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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Völkerrechtliche Organe.
144.

Wenn der Exterritoriale andere Personen in ihrem persönlichen,
Familien- oder Vermögensrechte gewaltsam angreift oder ernstlich bedroht,
so ist auch ihm gegenüber die Nothwehr erlaubt.

Phillimore II. 105. Der Gewaltthat darf man mit Gewalt begegnen,
und wenn in Folge der Nothwehr gegen widerrechtliche Gewaltthat der Exterritoriale
umkommt, so ist das keine Verletzung des Völkerrechts. Das Recht der Nothwehr
ist natürliches Menschenrecht, welches von dem Völker- wie von dem Stats-
recht anerkannt werden muß, nicht unterdrückt werden darf.

145.

Die Exemtion von der einheimischen Statshoheit wird auch auf die
Familiengenossen, Beamten, Begleiter und Diener des Exterritorialen aus-
gedehnt. Sein Gefolge hat indessen nur einen mittelbaren Anspruch auf
Exterritorialität, nicht um seiner selbst willen, sondern nur aus Rücksicht
auf den exterritorialen Gefolgsherrn.

Die Familiengenossen haben Theil an seiner Befreiung, insofern sie that-
sächlich zu ihm gehören
, also in seinem Hause wohnen, aber nicht, wenn sie
eine selbständige Stellung außerhalb seiner Familie behaupten. Im
letztern Fall sind sie fremde Privatpersonen gleich andern Fremden. Die Uebergänge
aus dem einen in den andern Zustand können freilich zu mancherlei Zweifeln den
Anlaß geben. Der Hauslehrer der Kinder des Exterritorialen gehört zu seinem Ge-
folge, aber die übrigen Lehrer am Ort, welche nur einzelne Lehrstunden geben, ge-
hören nicht dazu.

146.

Der Exterritoriale darf nicht sein Ausnahmerecht dazu mißbrauchen,
um Personen, welche im Lande gerichtlich oder policeilich verfolgt werden,
durch Aufnahme in sein Gefolge der einheimischen Gerichts- oder Policei-
gewalt zu entziehen.

Ueberhaupt ist das Privilegium im Sinn des guten Glaubens zu inter-
pretiren. Als ein Musiker, um seinen Gläubigern zu entgehen, sich in die Capelle
eines Bayrischen Gesanten in London aufnehmen ließ, wurde diese Aufnahme von dem
englischen Gerichtshof als illusorisch behandelt, weil kein wirklicher bona-fide-Dienst
nachgewiesen sei. In ähnlicher Weise wurden noch gegen mehrere andere angebliche
Diener dieses Gesanten verfahren, der offenbar das Privilegium zu einem ungebühr-
lichen Patronate mißbraucht hatte. Siehe die Fälle bei Wildmann I. 124.

Völkerrechtliche Organe.
144.

Wenn der Exterritoriale andere Perſonen in ihrem perſönlichen,
Familien- oder Vermögensrechte gewaltſam angreift oder ernſtlich bedroht,
ſo iſt auch ihm gegenüber die Nothwehr erlaubt.

Phillimore II. 105. Der Gewaltthat darf man mit Gewalt begegnen,
und wenn in Folge der Nothwehr gegen widerrechtliche Gewaltthat der Exterritoriale
umkommt, ſo iſt das keine Verletzung des Völkerrechts. Das Recht der Nothwehr
iſt natürliches Menſchenrecht, welches von dem Völker- wie von dem Stats-
recht anerkannt werden muß, nicht unterdrückt werden darf.

145.

Die Exemtion von der einheimiſchen Statshoheit wird auch auf die
Familiengenoſſen, Beamten, Begleiter und Diener des Exterritorialen aus-
gedehnt. Sein Gefolge hat indeſſen nur einen mittelbaren Anſpruch auf
Exterritorialität, nicht um ſeiner ſelbſt willen, ſondern nur aus Rückſicht
auf den exterritorialen Gefolgsherrn.

Die Familiengenoſſen haben Theil an ſeiner Befreiung, inſofern ſie that-
ſächlich zu ihm gehören
, alſo in ſeinem Hauſe wohnen, aber nicht, wenn ſie
eine ſelbſtändige Stellung außerhalb ſeiner Familie behaupten. Im
letztern Fall ſind ſie fremde Privatperſonen gleich andern Fremden. Die Uebergänge
aus dem einen in den andern Zuſtand können freilich zu mancherlei Zweifeln den
Anlaß geben. Der Hauslehrer der Kinder des Exterritorialen gehört zu ſeinem Ge-
folge, aber die übrigen Lehrer am Ort, welche nur einzelne Lehrſtunden geben, ge-
hören nicht dazu.

