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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Neunzehntes Cap. III. Die Aristokratie. Bemerkungen über die Aristokratie.
Kaiserreich war, ungeachtet das Kaiserthum ursprünglich von
der Idee der Monarchie vollständig erfüllt und durchdrungen
war, jedenfalls seit dem Untergange der Hohenstaufen dem
Wesen nach zu einer Aristokratie geworden. 5 Nur das
Kaiserthum selbst war nicht erblich geworden, sondern wurde
durch Wahl der erblichen Kurfürsten besetzt. Die Ehren,
welche dasselbe umgaben, waren glänzend, aber die Macht
gering. In allen wichtigen Dingen kann der Kaiser nur in
Verbindung mit den Kurfürsten einen Entscheid fassen.
Die Gesetze bereitet das Kurfürstencollegium vor, und
hat auf dem Reichstage selbst die erste Stimme. Die zweite
steht den übrigen Fürsten und Herren zu, welche alle wieder
die ursprünglichen Statsämter in erbliche Landesherrschaften
umzuwandeln gewuszt haben. Ist die Vereinbarung auch mit

5 Das hat schon der Franzose Bodin wohl gewuszt. Seither haben
es sogar deutsche Rechtshistoriker zuweilen wieder vergessen. Bodin
schreibt (de Rep. lib. II.): "Et quoniam plerique imperium Germanorum
monarchiam esse et sentiunt et affirmant, eripiendus est hic. error. --
Neminem autem esse arbitror, qui cum animadverterit, trecentos circiter
Principes Germanorum ac legatos civitatum ad conventus coire, qui ea,
quae diximus, jura majestatis habeant, aristocratiam esse dubitet. Leges
enim tum Imperatori, tum singulis Principibus ac civitatibus, cum etiam
de bello ac pace decernendi, vectigalia ac tributa imperandi, denique ju-
dices Imperialis Curiae dandi jus habent. -- Sceptra quidem, regale so-
lium, pretiosissimae vestes, coronae, antecessio, subsequentibus Christianis
regibus, imaginem regiae majestatis, habent, rem non habent. Et certe
tanta est imperii germanici majestas, tantus splendor, ut Imperator suo
quodam modo jure omnibus ornamentis ac honoribus cumulari mereatur:
sed ea est Aristocratiae bene constitutae ratio, ut quo plus honoris eo
minus imperii tribuatur; et qui plus imperio possunt, minus honoris
adipiscantur, ut omnium optime Veneti in republica constituenda decre-
verunt. Quae cum ita sint, quis dubitet, rempublicam Germanorum Ari-
stocratiam esse?" Philipp Chemnitz (dissert. de ratione status in
imperio nostra Romano germ. 1640.) hat auf den Gedanken, dasz Deutsch-
land eine Aristokratie sei, seine Reformplane gegründet. Vgl. Perthes
das deutsche Statsleben vor der Revolution. 1845. §. 246. Puffendorf
(Montezambano) hat das Reich ein zwischen Monarchie und Aristokratie
schwankendes Monstrum genannt, aber ebenfalls die überwiegende Ten-
denz zur Aristokratie anerkannt.

Neunzehntes Cap. III. Die Aristokratie. Bemerkungen über die Aristokratie.
Kaiserreich war, ungeachtet das Kaiserthum ursprünglich von
der Idee der Monarchie vollständig erfüllt und durchdrungen
war, jedenfalls seit dem Untergange der Hohenstaufen dem
Wesen nach zu einer Aristokratie geworden. 5 Nur das
Kaiserthum selbst war nicht erblich geworden, sondern wurde
durch Wahl der erblichen Kurfürsten besetzt. Die Ehren,
welche dasselbe umgaben, waren glänzend, aber die Macht
gering. In allen wichtigen Dingen kann der Kaiser nur in
Verbindung mit den Kurfürsten einen Entscheid fassen.
Die Gesetze bereitet das Kurfürstencollegium vor, und
hat auf dem Reichstage selbst die erste Stimme. Die zweite
steht den übrigen Fürsten und Herren zu, welche alle wieder
die ursprünglichen Statsämter in erbliche Landesherrschaften
umzuwandeln gewuszt haben. Ist die Vereinbarung auch mit

