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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Völkerrechtliche Organe.
zu halten, dieselben gemeinsam der Ortspolicei zu unterwerfen. Ueberhaupt ist
eine allzu weite Ausdehnung der Exterritorialität für die Rechtssicherheit und die
öffentliche Ordnung durchaus schädlich und nicht zu empfehlen. Das Völkerrecht for-
dert grundsätzlich nur, daß die Ehre und Freiheit der Staten in ihren Repräsen-
tanten geschützt, und durchaus nicht, daß die Missethaten der Individuen
begünstigt
werden.

150.

Die Exemtion des Exterritorialen erstreckt sich auch auf die Wohnung,
welche er inne hat, aber nicht auf den Grundbesitz, welchen er als Privat-
mann bewirthschaftet.

Wenn ein Souverän ein Gut in einem fremden Lande kauft, um seine
Capitalien darin anzulegen, und sein Vermögen in solcher Weise zu bewirthschaften,
nicht um daselbst als Souverän zu leben und den Stat repräsentiren zu lassen, so
ist kein Grund da, dieses Gut als exterritorial zu betrachten. Nur inwiefern das
Hotel des Exterritorialen seiner Person als Wohnung dient und in Folge dessen
seine repräsentative Stellung und Freiheit sichert, gilt dasselbe als exempt. Dann
darf es, ohne seinen Willen, nicht von der einheimischen Statsgewalt betreten
und durchsucht werden. Als die Russische Finanzwache am 3. April 1752 in das
Hotel des Schwedischen Gesanten in Petersburg eindrang und ein paar Diener des-
selben gefangen nahm, welche beschuldigt waren, das Statsmonopol verletzt zu haben,
gab die Kaiserin Elisabeth dem beleidigten Gesanten volle Genugthuung wegen die-
ser Verletzung des Völkerrechts. Vattel IV. § 117.

151.

Die Wohnung des Exterritorialen darf nicht zum Asyl mißbraucht
werden für gerichtlich Verfolgte. Der Exterritoriale ist verpflichtet, solchen
Flüchtlingen die Aufnahme zu untersagen, beziehungsweise dieselben an die
ordentliche Gerichtsgewalt auszuliefern.

Oft wurde ein solches Asylrecht behauptet und oft auch ausgeübt. Am wei-
testen war dieser Mißbrauch in Rom gediehen, wo auch die Kirchen ein Asyl ge-
währten. Im Mittelalter dienten die zahlreichen Asyle, welche in Herrenhöfen und
Kirchen und von Schutzheiligen gewährt wurden, um die wilde Verfolgung der
Blutrache, der Fehde und einer barbarischen Justiz zu mäßigen. Mit einer civilisir-
ten und einer wirksamen Rechtspflege aber sind dieselben nicht mehr vereinbar.
Bynkershoek (de jure legatorum c. 21) hat den Beweis geführt, daß keinerlei
völkerrechtliche Rechtsgründe für ein derartiges Asylrecht sprechen. Seither ist diese
Ansicht, die schon Hugo de Groot (II. 18, 8) vertrat, allgemein von der Wissen-
schaft anerkannt worden, wenn gleich einzelne Exterritoriale immer noch von Zeit
zu Zeit den Versuch machten, auch ihr angebliches Asylrecht auszuüben.

Völkerrechtliche Organe.
zu halten, dieſelben gemeinſam der Ortspolicei zu unterwerfen. Ueberhaupt iſt
eine allzu weite Ausdehnung der Exterritorialität für die Rechtsſicherheit und die
öffentliche Ordnung durchaus ſchädlich und nicht zu empfehlen. Das Völkerrecht for-
dert grundſätzlich nur, daß die Ehre und Freiheit der Staten in ihren Repräſen-
tanten geſchützt, und durchaus nicht, daß die Miſſethaten der Individuen
begünſtigt
werden.

150.

Die Exemtion des Exterritorialen erſtreckt ſich auch auf die Wohnung,
welche er inne hat, aber nicht auf den Grundbeſitz, welchen er als Privat-
mann bewirthſchaftet.

Wenn ein Souverän ein Gut in einem fremden Lande kauft, um ſeine
Capitalien darin anzulegen, und ſein Vermögen in ſolcher Weiſe zu bewirthſchaften,
nicht um daſelbſt als Souverän zu leben und den Stat repräſentiren zu laſſen, ſo
iſt kein Grund da, dieſes Gut als exterritorial zu betrachten. Nur inwiefern das
Hotel des Exterritorialen ſeiner Perſon als Wohnung dient und in Folge deſſen
ſeine repräſentative Stellung und Freiheit ſichert, gilt dasſelbe als exempt. Dann
darf es, ohne ſeinen Willen, nicht von der einheimiſchen Statsgewalt betreten
und durchſucht werden. Als die Ruſſiſche Finanzwache am 3. April 1752 in das
Hotel des Schwediſchen Geſanten in Petersburg eindrang und ein paar Diener des-
ſelben gefangen nahm, welche beſchuldigt waren, das Statsmonopol verletzt zu haben,
gab die Kaiſerin Eliſabeth dem beleidigten Geſanten volle Genugthuung wegen die-
ſer Verletzung des Völkerrechts. Vattel IV. § 117.

