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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
thum, welches aus derselben emporragte und in höherer
Weise die Einheit und Würde des Stats darstellte, theils
durch das demokratische Amt der Ephoren, welche als
wechselnde Organe des Volkes die Amtsthätigkeit der Könige
und des Senates controlirten und eine ausgedehnte Gerichts-
barkeit auch in Statssachen ausübten.

Die Verfassung von Sparta macht den Eindruck eines
Kunstwerks, welches, der Platonischen Republik ähnlich, durch
edle Formen den Sinn für äuszere Schönheit und Harmonie
erfreut, aber um seiner innern Unnatur willen 3 befremdet,
und daher eher zurückschreckt als anzieht. Indem man sie
betrachtet, wird man eher von Bewunderung ihrer Architektur
als mit der Neigung erfüllt, darin zu wohnen und zu leben.
Hat man den Athenern mit Grund vorgeworfen, sie ziehen
die Herrschaft der Menge einem wohlgeordneten Stat vor, so
kann man den Spartiaten den Vorwurf machen, sie opfern
der Statsordnung die menschliche Freiheit auf. Ihre Weise
ist vornehmer als die der Athener, aber weniger heiter und
behaglich; bei ihnen ist mehr ruhiges Ebenmasz politischer
Tüchtigkeit, bei den Athenern sind glänzendere Lichter und
dunklere Schatten zu finden. Die Stätigkeit der einen und
die Beweglichkeit der andern sind beide einseitig übertrieben.

An Dauerhaftigkeit übertraf die spartanische Verfassung
die Athens bei weitem. Solon hatte noch bei seinen Lebzeiten
den Untergang seiner mit aristokratischen Elementen der
Geschlechter und des Reichthums bedeutend gemischten Demo-
kratie in der Tyrannis erfahren, ohne den Sieg dieser be-
hindern zu können, und als später nach der Ermordung der
Tyrannen die reine Demokratie eingeführt wurde, versank
sie schon in dem ersten Jahrhundert ihres Bestandes in den

3 Die Hellenen freilich empfanden diese Unnatur nicht so wie wir,
denen die Freiheit des individuellen Lebens vorzugsweise natürlich er-
scheint. Die spartanische Verfassung sagte aber dem hellenischen Ideal
zu. Vgl. auch Trieber in der oben erwähnten Schrift.

Sechstes Buch. Die Statsformen.
thum, welches aus derselben emporragte und in höherer
Weise die Einheit und Würde des Stats darstellte, theils
durch das demokratische Amt der Ephoren, welche als
wechselnde Organe des Volkes die Amtsthätigkeit der Könige
und des Senates controlirten und eine ausgedehnte Gerichts-
barkeit auch in Statssachen ausübten.

Die Verfassung von Sparta macht den Eindruck eines
Kunstwerks, welches, der Platonischen Republik ähnlich, durch
edle Formen den Sinn für äuszere Schönheit und Harmonie
erfreut, aber um seiner innern Unnatur willen 3 befremdet,
und daher eher zurückschreckt als anzieht. Indem man sie
betrachtet, wird man eher von Bewunderung ihrer Architektur
als mit der Neigung erfüllt, darin zu wohnen und zu leben.
Hat man den Athenern mit Grund vorgeworfen, sie ziehen
die Herrschaft der Menge einem wohlgeordneten Stat vor, so
kann man den Spartiaten den Vorwurf machen, sie opfern
der Statsordnung die menschliche Freiheit auf. Ihre Weise
ist vornehmer als die der Athener, aber weniger heiter und
behaglich; bei ihnen ist mehr ruhiges Ebenmasz politischer
Tüchtigkeit, bei den Athenern sind glänzendere Lichter und
dunklere Schatten zu finden. Die Stätigkeit der einen und
die Beweglichkeit der andern sind beide einseitig übertrieben.

An Dauerhaftigkeit übertraf die spartanische Verfassung
die Athens bei weitem. Solon hatte noch bei seinen Lebzeiten
den Untergang seiner mit aristokratischen Elementen der
Geschlechter und des Reichthums bedeutend gemischten Demo-
kratie in der Tyrannis erfahren, ohne den Sieg dieser be-
hindern zu können, und als später nach der Ermordung der
Tyrannen die reine Demokratie eingeführt wurde, versank
sie schon in dem ersten Jahrhundert ihres Bestandes in den

3 Die Hellenen freilich empfanden diese Unnatur nicht so wie wir,
denen die Freiheit des individuellen Lebens vorzugsweise natürlich er-
scheint. Die spartanische Verfassung sagte aber dem hellenischen Ideal
zu. Vgl. auch Trieber in der oben erwähnten Schrift.
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[506/0524] Sechstes Buch. Die Statsformen. thum, welches aus derselben emporragte und in höherer Weise die Einheit und Würde des Stats darstellte, theils durch das demokratische Amt der Ephoren, welche als wechselnde Organe des Volkes die Amtsthätigkeit der Könige und des Senates controlirten und eine ausgedehnte Gerichts- barkeit auch in Statssachen ausübten. Die Verfassung von Sparta macht den Eindruck eines Kunstwerks, welches, der Platonischen Republik ähnlich, durch edle Formen den Sinn für äuszere Schönheit und Harmonie erfreut, aber um seiner innern Unnatur willen 3 befremdet, und daher eher zurückschreckt als anzieht. Indem man sie betrachtet, wird man eher von Bewunderung ihrer Architektur als mit der Neigung erfüllt, darin zu wohnen und zu leben. Hat man den Athenern mit Grund vorgeworfen, sie ziehen die Herrschaft der Menge einem wohlgeordneten Stat vor, so kann man den Spartiaten den Vorwurf machen, sie opfern der Statsordnung die menschliche Freiheit auf. Ihre Weise ist vornehmer als die der Athener, aber weniger heiter und behaglich; bei ihnen ist mehr ruhiges Ebenmasz politischer Tüchtigkeit, bei den Athenern sind glänzendere Lichter und dunklere Schatten zu finden. Die Stätigkeit der einen und die Beweglichkeit der andern sind beide einseitig übertrieben. An Dauerhaftigkeit übertraf die spartanische Verfassung die Athens bei weitem. Solon hatte noch bei seinen Lebzeiten den Untergang seiner mit aristokratischen Elementen der Geschlechter und des Reichthums bedeutend gemischten Demo- kratie in der Tyrannis erfahren, ohne den Sieg dieser be- hindern zu können, und als später nach der Ermordung der Tyrannen die reine Demokratie eingeführt wurde, versank sie schon in dem ersten Jahrhundert ihres Bestandes in den 3 Die Hellenen freilich empfanden diese Unnatur nicht so wie wir, denen die Freiheit des individuellen Lebens vorzugsweise natürlich er- scheint. Die spartanische Verfassung sagte aber dem hellenischen Ideal zu. Vgl. auch Trieber in der oben erwähnten Schrift.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/524>, abgerufen am 24.11.2024.