand der alten Landstände vorerst durch die weitsichtigere Regierung zu über- winden war, und das Groszherzogthum Baden (22. August 1818) nun zu der constitutionellen Monarchie übergingen und gerade in dieser Wandlung eine Stärkung erkannten gegen- über dem Drucke der deutschen absolut regierten Groszstaten.
Es folgte dann das Königreich Hannover (17. Decbr. 1819), das Groszherzogthum Hessen (17. Decbr. 1820) und Sachsen-Meiningen (23. August 1829).
In allen diesen Verfassungen ist die Monarchie mit einer reichen Fülle von Rechten ausgestattet. Auf der conserva- tiven Natur des deutschen Volkscharakters konnte sie sicherer ruhen als in Frankreich, und wenn sie nur einigermaszen verstand, die Zeitideen zu erfassen und in liberaler Richtung vorzugehen, so wurde ihr die Leitung der öffentlichen Dinge vertrauensvoller überlassen, als irgend anderwärts.
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Sechstes Buch. Die Statsformen.
wenig von landständischen Erinnerungen beschränkter Abso-
lutismus herrschend wurde. Die deutsche Bundesacte vom
8. Juni 1815 verhiesz in Artikel 13: „In allen Bundesstaten
wird eine landständische Verfassung Statt finden.“ Ausdrück-
lich verwahrten sich die Oesterreichischen Statsmänner da-
gegen, dasz damit die „repräsentative oder constitutionelle
Monarchie“ gemeint sei.
Nur ausnahmsweise versuchte man's, in einigen Staten,
eine Art constitutioneller Monarchie, in Nachahmung der fran-
zösischen Charte, aber durch landständische Ueberlieferung
modificirt, einzurichten. Das Herzogthum Nassau ging vor-
aus, aber ohne nachhaltige Kraft (Verf. vom 2. Septbr. 1814).
Dann folgte Luxemburg (Verf. vom 24. August 1815) und vor-
züglich das Groszherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach
(5. Mai 1816), dessen Fürst, Karl August — eine seltene
Erscheinung — persönlich der freieren Verfassung zugethan war.
Wichtiger war es, dasz die süddeutschen Mittelstaten,
die Königreiche Bayern (Verf. vom 26. Mai 1818), Würt-
temberg (25. Septbr. 1819), wo der Widerstand der alten
Landstände vorerst durch die weitsichtigere Regierung zu über-
winden war, und das Groszherzogthum Baden (22. August
1818) nun zu der constitutionellen Monarchie übergingen und
gerade in dieser Wandlung eine Stärkung erkannten gegen-
über dem Drucke der deutschen absolut regierten Groszstaten.
Es folgte dann das Königreich Hannover (17. Decbr.
1819), das Groszherzogthum Hessen (17. Decbr. 1820) und
Sachsen-Meiningen (23. August 1829).
In allen diesen Verfassungen ist die Monarchie mit einer
reichen Fülle von Rechten ausgestattet. Auf der conserva-
tiven Natur des deutschen Volkscharakters konnte sie sicherer
ruhen als in Frankreich, und wenn sie nur einigermaszen
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/492>, abgerufen am 24.11.2024.
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