Kinder mit der Geburt und so lange sie in dem väterlichen Hause leben, der Statsgenossenschaft ihres Vaters folgen.
Der Ehemann und der Vater als Haupt des Hauses verbindet auch die Glie- der des Hauses, die Frau und die Kinder mit dem State, zu dem er gehört. Da- bei wird jedoch vorausgesetzt, daß die Ehe in diesem State als rechtsgültig anerkannt werde, und daß nicht etwa besondere Vorbehalte gemacht und zugestanden worden sind oder andere gesetzliche Vorschriften in einem Lande bestehen. So gibt es Län- der, welche wohl den ehelichen Kindern bei ihrer Geburt die Statsgenossenschaft zu- erkennen, aber nicht ohne weiteres gestatten, daß dieselben ihrem Vater folgen, wenn derselbe später ein anderes Statsbürgerrecht erwirbt.
366.
Die unehelichen Kinder erhalten, wenn sie nicht von dem State des geständigen oder ermittelten Vaters aufgenommen werden, das Heimatsrecht in dem State der Mutter, aber folgen dieser nicht in einen andern Stats- verband nach, wenn sie später durch Heirath eine neue Statsgenossenschaft erwirbt.
Der erste Satz folgt aus der sichern Abstammung des Kindes von der Mutter. Nur in der Ehe gilt die Abstammung vom Vater als ebenso sicher und entscheidet überdem die Rücksicht auf die leitende Stellung des Vaters im Hause und die bedeutsam hervortretende Beziehung desselben zum State. Außer der Ehe und außerhalb des Hauses kann zunächst nur die Abstammung von der Mutter über die Angehörigkeit zunächst entscheiden. Indessen nehmen manche Rechte der Einzelstaten auch die unehelichen Kinder in das Heimatsrecht auf, das der Vater besitzt, wenn er dieselben als seine Kinder anerkennt oder sogar, wenn er als Vater gerichtlich erwie- sen und erklärt worden ist.
Der zweite Satz hat seinen Grund darin, daß die Mutter nicht als Haupt sondern als Glied der Familie in die Ehe kommt und damit in einen neuen Statsverband eintritt, daher auch ihre Kinder nicht selbständig nachziehen kann.
367.
Es ist möglich, daß Jemand einen festen Wohnort in einem Lande besitzt und daselbst niedergelassen ist, ohne in den Statsverband dieses Landes einzutreten und ebenso, daß Jemand Grundeigenthum in einem Lande erwirbt und bewirthschaftet, ohne Statsgenosse daselbst zu werden.
Wenn Heffter § 59 alle "in einem Lande Domicilirten" d. h. jeden, der darin eine feste häusliche Einrichtung für sich getroffen hat (Landsassen im wei- testen Sinne des Wortes) als Statsangehörige nach völkerrechtlichen Grundsätzen be-
Fünftes Buch.
Kinder mit der Geburt und ſo lange ſie in dem väterlichen Hauſe leben, der Statsgenoſſenſchaft ihres Vaters folgen.
Der Ehemann und der Vater als Haupt des Hauſes verbindet auch die Glie- der des Hauſes, die Frau und die Kinder mit dem State, zu dem er gehört. Da- bei wird jedoch vorausgeſetzt, daß die Ehe in dieſem State als rechtsgültig anerkannt werde, und daß nicht etwa beſondere Vorbehalte gemacht und zugeſtanden worden ſind oder andere geſetzliche Vorſchriften in einem Lande beſtehen. So gibt es Län- der, welche wohl den ehelichen Kindern bei ihrer Geburt die Statsgenoſſenſchaft zu- erkennen, aber nicht ohne weiteres geſtatten, daß dieſelben ihrem Vater folgen, wenn derſelbe ſpäter ein anderes Statsbürgerrecht erwirbt.
366.
Die unehelichen Kinder erhalten, wenn ſie nicht von dem State des geſtändigen oder ermittelten Vaters aufgenommen werden, das Heimatsrecht in dem State der Mutter, aber folgen dieſer nicht in einen andern Stats- verband nach, wenn ſie ſpäter durch Heirath eine neue Statsgenoſſenſchaft erwirbt.
