Inwiefern aber die Angehörigen eines States, der Krieg führt, als Statsbürger oder Unterthanen der Statsgewalt öffentlich-rechtlich verpflich- tet sind, werden sie auch von der Kriegsgewalt des Feindes betroffen und inwiefern sie persönlich an dem Kampfe des States Theil nehmen, werden sie auch als mittelbare Feinde betrachtet und behandelt.
1. Der Stat gebietet, soweit das öffentliche Recht es gut heißt, und die öffent- liche Wohlfahrt es erfordert, auch über die Kräfte seiner Bürger. Er legt denselben Kriegslasten auf. Insoweit hemmt natürlich die feindliche Kriegsgewalt, soweit ihre Macht reicht, die Unterstützung des Stats durch die Bürger und fordert im Gegentheil, soweit das Völkerrecht es zuläßt, für sich diese Unterstützung.
2. Wenn ferner dem feindlichen State die Truppen des Stats -- gleichviel ob sie nur aus Bürgern des Stats oder vielleicht auch aus fremden Söldnern bestehen -- mit den Waffen entgegentreten, so erscheinen diese Truppen thatsächlich als Feinde, und obwohl auch sie nur im Auftrag und Dienste des States Feind- schaft üben, so werden sie nun doch von den friedlichen Unterthanen des gegnerischen States unterschieden und als Feinde im weitern Sinn des Worts (mittelbare Feinde) angesehen. Als solche sind sie im Kampfe der Todesgefahr und besiegt der Kriegsgefangenschaft ausgesetzt.
533.
Der antike Satz, daß der Feind rechtlos sei, wird von dem heutigen Völkerrecht als unmenschlich verworfen.
Vgl. zu 529. Die Menschenrechte dauern auch im Kriege fort und ebenso die Privatrechte, soweit nicht der Nothstand des Kriegs eine Beschränkung nothwen- dig macht.
534.
Ebenso wird der Satz, daß wider den Feind Alles erlaubt sei, was dem Krieg führenden State nützlich erscheint, von dem civilisirten Völker- recht als barbarisch mißbilligt.
Das Völkerrecht verbindet auch die Kriegsparteien während des Kriegs als Glieder der Menschheit und beschränkt dieselben in der Anwen- dung der zulässigen Gewaltmittel.
Da der Krieg gewaltsame Rechtshülfe und sein Endziel Herstellung der Rechtsordnung und des Friedens ist, so muß auch die Kriegsgewalt die Schranken
Achtes Buch.
532.
Inwiefern aber die Angehörigen eines States, der Krieg führt, als Statsbürger oder Unterthanen der Statsgewalt öffentlich-rechtlich verpflich- tet ſind, werden ſie auch von der Kriegsgewalt des Feindes betroffen und inwiefern ſie perſönlich an dem Kampfe des States Theil nehmen, werden ſie auch als mittelbare Feinde betrachtet und behandelt.
1. Der Stat gebietet, ſoweit das öffentliche Recht es gut heißt, und die öffent- liche Wohlfahrt es erfordert, auch über die Kräfte ſeiner Bürger. Er legt denſelben Kriegslaſten auf. Inſoweit hemmt natürlich die feindliche Kriegsgewalt, ſoweit ihre Macht reicht, die Unterſtützung des Stats durch die Bürger und fordert im Gegentheil, ſoweit das Völkerrecht es zuläßt, für ſich dieſe Unterſtützung.
2. Wenn ferner dem feindlichen State die Truppen des Stats — gleichviel ob ſie nur aus Bürgern des Stats oder vielleicht auch aus fremden Söldnern beſtehen — mit den Waffen entgegentreten, ſo erſcheinen dieſe Truppen thatſächlich als Feinde, und obwohl auch ſie nur im Auftrag und Dienſte des States Feind- ſchaft üben, ſo werden ſie nun doch von den friedlichen Unterthanen des gegneriſchen States unterſchieden und als Feinde im weitern Sinn des Worts (mittelbare Feinde) angeſehen. Als ſolche ſind ſie im Kampfe der Todesgefahr und beſiegt der Kriegsgefangenſchaft ausgeſetzt.
