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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zehntes Capitel. Rechte und Verpflichtungen der Statsbeamten.
regierung beruht, im Widerspruch befindet und als Feind
jener handelt, wenn er z. B. in der Monarchie sich als Repu-
blikaner erklärt und für die Einführung der Republik arbeitet,
oder umgekehrt in der Republik als Beamter für die Monarchie
wirkt, dann verletzt und bricht er das Band der Treue, das
ihn als ein Glied eines einheitlichen Statsorganismus mit die-
sem verbindet. Ebenso wenn der Regierungsbeamte an syste-
matischer
, d. h. consequent auf Sturz oder Lähmung der
Regierung gerichteter Opposition Theil nimmt, so ist das
ein Treubruch, den keine Regierung dulden kann, wenn sie
nicht an innerm Zwiespalt zu Grunde gehen will. 3 Die syte-
matische Feindschaft von Regierungsbeamten gegen die Leiter
der Regierung (das Ministerium) ist, auch wenn im Einzelnen
kein Ungehorsam vorliegt, Auflösung des Treuverhältnisses
und führt zur Anarchie. Nicht die abweichende und selbst
nicht die feindliche Gesinnung ist ein Treubruch, denn diese
kann das Individuum in sich verschlieszen und dennoch in
amtlicher Stellung seine Pflicht in weitestem Umfang in guten
Treuen erfüllen, aber die amtliche Bethätigung solcher Ge-
sinnung ist es, denn dabei kann weder die nöthige Harmonie
der Statsgewalt noch ihre Sicherheit bestehen. Ist aber der
Gegensatz zwischen der Ueberzeugung des Regierungsbeamten

3 Washington (in der Vorrede Guizots zu seinem Leben, I. c.
XXIII.): "So lange ich die Ehre haben werde, die öffentlichen Ange-
legenheiten zu leiten, werde ich nie mit Wissen an irgend eine wichtige
Stelle einen Mann setzen, dessen politische Maximen mit den allgemeinen
Ansichten der Regierung in Widerspruch sind. Das wäre meines Erach-
tens politischer Selbstmord." Wie lebhaft auch deutsche Statsmänner
das Uebel empfunden haben, welches dem State untreue Beamte bereiten,
zeigt folgende leidenschaftliche Aeuszerung des Ministers Stein (Leben
desselben von Pertz II, S. 501): "Der Frechheit und Verwilderung in
der Stimmung besonders des gröszten Theils der öffentlichen Beamten
wird nicht anders entgegengewirkt werden können, als durch sehr strenge
Maszregeln, plötzliche Entsetzungen, Verhaftungen, Verbannungen nach
kleinen Orten der Menschen so sich bemühen schädliche Meinungen zu
verbreiten oder die Beschlüsse der Regierung zu untergraben."

Zehntes Capitel. Rechte und Verpflichtungen der Statsbeamten.
regierung beruht, im Widerspruch befindet und als Feind
jener handelt, wenn er z. B. in der Monarchie sich als Repu-
blikaner erklärt und für die Einführung der Republik arbeitet,
oder umgekehrt in der Republik als Beamter für die Monarchie
wirkt, dann verletzt und bricht er das Band der Treue, das
ihn als ein Glied eines einheitlichen Statsorganismus mit die-
sem verbindet. Ebenso wenn der Regierungsbeamte an syste-
matischer
, d. h. consequent auf Sturz oder Lähmung der
Regierung gerichteter Opposition Theil nimmt, so ist das
ein Treubruch, den keine Regierung dulden kann, wenn sie
nicht an innerm Zwiespalt zu Grunde gehen will. 3 Die syte-
matische Feindschaft von Regierungsbeamten gegen die Leiter
der Regierung (das Ministerium) ist, auch wenn im Einzelnen
kein Ungehorsam vorliegt, Auflösung des Treuverhältnisses
und führt zur Anarchie. Nicht die abweichende und selbst
nicht die feindliche Gesinnung ist ein Treubruch, denn diese
kann das Individuum in sich verschlieszen und dennoch in
amtlicher Stellung seine Pflicht in weitestem Umfang in guten
Treuen erfüllen, aber die amtliche Bethätigung solcher Ge-
sinnung ist es, denn dabei kann weder die nöthige Harmonie
der Statsgewalt noch ihre Sicherheit bestehen. Ist aber der
Gegensatz zwischen der Ueberzeugung des Regierungsbeamten

