Zehntes Capitel. Rechte und Verpflichtungen der Statsbeamten.
verlangt. Es ist daher Pflicht des States, die Existenz derer, welche ihm ihr Leben widmen, vor Noth und unwürdigem Mangel zu bewahren, und das ist ohne ein billiges Pensionen- system nicht möglich. Dem Volke aber wird die Last durch bessere Dienste der activen Statsdiener vergolten, und das gröszere Uebel der Bestechlichkeit und Erpressung, welches dem Mangel sich anhängt, in seinem Ursprung überwunden.
Auf die hinterlassene Wittwe und die Kinder der ver- storbenen Statsdiener die Sorge auszudehnen, dazu ist der Stat rechtlich nicht verpflichtet, denn das Amt ist höchstens auf Lebenszeit vergeben, und die Besoldung daher auch nicht erblich. Aber in manchen Staten besteht die heilsame Ein- richtung, dasz auch dafür eine öffentliche Pensionscasse ge- gründet ist, welche vorzüglich aus Abzügen von dem Gehalte der Beamten genährt wird, und für den Hinterlassenen nach bestimmten Verhältnissen Pensionen bezahlt.
6. Die Pflichten des Beamten folgen grösztentheils schon aus seinen Rechten; überdem der Gehorsam, den er seinen Vorgesetzten schuldet, die Treue, die er dem Haupte des States und dem Lande und Volke widmet, und das Geheimnisz, das er zu beachten hat, aus seiner Stel- lung in dem Statsorganismus. Der Dienst- und Amtseid, der gewöhnlich von ihm gefordert wird, begründet nicht erst diese Verpflichtung, sondern legt dieselbe ihm näher und be- kräftigt sie. Er ist auch keine Bedingung der Amtspflicht, noch eine Veränderung ihres Umfanges.
Die Art des Gehorsams wird durch die besondere Natur des einzelnen Amtes näher bestimmt. Sie ist eine andere bei Regierungs-, eine andere bei Justizbeamten, weil die Unter- ordnung jener innerhalb des Regierungsbereiches strenger auch auf Abhängigkeit in materieller Hinsicht gerichtet ist, bei der Justiz dagegen materielle Selbständigkeit des Richters ein Er- fordernisz einer gerechten Rechtspflege ist. Aber auch in der Amtssphäre der Regierung ist jener Gehorsam kein absoluter,
Zehntes Capitel. Rechte und Verpflichtungen der Statsbeamten.
verlangt. Es ist daher Pflicht des States, die Existenz derer, welche ihm ihr Leben widmen, vor Noth und unwürdigem Mangel zu bewahren, und das ist ohne ein billiges Pensionen- system nicht möglich. Dem Volke aber wird die Last durch bessere Dienste der activen Statsdiener vergolten, und das gröszere Uebel der Bestechlichkeit und Erpressung, welches dem Mangel sich anhängt, in seinem Ursprung überwunden.
Auf die hinterlassene Wittwe und die Kinder der ver- storbenen Statsdiener die Sorge auszudehnen, dazu ist der Stat rechtlich nicht verpflichtet, denn das Amt ist höchstens auf Lebenszeit vergeben, und die Besoldung daher auch nicht erblich. Aber in manchen Staten besteht die heilsame Ein- richtung, dasz auch dafür eine öffentliche Pensionscasse ge- gründet ist, welche vorzüglich aus Abzügen von dem Gehalte der Beamten genährt wird, und für den Hinterlassenen nach bestimmten Verhältnissen Pensionen bezahlt.
6. Die Pflichten des Beamten folgen grösztentheils schon aus seinen Rechten; überdem der Gehorsam, den er seinen Vorgesetzten schuldet, die Treue, die er dem Haupte des States und dem Lande und Volke widmet, und das Geheimnisz, das er zu beachten hat, aus seiner Stel- lung in dem Statsorganismus. Der Dienst- und Amtseid, der gewöhnlich von ihm gefordert wird, begründet nicht erst diese Verpflichtung, sondern legt dieselbe ihm näher und be- kräftigt sie. Er ist auch keine Bedingung der Amtspflicht, noch eine Veränderung ihres Umfanges.
Die Art des Gehorsams wird durch die besondere Natur des einzelnen Amtes näher bestimmt. Sie ist eine andere bei Regierungs-, eine andere bei Justizbeamten, weil die Unter- ordnung jener innerhalb des Regierungsbereiches strenger auch auf Abhängigkeit in materieller Hinsicht gerichtet ist, bei der Justiz dagegen materielle Selbständigkeit des Richters ein Er- fordernisz einer gerechten Rechtspflege ist. Aber auch in der Amtssphäre der Regierung ist jener Gehorsam kein absoluter,
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Zehntes Capitel. Rechte und Verpflichtungen der Statsbeamten.
verlangt. Es ist daher Pflicht des States, die Existenz derer,
welche ihm ihr Leben widmen, vor Noth und unwürdigem
Mangel zu bewahren, und das ist ohne ein billiges Pensionen-
system nicht möglich. Dem Volke aber wird die Last durch
bessere Dienste der activen Statsdiener vergolten, und das
gröszere Uebel der Bestechlichkeit und Erpressung, welches
dem Mangel sich anhängt, in seinem Ursprung überwunden.
Auf die hinterlassene Wittwe und die Kinder der ver-
storbenen Statsdiener die Sorge auszudehnen, dazu ist der
Stat rechtlich nicht verpflichtet, denn das Amt ist höchstens
auf Lebenszeit vergeben, und die Besoldung daher auch nicht
erblich. Aber in manchen Staten besteht die heilsame Ein-
richtung, dasz auch dafür eine öffentliche Pensionscasse ge-
gründet ist, welche vorzüglich aus Abzügen von dem Gehalte
der Beamten genährt wird, und für den Hinterlassenen nach
bestimmten Verhältnissen Pensionen bezahlt.
6. Die Pflichten des Beamten folgen grösztentheils
schon aus seinen Rechten; überdem der Gehorsam, den
er seinen Vorgesetzten schuldet, die Treue, die er dem
Haupte des States und dem Lande und Volke widmet, und
das Geheimnisz, das er zu beachten hat, aus seiner Stel-
lung in dem Statsorganismus. Der Dienst- und Amtseid,
der gewöhnlich von ihm gefordert wird, begründet nicht erst
diese Verpflichtung, sondern legt dieselbe ihm näher und be-
kräftigt sie. Er ist auch keine Bedingung der Amtspflicht,
noch eine Veränderung ihres Umfanges.
Die Art des Gehorsams wird durch die besondere Natur
des einzelnen Amtes näher bestimmt. Sie ist eine andere bei
Regierungs-, eine andere bei Justizbeamten, weil die Unter-
ordnung jener innerhalb des Regierungsbereiches strenger auch
auf Abhängigkeit in materieller Hinsicht gerichtet ist, bei der
Justiz dagegen materielle Selbständigkeit des Richters ein Er-
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/637>, abgerufen am 22.11.2024.
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