533.
Der antike Satz, daß der Feind rechtlos ſei, wird von dem heutigen Völkerrecht als unmenſchlich verworfen.
Vgl. zu 529. Die Menſchenrechte dauern auch im Kriege fort und ebenſo die Privatrechte, ſoweit nicht der Nothſtand des Kriegs eine Beſchränkung nothwen- dig macht.
534.
Ebenſo wird der Satz, daß wider den Feind Alles erlaubt ſei, was dem Krieg führenden State nützlich erſcheint, von dem civiliſirten Völker- recht als barbariſch mißbilligt.
Das Völkerrecht verbindet auch die Kriegsparteien während des Kriegs als Glieder der Menſchheit und beſchränkt dieſelben in der Anwen- dung der zuläſſigen Gewaltmittel.
Da der Krieg gewaltſame Rechtshülfe und ſein Endziel Herſtellung der Rechtsordnung und des Friedens iſt, ſo muß auch die Kriegsgewalt die Schranken
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Achtes Buch.
532.
Inwiefern aber die Angehörigen eines States, der Krieg führt, als
Statsbürger oder Unterthanen der Statsgewalt öffentlich-rechtlich verpflich-
tet ſind, werden ſie auch von der Kriegsgewalt des Feindes betroffen und
inwiefern ſie perſönlich an dem Kampfe des States Theil nehmen, werden
ſie auch als mittelbare Feinde betrachtet und behandelt.
1. Der Stat gebietet, ſoweit das öffentliche Recht es gut heißt, und die öffent-
liche Wohlfahrt es erfordert, auch über die Kräfte ſeiner Bürger. Er legt
denſelben Kriegslaſten auf. Inſoweit hemmt natürlich die feindliche Kriegsgewalt,
ſoweit ihre Macht reicht, die Unterſtützung des Stats durch die Bürger und fordert
im Gegentheil, ſoweit das Völkerrecht es zuläßt, für ſich dieſe Unterſtützung.
2. Wenn ferner dem feindlichen State die Truppen des Stats — gleichviel ob
ſie nur aus Bürgern des Stats oder vielleicht auch aus fremden Söldnern beſtehen
— mit den Waffen entgegentreten, ſo erſcheinen dieſe Truppen thatſächlich
als Feinde, und obwohl auch ſie nur im Auftrag und Dienſte des States Feind-
ſchaft üben, ſo werden ſie nun doch von den friedlichen Unterthanen des gegneriſchen
States unterſchieden und als Feinde im weitern Sinn des Worts (mittelbare
Feinde) angeſehen. Als ſolche ſind ſie im Kampfe der Todesgefahr und beſiegt
der Kriegsgefangenſchaft ausgeſetzt.
533.
Der antike Satz, daß der Feind rechtlos ſei, wird von dem heutigen
Völkerrecht als unmenſchlich verworfen.
Vgl. zu 529. Die Menſchenrechte dauern auch im Kriege fort und ebenſo
die Privatrechte, ſoweit nicht der Nothſtand des Kriegs eine Beſchränkung nothwen-
dig macht.
534.
Ebenſo wird der Satz, daß wider den Feind Alles erlaubt ſei, was
dem Krieg führenden State nützlich erſcheint, von dem civiliſirten Völker-
recht als barbariſch mißbilligt.
Das Völkerrecht verbindet auch die Kriegsparteien während des
Kriegs als Glieder der Menſchheit und beſchränkt dieſelben in der Anwen-
dung der zuläſſigen Gewaltmittel.
Da der Krieg gewaltſame Rechtshülfe und ſein Endziel Herſtellung der
Rechtsordnung und des Friedens iſt, ſo muß auch die Kriegsgewalt die Schranken
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/320>, abgerufen am 24.11.2024.
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