3 Washington (in der Vorrede Guizots zu seinem Leben, I. c.
XXIII.): „So lange ich die Ehre haben werde, die öffentlichen Ange-
legenheiten zu leiten, werde ich nie mit Wissen an irgend eine wichtige
Stelle einen Mann setzen, dessen politische Maximen mit den allgemeinen
Ansichten der Regierung in Widerspruch sind. Das wäre meines Erach-
tens politischer Selbstmord.“ Wie lebhaft auch deutsche Statsmänner
das Uebel empfunden haben, welches dem State untreue Beamte bereiten,
zeigt folgende leidenschaftliche Aeuszerung des Ministers Stein (Leben
desselben von Pertz II, S. 501): „Der Frechheit und Verwilderung in
der Stimmung besonders des gröszten Theils der öffentlichen Beamten
wird nicht anders entgegengewirkt werden können, als durch sehr strenge
Maszregeln, plötzliche Entsetzungen, Verhaftungen, Verbannungen nach
kleinen Orten der Menschen so sich bemühen schädliche Meinungen zu
verbreiten oder die Beschlüsse der Regierung zu untergraben.“
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[623/0641] Zehntes Capitel. Rechte und Verpflichtungen der Statsbeamten. regierung beruht, im Widerspruch befindet und als Feind jener handelt, wenn er z. B. in der Monarchie sich als Repu- blikaner erklärt und für die Einführung der Republik arbeitet, oder umgekehrt in der Republik als Beamter für die Monarchie wirkt, dann verletzt und bricht er das Band der Treue, das ihn als ein Glied eines einheitlichen Statsorganismus mit die- sem verbindet. Ebenso wenn der Regierungsbeamte an syste- matischer, d. h. consequent auf Sturz oder Lähmung der Regierung gerichteter Opposition Theil nimmt, so ist das ein Treubruch, den keine Regierung dulden kann, wenn sie nicht an innerm Zwiespalt zu Grunde gehen will. 3 Die syte- matische Feindschaft von Regierungsbeamten gegen die Leiter der Regierung (das Ministerium) ist, auch wenn im Einzelnen kein Ungehorsam vorliegt, Auflösung des Treuverhältnisses und führt zur Anarchie. Nicht die abweichende und selbst nicht die feindliche Gesinnung ist ein Treubruch, denn diese kann das Individuum in sich verschlieszen und dennoch in amtlicher Stellung seine Pflicht in weitestem Umfang in guten Treuen erfüllen, aber die amtliche Bethätigung solcher Ge- sinnung ist es, denn dabei kann weder die nöthige Harmonie der Statsgewalt noch ihre Sicherheit bestehen. Ist aber der Gegensatz zwischen der Ueberzeugung des Regierungsbeamten 3 Washington (in der Vorrede Guizots zu seinem Leben, I. c. XXIII.): „So lange ich die Ehre haben werde, die öffentlichen Ange- legenheiten zu leiten, werde ich nie mit Wissen an irgend eine wichtige Stelle einen Mann setzen, dessen politische Maximen mit den allgemeinen Ansichten der Regierung in Widerspruch sind. Das wäre meines Erach- tens politischer Selbstmord.“ Wie lebhaft auch deutsche Statsmänner das Uebel empfunden haben, welches dem State untreue Beamte bereiten, zeigt folgende leidenschaftliche Aeuszerung des Ministers Stein (Leben desselben von Pertz II, S. 501): „Der Frechheit und Verwilderung in der Stimmung besonders des gröszten Theils der öffentlichen Beamten wird nicht anders entgegengewirkt werden können, als durch sehr strenge Maszregeln, plötzliche Entsetzungen, Verhaftungen, Verbannungen nach kleinen Orten der Menschen so sich bemühen schädliche Meinungen zu verbreiten oder die Beschlüsse der Regierung zu untergraben.“

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/641>, abgerufen am 22.11.2024.