Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herstellung desselben.
Vgl. darüber oben § 471. In solchen Fällen mag auch eine unterdrückte Partei die Intervention anrufen, nicht im Namen des States, sondern nach Maß- gabe des Völkerrechts. Die Christen in der Türkei haben das wiederholt mit Erfolg gethan.
479.
Wenn eine fremde Macht in unberechtigter Weise in einem Lande intervenirt, so sind die andern Staten berechtigt, dafür zu sorgen, daß diese Intervention wieder aufhöre und nicht zur Verletzung der Weltord- nung mißbraucht werde und darüber zu wachen, daß dieselbe nicht zu ihrem Schaden ausgebeutet werde.
1. Die von Spanien her drohende Intervention in Portugal hat 1826 die Engländer zur Intervention bewogen, um die Portugiesische Constitution zu schützen. Die Intervention Oesterreichs im Kirchenstat im Jahr 1831 hat Frankreich veranlaßt, durch Besetzung von Ancona eine Stellung dagegen zu nehmen. Gegen die Russische Intervention in der Türkei 1855 haben sich die Westmächte verbündet und den orientalischen Krieg unternommen. Der französischen Intervention in Mexiko traten die Vereinigten Staten 1866 entgegen.
2. Es ist möglich, daß ein Stat seine Vertragsrechte zu wahren unternimmt, indem er gegen Verfassungsänderungen intervenirt, welche jene verletzen. Dazu ist er berechtigt, aber das nur soweit, als er in den Schranken des Völkerrechts seine Rechte zu vertheidigen das Recht hat. Insbesondere hat die Beseitigung von dyna- stischen Thronfolgerechten durch eine Statsumwälzung zunächst nur eine statsrecht- liche und keine völkerrechtliche Bedeutung.
480.
In zusammengesetzten Staten bestimmt die Unions- oder Bundes- verfassung, inwiefern die Intervention der Central- oder Bundesgewalt in die Verfassungsstreitigkeiten der Einzelstaten zulässig sei.
Beispiele die zahlreichen Interventionen im deutschen Bund, in den Vereinigten Staten von Amerika, in der schweizerischen Eidgenossen- schaft.
Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.
Vgl. darüber oben § 471. In ſolchen Fällen mag auch eine unterdrückte Partei die Intervention anrufen, nicht im Namen des States, ſondern nach Maß- gabe des Völkerrechts. Die Chriſten in der Türkei haben das wiederholt mit Erfolg gethan.
479.
Wenn eine fremde Macht in unberechtigter Weiſe in einem Lande intervenirt, ſo ſind die andern Staten berechtigt, dafür zu ſorgen, daß dieſe Intervention wieder aufhöre und nicht zur Verletzung der Weltord- nung mißbraucht werde und darüber zu wachen, daß dieſelbe nicht zu ihrem Schaden ausgebeutet werde.
1. Die von Spanien her drohende Intervention in Portugal hat 1826 die Engländer zur Intervention bewogen, um die Portugieſiſche Conſtitution zu ſchützen. Die Intervention Oeſterreichs im Kirchenſtat im Jahr 1831 hat Frankreich veranlaßt, durch Beſetzung von Ancona eine Stellung dagegen zu nehmen. Gegen die Ruſſiſche Intervention in der Türkei 1855 haben ſich die Weſtmächte verbündet und den orientaliſchen Krieg unternommen. Der franzöſiſchen Intervention in Mexiko traten die Vereinigten Staten 1866 entgegen.
2. Es iſt möglich, daß ein Stat ſeine Vertragsrechte zu wahren unternimmt, indem er gegen Verfaſſungsänderungen intervenirt, welche jene verletzen. Dazu iſt er berechtigt, aber das nur ſoweit, als er in den Schranken des Völkerrechts ſeine Rechte zu vertheidigen das Recht hat. Insbeſondere hat die Beſeitigung von dyna- ſtiſchen Thronfolgerechten durch eine Statsumwälzung zunächſt nur eine ſtatsrecht- liche und keine völkerrechtliche Bedeutung.
480.
In zuſammengeſetzten Staten beſtimmt die Unions- oder Bundes- verfaſſung, inwiefern die Intervention der Central- oder Bundesgewalt in die Verfaſſungsſtreitigkeiten der Einzelſtaten zuläſſig ſei.
Beiſpiele die zahlreichen Interventionen im deutſchen Bund, in den Vereinigten Staten von Amerika, in der ſchweizeriſchen Eidgenoſſen- ſchaft.
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Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herſtellung desſelben.
Vgl. darüber oben § 471. In ſolchen Fällen mag auch eine unterdrückte
Partei die Intervention anrufen, nicht im Namen des States, ſondern nach Maß-
gabe des Völkerrechts. Die Chriſten in der Türkei haben das wiederholt mit Erfolg
gethan.
479.
Wenn eine fremde Macht in unberechtigter Weiſe in einem Lande
intervenirt, ſo ſind die andern Staten berechtigt, dafür zu ſorgen, daß
dieſe Intervention wieder aufhöre und nicht zur Verletzung der Weltord-
nung mißbraucht werde und darüber zu wachen, daß dieſelbe nicht zu
ihrem Schaden ausgebeutet werde.
1. Die von Spanien her drohende Intervention in Portugal hat 1826
die Engländer zur Intervention bewogen, um die Portugieſiſche Conſtitution zu
ſchützen. Die Intervention Oeſterreichs im Kirchenſtat im Jahr 1831 hat Frankreich
veranlaßt, durch Beſetzung von Ancona eine Stellung dagegen zu nehmen. Gegen die
Ruſſiſche Intervention in der Türkei 1855 haben ſich die Weſtmächte verbündet
und den orientaliſchen Krieg unternommen. Der franzöſiſchen Intervention in
Mexiko traten die Vereinigten Staten 1866 entgegen.
2. Es iſt möglich, daß ein Stat ſeine Vertragsrechte zu wahren unternimmt,
indem er gegen Verfaſſungsänderungen intervenirt, welche jene verletzen. Dazu iſt
er berechtigt, aber das nur ſoweit, als er in den Schranken des Völkerrechts ſeine
Rechte zu vertheidigen das Recht hat. Insbeſondere hat die Beſeitigung von dyna-
ſtiſchen Thronfolgerechten durch eine Statsumwälzung zunächſt nur eine ſtatsrecht-
liche und keine völkerrechtliche Bedeutung.
480.
In zuſammengeſetzten Staten beſtimmt die Unions- oder Bundes-
verfaſſung, inwiefern die Intervention der Central- oder Bundesgewalt in
die Verfaſſungsſtreitigkeiten der Einzelſtaten zuläſſig ſei.
Beiſpiele die zahlreichen Interventionen im deutſchen Bund, in den
Vereinigten Staten von Amerika, in der ſchweizeriſchen Eidgenoſſen-
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/291>, abgerufen am 25.11.2024.
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