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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
Statsrechts angenommen. Mit besonderer Energie, aber nicht
ohne Uebertreibung haben die Nordamerikaner in ihren Ver-
fassungen diese Dreitheilung durchgeführt. Eine ganze Reihe
moderner europäischer Verfassungen haben dieselbe ebenso
sanctionirt.

Den genannten drei Gewalten haben einige, wohl zu-
nächst im Interesse der Statseinheit

4) eine vermittelnde Gewalt (pouvoir moderateur,
royal) hinzugefügt, und es ist dieser Gedanke Benjamin
Constants
auch in die portugiesische Verfassung Don Pedro's
übergegangen. Andere haben der vollziehenden Gewalt ferner

5) die verwaltende (pouvoir administratif),

6) die aufsehende (potestas inspectiva) und

7) die repräsentative (pouvoir representatif) beige-
ordnet.

Bevor wir diese Eintheilung näher prüfen, ist eine irrige
Vorstellung, welche häufig auf die Behandlung dieser Fragen
groszen Einflusz geübt hat, zu entfernen, die Vorstellung
nämlich von der Gleichstellung der verschiedenen Ge-
walten. Dieselbe widerspricht der organischen Natur des
States. In dem organischen Körper hat jedes Glied die ihm
eigenthümliche, aber keines mit dem andern gleiche Stellung.
Vielmehr ist das eine dem andern über- oder unter- oder zu-
geordnet. Nur so wird Zusammenhang und Einheit des
Ganzen erhalten. Dasselbe gilt vom Stat. Würden die obersten
Gewalten in diesem wirklich -- nicht blosz der äuszern Form
und dem Scheine nach wie in Nordamerika -- einander gleich-
gestellt, so müszte solche Spaltung und Gleichstellung der
höchsten Statsmacht den Stat selbst in ihren Consequenzen
in Stücke reiszen. "Man kann den Kopf nicht von dem Leibe
trennen und diesem gleichstellen, ohne das Leben des Men-
schen zu tödten."1


1 Meine Studien, S. 146.

Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
Statsrechts angenommen. Mit besonderer Energie, aber nicht
ohne Uebertreibung haben die Nordamerikaner in ihren Ver-
fassungen diese Dreitheilung durchgeführt. Eine ganze Reihe
moderner europäischer Verfassungen haben dieselbe ebenso
sanctionirt.

Den genannten drei Gewalten haben einige, wohl zu-
nächst im Interesse der Statseinheit

4) eine vermittelnde Gewalt (pouvoir modérateur,
royal) hinzugefügt, und es ist dieser Gedanke Benjamin
Constants
auch in die portugiesische Verfassung Don Pedro's
übergegangen. Andere haben der vollziehenden Gewalt ferner

5) die verwaltende (pouvoir administratif),

6) die aufsehende (potestas inspectiva) und

7) die repräsentative (pouvoir représentatif) beige-
ordnet.

Bevor wir diese Eintheilung näher prüfen, ist eine irrige
Vorstellung, welche häufig auf die Behandlung dieser Fragen
groszen Einflusz geübt hat, zu entfernen, die Vorstellung
nämlich von der Gleichstellung der verschiedenen Ge-
walten. Dieselbe widerspricht der organischen Natur des
States. In dem organischen Körper hat jedes Glied die ihm
eigenthümliche, aber keines mit dem andern gleiche Stellung.
Vielmehr ist das eine dem andern über- oder unter- oder zu-
geordnet. Nur so wird Zusammenhang und Einheit des
Ganzen erhalten. Dasselbe gilt vom Stat. Würden die obersten
Gewalten in diesem wirklich — nicht blosz der äuszern Form
und dem Scheine nach wie in Nordamerika — einander gleich-
gestellt, so müszte solche Spaltung und Gleichstellung der
höchsten Statsmacht den Stat selbst in ihren Consequenzen
in Stücke reiszen. „Man kann den Kopf nicht von dem Leibe
trennen und diesem gleichstellen, ohne das Leben des Men-
schen zu tödten.“1


1 Meine Studien, S. 146.
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[590/0608] Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc. Statsrechts angenommen. Mit besonderer Energie, aber nicht ohne Uebertreibung haben die Nordamerikaner in ihren Ver- fassungen diese Dreitheilung durchgeführt. Eine ganze Reihe moderner europäischer Verfassungen haben dieselbe ebenso sanctionirt. Den genannten drei Gewalten haben einige, wohl zu- nächst im Interesse der Statseinheit 4) eine vermittelnde Gewalt (pouvoir modérateur, royal) hinzugefügt, und es ist dieser Gedanke Benjamin Constants auch in die portugiesische Verfassung Don Pedro's übergegangen. Andere haben der vollziehenden Gewalt ferner 5) die verwaltende (pouvoir administratif), 6) die aufsehende (potestas inspectiva) und 7) die repräsentative (pouvoir représentatif) beige- ordnet. Bevor wir diese Eintheilung näher prüfen, ist eine irrige Vorstellung, welche häufig auf die Behandlung dieser Fragen groszen Einflusz geübt hat, zu entfernen, die Vorstellung nämlich von der Gleichstellung der verschiedenen Ge- walten. Dieselbe widerspricht der organischen Natur des States. In dem organischen Körper hat jedes Glied die ihm eigenthümliche, aber keines mit dem andern gleiche Stellung. Vielmehr ist das eine dem andern über- oder unter- oder zu- geordnet. Nur so wird Zusammenhang und Einheit des Ganzen erhalten. Dasselbe gilt vom Stat. Würden die obersten Gewalten in diesem wirklich — nicht blosz der äuszern Form und dem Scheine nach wie in Nordamerika — einander gleich- gestellt, so müszte solche Spaltung und Gleichstellung der höchsten Statsmacht den Stat selbst in ihren Consequenzen in Stücke reiszen. „Man kann den Kopf nicht von dem Leibe trennen und diesem gleichstellen, ohne das Leben des Men- schen zu tödten.“ 1 1 Meine Studien, S. 146.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/608>, abgerufen am 22.11.2024.