Der erſte Satz folgt aus der ſichern Abſtammung des Kindes von der Mutter. Nur in der Ehe gilt die Abſtammung vom Vater als ebenſo ſicher und entſcheidet überdem die Rückſicht auf die leitende Stellung des Vaters im Hauſe und die bedeutſam hervortretende Beziehung desſelben zum State. Außer der Ehe und außerhalb des Hauſes kann zunächſt nur die Abſtammung von der Mutter über die Angehörigkeit zunächſt entſcheiden. Indeſſen nehmen manche Rechte der Einzelſtaten auch die unehelichen Kinder in das Heimatsrecht auf, das der Vater beſitzt, wenn er dieſelben als ſeine Kinder anerkennt oder ſogar, wenn er als Vater gerichtlich erwie- ſen und erklärt worden iſt.
Der zweite Satz hat ſeinen Grund darin, daß die Mutter nicht als Haupt ſondern als Glied der Familie in die Ehe kommt und damit in einen neuen Statsverband eintritt, daher auch ihre Kinder nicht ſelbſtändig nachziehen kann.
367.
Es iſt möglich, daß Jemand einen feſten Wohnort in einem Lande beſitzt und daſelbſt niedergelaſſen iſt, ohne in den Statsverband dieſes Landes einzutreten und ebenſo, daß Jemand Grundeigenthum in einem Lande erwirbt und bewirthſchaftet, ohne Statsgenoſſe daſelbſt zu werden.
Wenn Heffter § 59 alle „in einem Lande Domicilirten“ d. h. jeden, der darin eine feſte häusliche Einrichtung für ſich getroffen hat (Landſaſſen im wei- teſten Sinne des Wortes) als Statsangehörige nach völkerrechtlichen Grundſätzen be-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0234"n="212"/><fwplace="top"type="header">Fünftes Buch.</fw><lb/>
Kinder mit der Geburt und ſo lange ſie in dem väterlichen Hauſe leben,<lb/>
der Statsgenoſſenſchaft ihres Vaters folgen.</p><lb/><p>Der Ehemann und der Vater als Haupt des Hauſes verbindet auch die Glie-<lb/>
der des Hauſes, die Frau und die Kinder mit dem State, zu dem er gehört. Da-<lb/>
bei wird jedoch vorausgeſetzt, daß die Ehe in dieſem State als rechtsgültig anerkannt<lb/>
werde, und daß nicht etwa beſondere Vorbehalte gemacht und zugeſtanden worden<lb/>ſind oder andere geſetzliche Vorſchriften in einem Lande beſtehen. So gibt es Län-<lb/>
der, welche wohl den ehelichen Kindern bei ihrer Geburt die Statsgenoſſenſchaft zu-<lb/>
erkennen, aber nicht ohne weiteres geſtatten, daß dieſelben ihrem Vater folgen, wenn<lb/>
derſelbe ſpäter ein anderes Statsbürgerrecht erwirbt.</p></div><lb/><divn="4"><head>366.</head><lb/><p>Die unehelichen Kinder erhalten, wenn ſie nicht von dem State des<lb/>
geſtändigen oder ermittelten Vaters aufgenommen werden, das Heimatsrecht<lb/>
in dem State der Mutter, aber folgen dieſer nicht in einen andern Stats-<lb/>
verband nach, wenn ſie ſpäter durch Heirath eine neue Statsgenoſſenſchaft<lb/>
erwirbt.</p><lb/><p>Der erſte Satz folgt aus der <hirendition="#g">ſichern Abſtammung</hi> des Kindes von der<lb/>
Mutter. Nur in der Ehe gilt die Abſtammung vom Vater als ebenſo ſicher und<lb/>
entſcheidet überdem die Rückſicht auf die leitende Stellung des Vaters im Hauſe und<lb/>
die bedeutſam hervortretende Beziehung desſelben zum State. Außer der Ehe und<lb/>
außerhalb des Hauſes kann zunächſt nur die Abſtammung von der Mutter über die<lb/>
Angehörigkeit zunächſt entſcheiden. Indeſſen nehmen manche Rechte der Einzelſtaten<lb/>
auch die unehelichen Kinder in das Heimatsrecht auf, das der Vater beſitzt, wenn er<lb/>
dieſelben als ſeine Kinder anerkennt oder ſogar, wenn er als Vater gerichtlich erwie-<lb/>ſen und erklärt worden iſt.</p><lb/><p>Der zweite Satz hat ſeinen Grund darin, daß die Mutter nicht als Haupt<lb/>ſondern <hirendition="#g">als Glied der Familie</hi> in die Ehe kommt und damit in einen neuen<lb/>
Statsverband eintritt, daher auch ihre Kinder nicht ſelbſtändig nachziehen kann.</p></div><lb/><divn="4"><head>367.</head><lb/><p>Es iſt möglich, daß Jemand einen feſten Wohnort in einem Lande<lb/>
beſitzt und daſelbſt niedergelaſſen iſt, ohne in den Statsverband dieſes<lb/>
Landes einzutreten und ebenſo, daß Jemand Grundeigenthum in einem<lb/>
Lande erwirbt und bewirthſchaftet, ohne Statsgenoſſe daſelbſt zu werden.</p><lb/><p>Wenn <hirendition="#g">Heffter</hi> § 59 alle „in einem Lande Domicilirten“ d. h. jeden, der<lb/>
darin eine feſte häusliche Einrichtung für ſich getroffen hat (<hirendition="#g">Landſaſſen</hi> im wei-<lb/>
teſten Sinne des Wortes) als Statsangehörige nach völkerrechtlichen Grundſätzen be-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[212/0234]
Fünftes Buch.