151.

Die Wohnung des Exterritorialen darf nicht zum Aſyl mißbraucht
werden für gerichtlich Verfolgte. Der Exterritoriale iſt verpflichtet, ſolchen
Flüchtlingen die Aufnahme zu unterſagen, beziehungsweiſe dieſelben an die
ordentliche Gerichtsgewalt auszuliefern.

Oft wurde ein ſolches Aſylrecht behauptet und oft auch ausgeübt. Am wei-
teſten war dieſer Mißbrauch in Rom gediehen, wo auch die Kirchen ein Aſyl ge-
währten. Im Mittelalter dienten die zahlreichen Aſyle, welche in Herrenhöfen und
Kirchen und von Schutzheiligen gewährt wurden, um die wilde Verfolgung der
Blutrache, der Fehde und einer barbariſchen Juſtiz zu mäßigen. Mit einer civiliſir-
ten und einer wirkſamen Rechtspflege aber ſind dieſelben nicht mehr vereinbar.
Bynkershoek (de jure legatorum c. 21) hat den Beweis geführt, daß keinerlei
völkerrechtliche Rechtsgründe für ein derartiges Aſylrecht ſprechen. Seither iſt dieſe
Anſicht, die ſchon Hugo de Groot (II. 18, 8) vertrat, allgemein von der Wiſſen-
ſchaft anerkannt worden, wenn gleich einzelne Exterritoriale immer noch von Zeit
zu Zeit den Verſuch machten, auch ihr angebliches Aſylrecht auszuüben.

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[123/0145] Völkerrechtliche Organe. zu halten, dieſelben gemeinſam der Ortspolicei zu unterwerfen. Ueberhaupt iſt eine allzu weite Ausdehnung der Exterritorialität für die Rechtsſicherheit und die öffentliche Ordnung durchaus ſchädlich und nicht zu empfehlen. Das Völkerrecht for- dert grundſätzlich nur, daß die Ehre und Freiheit der Staten in ihren Repräſen- tanten geſchützt, und durchaus nicht, daß die Miſſethaten der Individuen begünſtigt werden. 150. Die Exemtion des Exterritorialen erſtreckt ſich auch auf die Wohnung, welche er inne hat, aber nicht auf den Grundbeſitz, welchen er als Privat- mann bewirthſchaftet. Wenn ein Souverän ein Gut in einem fremden Lande kauft, um ſeine Capitalien darin anzulegen, und ſein Vermögen in ſolcher Weiſe zu bewirthſchaften, nicht um daſelbſt als Souverän zu leben und den Stat repräſentiren zu laſſen, ſo iſt kein Grund da, dieſes Gut als exterritorial zu betrachten. Nur inwiefern das Hotel des Exterritorialen ſeiner Perſon als Wohnung dient und in Folge deſſen ſeine repräſentative Stellung und Freiheit ſichert, gilt dasſelbe als exempt. Dann darf es, ohne ſeinen Willen, nicht von der einheimiſchen Statsgewalt betreten und durchſucht werden. Als die Ruſſiſche Finanzwache am 3. April 1752 in das Hotel des Schwediſchen Geſanten in Petersburg eindrang und ein paar Diener des- ſelben gefangen nahm, welche beſchuldigt waren, das Statsmonopol verletzt zu haben, gab die Kaiſerin Eliſabeth dem beleidigten Geſanten volle Genugthuung wegen die- ſer Verletzung des Völkerrechts. Vattel IV. § 117. 151. Die Wohnung des Exterritorialen darf nicht zum Aſyl mißbraucht werden für gerichtlich Verfolgte. Der Exterritoriale iſt verpflichtet, ſolchen Flüchtlingen die Aufnahme zu unterſagen, beziehungsweiſe dieſelben an die ordentliche Gerichtsgewalt auszuliefern. Oft wurde ein ſolches Aſylrecht behauptet und oft auch ausgeübt. Am wei- teſten war dieſer Mißbrauch in Rom gediehen, wo auch die Kirchen ein Aſyl ge- währten. Im Mittelalter dienten die zahlreichen Aſyle, welche in Herrenhöfen und Kirchen und von Schutzheiligen gewährt wurden, um die wilde Verfolgung der Blutrache, der Fehde und einer barbariſchen Juſtiz zu mäßigen. Mit einer civiliſir- ten und einer wirkſamen Rechtspflege aber ſind dieſelben nicht mehr vereinbar. Bynkershoek (de jure legatorum c. 21) hat den Beweis geführt, daß keinerlei völkerrechtliche Rechtsgründe für ein derartiges Aſylrecht ſprechen. Seither iſt dieſe Anſicht, die ſchon Hugo de Groot (II. 18, 8) vertrat, allgemein von der Wiſſen- ſchaft anerkannt worden, wenn gleich einzelne Exterritoriale immer noch von Zeit zu Zeit den Verſuch machten, auch ihr angebliches Aſylrecht auszuüben.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/145>, abgerufen am 24.11.2024.