Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechstes Cap. Entwicklungsgesch. der Statsidee. III. Die moderne Statsidee.

[Spaltenumbruch]

Antiker Stat.

4. Die antike Statsgewalt
hat einen absoluten Cha-
rakter.

5. Die öffentlichen Gewalten
werden unmittelbar von
den dazu Berechtigten aus-
geübt. In der antiken Re-
publik erscheint die Bürger-
schaft in groszen Volksver-
sammlungen (Ekklesien, Co-
mitien) und beschlieszt hier
selber über wichtige Stats-
angelegenheiten.

6. Die hellenischen Staten
sind wesentlich Städtesta-
ten
, Politien. Aus einem
Städtestat hat sich Rom zum
Weltstat erweitert.

7. In dem antiken State
werden zwar die öffentli-
chen Thätigkeiten
je
nach ihrer Art und Richtung
unterschieden. Aber gewöhn-
lich üben dieselben Ver-
sammlungen und Magistrate
verschiedenartige Functionen
aus, Gesetzgebung und Re-
gierung, Imperium und Juris-
dictio.

8. Der antike Stat fühlt sich
auch nach Auszen nur durch


[Spaltenumbruch]

Moderner Stat.

4. Die moderne Statsgewalt
ist verfassungsmäszig be-
schränkt
.

5. Der moderne Stat ist
vorzugsweise Repräsenta-
tivstat
. An die Stelle der
massenhaften Volksversamm-
lung tritt der gewählte Aus-
schusz der Bürger als Volks-
vertretung
. Die heutigen
Repräsentativkörper sind be-
fähigter als die antiken Volks-
versammlungen, die Gesetze
zu prüfen, Beschlüsse zu er-
wägen und Controle zu üben.

6. Die modernen Staten sind
wesentlich Volksstaten. Die
Stadt ist nur eine Gemeinde
in dem State, nicht der Kern
des States.

7. In dem modernen State
werden für die verschiede-
nen Thätigkeiten
auch
verschiedene Organe ge-
schaffen und so die frühere
nur gegenständliche Unter-
scheidung der Gewalten zu
persönlicher Sonderung
der Functionen fortgebildet.

8. Die modernen Staten er-
kennen in dem Völkerrecht


Sechstes Cap. Entwicklungsgesch. der Statsidee. III. Die moderne Statsidee.

[Spaltenumbruch]

Antiker Stat.

4. Die antike Statsgewalt
hat einen absoluten Cha-
rakter.

5. Die öffentlichen Gewalten
werden unmittelbar von
den dazu Berechtigten aus-
geübt. In der antiken Re-
publik erscheint die Bürger-
schaft in groszen Volksver-
sammlungen (Ekklesien, Co-
mitien) und beschlieszt hier
selber über wichtige Stats-
angelegenheiten.

6. Die hellenischen Staten
sind wesentlich Städtesta-
ten
, Politien. Aus einem
Städtestat hat sich Rom zum
Weltstat erweitert.

7. In dem antiken State
werden zwar die öffentli-
chen Thätigkeiten
je
nach ihrer Art und Richtung
unterschieden. Aber gewöhn-
lich üben dieselben Ver-
sammlungen und Magistrate
verschiedenartige Functionen
aus, Gesetzgebung und Re-
gierung, Imperium und Juris-
dictio.

8. Der antike Stat fühlt sich
auch nach Auszen nur durch


[Spaltenumbruch]

Moderner Stat.

4. Die moderne Statsgewalt
ist verfassungsmäszig be-
schränkt
.

5. Der moderne Stat ist
vorzugsweise Repräsenta-
tivstat
. An die Stelle der
massenhaften Volksversamm-
lung tritt der gewählte Aus-
schusz der Bürger als Volks-
vertretung
. Die heutigen
Repräsentativkörper sind be-
fähigter als die antiken Volks-
versammlungen, die Gesetze
zu prüfen, Beschlüsse zu er-
wägen und Controle zu üben.

6. Die modernen Staten sind
wesentlich Volksstaten. Die
Stadt ist nur eine Gemeinde
in dem State, nicht der Kern
des States.

7. In dem modernen State
werden für die verschiede-
nen Thätigkeiten
auch
verschiedene Organe ge-
schaffen und so die frühere
nur gegenständliche Unter-
scheidung der Gewalten zu
persönlicher Sonderung
der Functionen fortgebildet.