146.

Der Exterritoriale darf nicht ſein Ausnahmerecht dazu mißbrauchen,
um Perſonen, welche im Lande gerichtlich oder policeilich verfolgt werden,
durch Aufnahme in ſein Gefolge der einheimiſchen Gerichts- oder Policei-
gewalt zu entziehen.

Ueberhaupt iſt das Privilegium im Sinn des guten Glaubens zu inter-
pretiren. Als ein Muſiker, um ſeinen Gläubigern zu entgehen, ſich in die Capelle
eines Bayriſchen Geſanten in London aufnehmen ließ, wurde dieſe Aufnahme von dem
engliſchen Gerichtshof als illuſoriſch behandelt, weil kein wirklicher bona-fide-Dienſt
nachgewieſen ſei. In ähnlicher Weiſe wurden noch gegen mehrere andere angebliche
Diener dieſes Geſanten verfahren, der offenbar das Privilegium zu einem ungebühr-
lichen Patronate mißbraucht hatte. Siehe die Fälle bei Wildmann I. 124.

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[121/0143] Völkerrechtliche Organe. 144. Wenn der Exterritoriale andere Perſonen in ihrem perſönlichen, Familien- oder Vermögensrechte gewaltſam angreift oder ernſtlich bedroht, ſo iſt auch ihm gegenüber die Nothwehr erlaubt. Phillimore II. 105. Der Gewaltthat darf man mit Gewalt begegnen, und wenn in Folge der Nothwehr gegen widerrechtliche Gewaltthat der Exterritoriale umkommt, ſo iſt das keine Verletzung des Völkerrechts. Das Recht der Nothwehr iſt natürliches Menſchenrecht, welches von dem Völker- wie von dem Stats- recht anerkannt werden muß, nicht unterdrückt werden darf. 145. Die Exemtion von der einheimiſchen Statshoheit wird auch auf die Familiengenoſſen, Beamten, Begleiter und Diener des Exterritorialen aus- gedehnt. Sein Gefolge hat indeſſen nur einen mittelbaren Anſpruch auf Exterritorialität, nicht um ſeiner ſelbſt willen, ſondern nur aus Rückſicht auf den exterritorialen Gefolgsherrn. Die Familiengenoſſen haben Theil an ſeiner Befreiung, inſofern ſie that- ſächlich zu ihm gehören, alſo in ſeinem Hauſe wohnen, aber nicht, wenn ſie eine ſelbſtändige Stellung außerhalb ſeiner Familie behaupten. Im letztern Fall ſind ſie fremde Privatperſonen gleich andern Fremden. Die Uebergänge aus dem einen in den andern Zuſtand können freilich zu mancherlei Zweifeln den Anlaß geben. Der Hauslehrer der Kinder des Exterritorialen gehört zu ſeinem Ge- folge, aber die übrigen Lehrer am Ort, welche nur einzelne Lehrſtunden geben, ge- hören nicht dazu. 146. Der Exterritoriale darf nicht ſein Ausnahmerecht dazu mißbrauchen, um Perſonen, welche im Lande gerichtlich oder policeilich verfolgt werden, durch Aufnahme in ſein Gefolge der einheimiſchen Gerichts- oder Policei- gewalt zu entziehen. Ueberhaupt iſt das Privilegium im Sinn des guten Glaubens zu inter- pretiren. Als ein Muſiker, um ſeinen Gläubigern zu entgehen, ſich in die Capelle eines Bayriſchen Geſanten in London aufnehmen ließ, wurde dieſe Aufnahme von dem engliſchen Gerichtshof als illuſoriſch behandelt, weil kein wirklicher bona-fide-Dienſt nachgewieſen ſei. In ähnlicher Weiſe wurden noch gegen mehrere andere angebliche Diener dieſes Geſanten verfahren, der offenbar das Privilegium zu einem ungebühr- lichen Patronate mißbraucht hatte. Siehe die Fälle bei Wildmann I. 124.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/143>, abgerufen am 25.11.2024.