Kinder mit der Geburt und ſo lange ſie in dem väterlichen Hauſe leben,
der Statsgenoſſenſchaft ihres Vaters folgen.
Der Ehemann und der Vater als Haupt des Hauſes verbindet auch die Glie-
der des Hauſes, die Frau und die Kinder mit dem State, zu dem er gehört. Da-
bei wird jedoch vorausgeſetzt, daß die Ehe in dieſem State als rechtsgültig anerkannt
werde, und daß nicht etwa beſondere Vorbehalte gemacht und zugeſtanden worden
ſind oder andere geſetzliche Vorſchriften in einem Lande beſtehen. So gibt es Län-
der, welche wohl den ehelichen Kindern bei ihrer Geburt die Statsgenoſſenſchaft zu-
erkennen, aber nicht ohne weiteres geſtatten, daß dieſelben ihrem Vater folgen, wenn
derſelbe ſpäter ein anderes Statsbürgerrecht erwirbt.
366.
Die unehelichen Kinder erhalten, wenn ſie nicht von dem State des
geſtändigen oder ermittelten Vaters aufgenommen werden, das Heimatsrecht
in dem State der Mutter, aber folgen dieſer nicht in einen andern Stats-
verband nach, wenn ſie ſpäter durch Heirath eine neue Statsgenoſſenſchaft
erwirbt.
Der erſte Satz folgt aus der ſichern Abſtammung des Kindes von der
Mutter. Nur in der Ehe gilt die Abſtammung vom Vater als ebenſo ſicher und
entſcheidet überdem die Rückſicht auf die leitende Stellung des Vaters im Hauſe und
die bedeutſam hervortretende Beziehung desſelben zum State. Außer der Ehe und
außerhalb des Hauſes kann zunächſt nur die Abſtammung von der Mutter über die
Angehörigkeit zunächſt entſcheiden. Indeſſen nehmen manche Rechte der Einzelſtaten
auch die unehelichen Kinder in das Heimatsrecht auf, das der Vater beſitzt, wenn er
dieſelben als ſeine Kinder anerkennt oder ſogar, wenn er als Vater gerichtlich erwie-
ſen und erklärt worden iſt.
Der zweite Satz hat ſeinen Grund darin, daß die Mutter nicht als Haupt
ſondern als Glied der Familie in die Ehe kommt und damit in einen neuen
Statsverband eintritt, daher auch ihre Kinder nicht ſelbſtändig nachziehen kann.
367.
Es iſt möglich, daß Jemand einen feſten Wohnort in einem Lande
beſitzt und daſelbſt niedergelaſſen iſt, ohne in den Statsverband dieſes
Landes einzutreten und ebenſo, daß Jemand Grundeigenthum in einem
Lande erwirbt und bewirthſchaftet, ohne Statsgenoſſe daſelbſt zu werden.
Wenn Heffter § 59 alle „in einem Lande Domicilirten“ d. h. jeden, der
darin eine feſte häusliche Einrichtung für ſich getroffen hat (Landſaſſen im wei-
teſten Sinne des Wortes) als Statsangehörige nach völkerrechtlichen Grundſätzen be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/234>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.