8. Die modernen Staten er-
kennen in dem Völkerrecht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0081" n="63"/>
          <fw place="top" type="header">Sechstes Cap. Entwicklungsgesch. der Statsidee. III. Die moderne Statsidee.</fw><lb/>
          <cb/>
          <p><hi rendition="#g">Antiker Stat</hi>.</p><lb/>
          <p>4. Die antike Statsgewalt<lb/>
hat einen <hi rendition="#g">absoluten</hi> Cha-<lb/>
rakter.</p><lb/>
          <p>5. Die öffentlichen Gewalten<lb/>
werden <hi rendition="#g">unmittelbar</hi> von<lb/>
den dazu Berechtigten aus-<lb/>
geübt. In der antiken Re-<lb/>
publik erscheint die Bürger-<lb/>
schaft in groszen Volksver-<lb/>
sammlungen (Ekklesien, Co-<lb/>
mitien) und beschlieszt hier<lb/>
selber über wichtige Stats-<lb/>
angelegenheiten.</p><lb/>
          <p>6. Die hellenischen Staten<lb/>
sind wesentlich <hi rendition="#g">Städtesta-<lb/>
ten</hi>, Politien. Aus einem<lb/>
Städtestat hat sich Rom zum<lb/><hi rendition="#g">Weltstat</hi> erweitert.</p><lb/>
          <p>7. In dem antiken State<lb/>
werden zwar die <hi rendition="#g">öffentli-<lb/>
chen Thätigkeiten</hi> je<lb/>
nach ihrer Art und Richtung<lb/>
unterschieden. Aber gewöhn-<lb/>
lich üben <hi rendition="#g">dieselben</hi> Ver-<lb/>
sammlungen und Magistrate<lb/>
verschiedenartige Functionen<lb/>
aus, Gesetzgebung und Re-<lb/>
gierung, Imperium und Juris-<lb/>
dictio.</p><lb/>
          <p>8. Der antike Stat fühlt sich<lb/>
auch nach Auszen nur durch</p><lb/>
          <cb/>
          <p> <hi rendition="#g">Moderner Stat.</hi> </p><lb/>
          <p>4. Die moderne Statsgewalt<lb/>
ist <hi rendition="#g">verfassungsmäszig be-<lb/>
schränkt</hi>.</p><lb/>
          <p>5. Der moderne Stat ist<lb/>
vorzugsweise <hi rendition="#g">Repräsenta-<lb/>
tivstat</hi>. An die Stelle der<lb/>
massenhaften Volksversamm-<lb/>
lung tritt der gewählte Aus-<lb/>
schusz der Bürger als <hi rendition="#g">Volks-<lb/>
vertretung</hi>. Die heutigen<lb/>
Repräsentativkörper sind be-<lb/>
fähigter als die antiken Volks-<lb/>
versammlungen, die Gesetze<lb/>
zu prüfen, Beschlüsse zu er-<lb/>
wägen und Controle zu üben.</p><lb/>
          <p>6. Die modernen Staten sind<lb/>
wesentlich <hi rendition="#g">Volksstaten</hi>. Die<lb/>
Stadt ist nur eine Gemeinde<lb/>
in dem State, nicht der Kern<lb/>
des States.</p><lb/>
          <p>7. In dem modernen State<lb/>
werden für die <hi rendition="#g">verschiede-<lb/>
nen Thätigkeiten</hi> auch<lb/><hi rendition="#g">verschiedene Organe</hi> ge-<lb/>
schaffen und so die frühere<lb/>
nur gegenständliche Unter-<lb/>
scheidung der Gewalten zu<lb/><hi rendition="#g">persönlicher Sonderung</hi><lb/>
der Functionen fortgebildet.</p><lb/>
          <p>8. Die modernen Staten er-<lb/>
kennen in dem <hi rendition="#g">Völkerrecht</hi></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0081] Sechstes Cap. Entwicklungsgesch. der Statsidee. III. Die moderne Statsidee. Antiker Stat. 4. Die antike Statsgewalt hat einen absoluten Cha- rakter. 5. Die öffentlichen Gewalten werden unmittelbar von den dazu Berechtigten aus- geübt. In der antiken Re- publik erscheint die Bürger- schaft in groszen Volksver- sammlungen (Ekklesien, Co- mitien) und beschlieszt hier selber über wichtige Stats- angelegenheiten. 6. Die hellenischen Staten sind wesentlich Städtesta- ten, Politien. Aus einem Städtestat hat sich Rom zum Weltstat erweitert. 7. In dem antiken State werden zwar die öffentli- chen Thätigkeiten je nach ihrer Art und Richtung unterschieden. Aber gewöhn- lich üben dieselben Ver- sammlungen und Magistrate verschiedenartige Functionen aus, Gesetzgebung und Re- gierung, Imperium und Juris- dictio. 8. Der antike Stat fühlt sich auch nach Auszen nur durch Moderner Stat. 4. Die moderne Statsgewalt ist verfassungsmäszig be- schränkt. 5. Der moderne Stat ist vorzugsweise Repräsenta- tivstat. An die Stelle der massenhaften Volksversamm- lung tritt der gewählte Aus- schusz der Bürger als Volks- vertretung. Die heutigen Repräsentativkörper sind be- fähigter als die antiken Volks- versammlungen, die Gesetze zu prüfen, Beschlüsse zu er- wägen und Controle zu üben. 6. Die modernen Staten sind wesentlich Volksstaten. Die Stadt ist nur eine Gemeinde in dem State, nicht der Kern des States. 7. In dem modernen State werden für die verschiede- nen Thätigkeiten auch verschiedene Organe ge- schaffen und so die frühere nur gegenständliche Unter- scheidung der Gewalten zu persönlicher Sonderung der Functionen fortgebildet. 8. Die modernen Staten er- kennen in dem Völkerrecht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/81
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/81>, abgerufen am 26.11.2024.