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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.

Zuweilen meint man, die Fürstensouveränetät finde sich
nur in der Erbmonarchie und die Wahlmonarchie
schliesze dieselbe aus. Diese Meinung verwechselt das Wesen
der fürstlichen Macht, die als solche eine souveräne ist, mit
der Frage, wie dieselbe im einzelnen Falle bestellt werde.
Auch ein Wahlfürst hat die oberste Statsmacht zu selbstän-
digem Rechte nicht minder als der Erbfürst. Die altrömischen
Kaiser und die deutsch-römischen Kaiser im Mittelalter waren
sicherlich Souveräne, obwohl Wahlfürsten: und der englische
König Wilhelm von Oranien war es nicht minder, als seine
Nachfolger, ungeachtet mit ihm eine neue Dynastie auf den
Thron berufen wurde.

Dagegen kann die Wissenschaft eine ursprüngliche
(originäre) Fürstensouveränetät von einer abgeleiteten (deri-
vativen) unterscheiden, während eine solche Unterscheidung
auf die Statssouveränetät keine Anwendung leidet, diese viel-
mehr immer eine ursprüngliche ist. Die erstere ist die, welche
dem Fürsten ursprünglich inwohnt, kraft des seiner Person
angebornen oder von ihr selbständig ergriffenen Rechtes. Von
der Art ist die Souveränetät des Erbfürsten, die des Eroberers
und die eines Fürsten, der wie Karl der Grosze oder
Friedrich Wilhelm I. von Preuszen die Krone sich selber
auf das Haupt setzt. Auch diejenige der deutschen Wahlkaiser,
welche ihre Souveränetät nicht von den Kurfürsten, sondern
von Gott ableiteten, musz als eine originäre aufgefaszt werden.

Die letztere dagegen wird als eine von dem Volke oder
den Wählern übertragene und abgeleitete betrachtet. So
wurde nach dem römischen Statsrecht die kaiserliche Macht
selbst von dem römischen Volke verliehen. 2 Von der Art ist
auch die neuere Wahlmonarchie gewöhnlich.


dieser höchstens Decrete erlassen. Das ist aber eben der Irrthum, dasz
die höchste Statsmacht nur in der Gesetzgebung und nicht auch in der
Regierung offenbar werde.
2 Oben Buch VI. C. 10 S.
417.
Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.

Zuweilen meint man, die Fürstensouveränetät finde sich
nur in der Erbmonarchie und die Wahlmonarchie
schliesze dieselbe aus. Diese Meinung verwechselt das Wesen
der fürstlichen Macht, die als solche eine souveräne ist, mit
der Frage, wie dieselbe im einzelnen Falle bestellt werde.
Auch ein Wahlfürst hat die oberste Statsmacht zu selbstän-
digem Rechte nicht minder als der Erbfürst. Die altrömischen
Kaiser und die deutsch-römischen Kaiser im Mittelalter waren
sicherlich Souveräne, obwohl Wahlfürsten: und der englische
König Wilhelm von Oranien war es nicht minder, als seine
Nachfolger, ungeachtet mit ihm eine neue Dynastie auf den
Thron berufen wurde.

Dagegen kann die Wissenschaft eine ursprüngliche
(originäre) Fürstensouveränetät von einer abgeleiteten (deri-
vativen) unterscheiden, während eine solche Unterscheidung
auf die Statssouveränetät keine Anwendung leidet, diese viel-
mehr immer eine ursprüngliche ist. Die erstere ist die, welche
dem Fürsten ursprünglich inwohnt, kraft des seiner Person
angebornen oder von ihr selbständig ergriffenen Rechtes. Von
der Art ist die Souveränetät des Erbfürsten, die des Eroberers
und die eines Fürsten, der wie Karl der Grosze oder
Friedrich Wilhelm I. von Preuszen die Krone sich selber
auf das Haupt setzt. Auch diejenige der deutschen Wahlkaiser,
welche ihre Souveränetät nicht von den Kurfürsten, sondern
von Gott ableiteten, musz als eine originäre aufgefaszt werden.

Die letztere dagegen wird als eine von dem Volke oder
den Wählern übertragene und abgeleitete betrachtet. So
wurde nach dem römischen Statsrecht die kaiserliche Macht
selbst von dem römischen Volke verliehen. 2 Von der Art ist
auch die neuere Wahlmonarchie gewöhnlich.


dieser höchstens Decrete erlassen. Das ist aber eben der Irrthum, dasz
die höchste Statsmacht nur in der Gesetzgebung und nicht auch in der
Regierung offenbar werde.
2 Oben Buch VI. C. 10 S.
417.
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[582/0600] Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc. Zuweilen meint man, die Fürstensouveränetät finde sich nur in der Erbmonarchie und die Wahlmonarchie schliesze dieselbe aus. Diese Meinung verwechselt das Wesen der fürstlichen Macht, die als solche eine souveräne ist, mit der Frage, wie dieselbe im einzelnen Falle bestellt werde. Auch ein Wahlfürst hat die oberste Statsmacht zu selbstän- digem Rechte nicht minder als der Erbfürst. Die altrömischen Kaiser und die deutsch-römischen Kaiser im Mittelalter waren sicherlich Souveräne, obwohl Wahlfürsten: und der englische König Wilhelm von Oranien war es nicht minder, als seine Nachfolger, ungeachtet mit ihm eine neue Dynastie auf den Thron berufen wurde. Dagegen kann die Wissenschaft eine ursprüngliche (originäre) Fürstensouveränetät von einer abgeleiteten (deri- vativen) unterscheiden, während eine solche Unterscheidung auf die Statssouveränetät keine Anwendung leidet, diese viel- mehr immer eine ursprüngliche ist. Die erstere ist die, welche dem Fürsten ursprünglich inwohnt, kraft des seiner Person angebornen oder von ihr selbständig ergriffenen Rechtes. Von der Art ist die Souveränetät des Erbfürsten, die des Eroberers und die eines Fürsten, der wie Karl der Grosze oder Friedrich Wilhelm I. von Preuszen die Krone sich selber auf das Haupt setzt. Auch diejenige der deutschen Wahlkaiser, welche ihre Souveränetät nicht von den Kurfürsten, sondern von Gott ableiteten, musz als eine originäre aufgefaszt werden. Die letztere dagegen wird als eine von dem Volke oder den Wählern übertragene und abgeleitete betrachtet. So wurde nach dem römischen Statsrecht die kaiserliche Macht selbst von dem römischen Volke verliehen. 2 Von der Art ist auch die neuere Wahlmonarchie gewöhnlich. 1 2 Oben Buch VI. C. 10 S. 417. 1 dieser höchstens Decrete erlassen. Das ist aber eben der Irrthum, dasz die höchste Statsmacht nur in der Gesetzgebung und nicht auch in der Regierung offenbar werde.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/600>, abgerufen am 22.11.2024.