5 Das hat schon der Franzose Bodin wohl gewuszt. Seither haben
es sogar deutsche Rechtshistoriker zuweilen wieder vergessen. Bodin
schreibt (de Rep. lib. II.): „Et quoniam plerique imperium Germanorum
monarchiam esse et sentiunt et affirmant, eripiendus est hic. error. —
Neminem autem esse arbitror, qui cum animadverterit, trecentos circiter
Principes Germanorum ac legatos civitatum ad conventus coire, qui ea,
quae diximus, jura majestatis habeant, aristocratiam esse dubitet. Leges
enim tum Imperatori, tum singulis Principibus ac civitatibus, cum etiam
de bello ac pace decernendi, vectigalia ac tributa imperandi, denique ju-
dices Imperialis Curiae dandi jus habent. — Sceptra quidem, regale so-
lium, pretiosissimae vestes, coronae, antecessio, subsequentibus Christianis
regibus, imaginem regiae majestatis, habent, rem non habent. Et certe
tanta est imperii germanici majestas, tantus splendor, ut Imperator suo
quodam modo jure omnibus ornamentis ac honoribus cumulari mereatur:
sed ea est Aristocratiae bene constitutae ratio, ut quo plus honoris eo
minus imperii tribuatur; et qui plus imperio possunt, minus honoris
adipiscantur, ut omnium optime Veneti in republica constituenda decre-
verunt. Quae cum ita sint, quis dubitet, rempublicam Germanorum Ari-
stocratiam esse?“ Philipp Chemnitz (dissert. de ratione status in
imperio nostra Romano germ. 1640.) hat auf den Gedanken, dasz Deutsch-
land eine Aristokratie sei, seine Reformplane gegründet. Vgl. Perthes
das deutsche Statsleben vor der Revolution. 1845. §. 246. Puffendorf
(Montezambano) hat das Reich ein zwischen Monarchie und Aristokratie
schwankendes Monstrum genannt, aber ebenfalls die überwiegende Ten-
denz zur Aristokratie anerkannt.
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[521/0539] Neunzehntes Cap. III. Die Aristokratie. Bemerkungen über die Aristokratie. Kaiserreich war, ungeachtet das Kaiserthum ursprünglich von der Idee der Monarchie vollständig erfüllt und durchdrungen war, jedenfalls seit dem Untergange der Hohenstaufen dem Wesen nach zu einer Aristokratie geworden. 5 Nur das Kaiserthum selbst war nicht erblich geworden, sondern wurde durch Wahl der erblichen Kurfürsten besetzt. Die Ehren, welche dasselbe umgaben, waren glänzend, aber die Macht gering. In allen wichtigen Dingen kann der Kaiser nur in Verbindung mit den Kurfürsten einen Entscheid fassen. Die Gesetze bereitet das Kurfürstencollegium vor, und hat auf dem Reichstage selbst die erste Stimme. Die zweite steht den übrigen Fürsten und Herren zu, welche alle wieder die ursprünglichen Statsämter in erbliche Landesherrschaften umzuwandeln gewuszt haben. Ist die Vereinbarung auch mit 5 Das hat schon der Franzose Bodin wohl gewuszt. Seither haben es sogar deutsche Rechtshistoriker zuweilen wieder vergessen. Bodin schreibt (de Rep. lib. II.): „Et quoniam plerique imperium Germanorum monarchiam esse et sentiunt et affirmant, eripiendus est hic. error. — Neminem autem esse arbitror, qui cum animadverterit, trecentos circiter Principes Germanorum ac legatos civitatum ad conventus coire, qui ea, quae diximus, jura majestatis habeant, aristocratiam esse dubitet. Leges enim tum Imperatori, tum singulis Principibus ac civitatibus, cum etiam de bello ac pace decernendi, vectigalia ac tributa imperandi, denique ju- dices Imperialis Curiae dandi jus habent. — Sceptra quidem, regale so- lium, pretiosissimae vestes, coronae, antecessio, subsequentibus Christianis regibus, imaginem regiae majestatis, habent, rem non habent. Et certe tanta est imperii germanici majestas, tantus splendor, ut Imperator suo quodam modo jure omnibus ornamentis ac honoribus cumulari mereatur: sed ea est Aristocratiae bene constitutae ratio, ut quo plus honoris eo minus imperii tribuatur; et qui plus imperio possunt, minus honoris adipiscantur, ut omnium optime Veneti in republica constituenda decre- verunt. Quae cum ita sint, quis dubitet, rempublicam Germanorum Ari- stocratiam esse?“ Philipp Chemnitz (dissert. de ratione status in imperio nostra Romano germ. 1640.) hat auf den Gedanken, dasz Deutsch- land eine Aristokratie sei, seine Reformplane gegründet. Vgl. Perthes das deutsche Statsleben vor der Revolution. 1845. §. 246. Puffendorf (Montezambano) hat das Reich ein zwischen Monarchie und Aristokratie schwankendes Monstrum genannt, aber ebenfalls die überwiegende Ten- denz zur Aristokratie anerkannt.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/539>, abgerufen am 24.11.2024.