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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Das Kriegsrecht.
lichem Recht Niemandem zumuthen, daß er eher zum Märtyrer werde und sich eher
mißhandeln oder tödten lasse, als der thatsächlichen Statsgewalt Folge leiste. Alle
Armeen bedürfen der Wegeführer und alle wenden im Nothfall Drohung und Zwang
an, um dieselben zu bekommen. Daher darf auch Niemand gestraft werden, weil er
dieser Nothwendigkeit sich unterwarf.

636.

Wegeführer, welche die Truppen absichtlich mißleiten, verfallen dem
Kriegsrecht dieser Truppen und können mit dem Tode bestraft werden.

Am. 97. Die große Gefahr, in welche die Truppen durch absichtliche
Irreleitung gebracht werden können, rechtfertigt auch hier die militärische Strenge.
Die Kriegsgerichte müssen sich aber davor hüten, leichthin eine verrätherische Absicht
des Wegeführers zu vermuthen, denn es ist sehr möglich, daß dieser sich selber ge-
täuscht und sich verirrt hat, während er die Absicht hatte, den richtigen Weg zu
finden und zu suchen. In diesem Falle darf er nicht gestraft werden. Es bedarf
daher zur Bestrafung des Irreführers eines Beweises der bösen Absicht,
welche freilich nur aus den Umständen zu erschließen ist.

637.

Auch den diplomatischen Agenten ist nicht gestattet, während des
Kriegs aus dem von Truppen besetzten Lande über die militärischen Zu-
stände und Vorgänge Mittheilungen nach außen zu machen, welche der
kriegführende Gegner zum Schaden der erstern Kriegspartei benutzen kann.
Zuwiderhandelnde können sofort weggewiesen und bei großer Gefahr sogar
verhaftet und einstweilen sicher verwahrt werden.

Am. 98. Die privilegirte Stellung der diplomatischen Personen darf nicht
mißbraucht werden, um die Kriegsführung zu schädigen. Die Sicherheit dieser
ist eine so überaus wichtige Angelegenheit, daß selbst ein Eingriff in das Privilegium
der Unverletzlichkeit der Gesanten und in ihre Exterritorialität gerechtfertigt erscheint,
sobald und in so weit derselbe nöthig ist, um die Kriegsführung gegen solche Ge-
fährdung zu schützen.

638.

Auch den fremden Besuchern und Berichterstattern ist in dieser Hin-
sicht große Vorsicht zur Pflicht gemacht. Die Befehlshaber können ihnen
bestimmte Mittheilungen untersagen und nach Umständen eine Controle

Das Kriegsrecht.
lichem Recht Niemandem zumuthen, daß er eher zum Märtyrer werde und ſich eher
mißhandeln oder tödten laſſe, als der thatſächlichen Statsgewalt Folge leiſte. Alle
Armeen bedürfen der Wegeführer und alle wenden im Nothfall Drohung und Zwang
an, um dieſelben zu bekommen. Daher darf auch Niemand geſtraft werden, weil er
dieſer Nothwendigkeit ſich unterwarf.

636.

Wegeführer, welche die Truppen abſichtlich mißleiten, verfallen dem
Kriegsrecht dieſer Truppen und können mit dem Tode beſtraft werden.

Am. 97. Die große Gefahr, in welche die Truppen durch abſichtliche
Irreleitung gebracht werden können, rechtfertigt auch hier die militäriſche Strenge.
Die Kriegsgerichte müſſen ſich aber davor hüten, leichthin eine verrätheriſche Abſicht
des Wegeführers zu vermuthen, denn es iſt ſehr möglich, daß dieſer ſich ſelber ge-
täuſcht und ſich verirrt hat, während er die Abſicht hatte, den richtigen Weg zu
finden und zu ſuchen. In dieſem Falle darf er nicht geſtraft werden. Es bedarf
daher zur Beſtrafung des Irreführers eines Beweiſes der böſen Abſicht,
welche freilich nur aus den Umſtänden zu erſchließen iſt.

637.

Auch den diplomatiſchen Agenten iſt nicht geſtattet, während des
Kriegs aus dem von Truppen beſetzten Lande über die militäriſchen Zu-
ſtände und Vorgänge Mittheilungen nach außen zu machen, welche der
kriegführende Gegner zum Schaden der erſtern Kriegspartei benutzen kann.
Zuwiderhandelnde können ſofort weggewieſen und bei großer Gefahr ſogar
verhaftet und einſtweilen ſicher verwahrt werden.

Am. 98. Die privilegirte Stellung der diplomatiſchen Perſonen darf nicht
mißbraucht werden, um die Kriegsführung zu ſchädigen. Die Sicherheit dieſer
iſt eine ſo überaus wichtige Angelegenheit, daß ſelbſt ein Eingriff in das Privilegium
der Unverletzlichkeit der Geſanten und in ihre Exterritorialität gerechtfertigt erſcheint,
ſobald und in ſo weit derſelbe nöthig iſt, um die Kriegsführung gegen ſolche Ge-
fährdung zu ſchützen.

638.

Auch den fremden Beſuchern und Berichterſtattern iſt in dieſer Hin-
ſicht große Vorſicht zur Pflicht gemacht. Die Befehlshaber können ihnen
beſtimmte Mittheilungen unterſagen und nach Umſtänden eine Controle

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[345/0367] Das Kriegsrecht. lichem Recht Niemandem zumuthen, daß er eher zum Märtyrer werde und ſich eher mißhandeln oder tödten laſſe, als der thatſächlichen Statsgewalt Folge leiſte. Alle Armeen bedürfen der Wegeführer und alle wenden im Nothfall Drohung und Zwang an, um dieſelben zu bekommen. Daher darf auch Niemand geſtraft werden, weil er dieſer Nothwendigkeit ſich unterwarf. 636. Wegeführer, welche die Truppen abſichtlich mißleiten, verfallen dem Kriegsrecht dieſer Truppen und können mit dem Tode beſtraft werden. Am. 97. Die große Gefahr, in welche die Truppen durch abſichtliche Irreleitung gebracht werden können, rechtfertigt auch hier die militäriſche Strenge. Die Kriegsgerichte müſſen ſich aber davor hüten, leichthin eine verrätheriſche Abſicht des Wegeführers zu vermuthen, denn es iſt ſehr möglich, daß dieſer ſich ſelber ge- täuſcht und ſich verirrt hat, während er die Abſicht hatte, den richtigen Weg zu finden und zu ſuchen. In dieſem Falle darf er nicht geſtraft werden. Es bedarf daher zur Beſtrafung des Irreführers eines Beweiſes der böſen Abſicht, welche freilich nur aus den Umſtänden zu erſchließen iſt. 637. Auch den diplomatiſchen Agenten iſt nicht geſtattet, während des Kriegs aus dem von Truppen beſetzten Lande über die militäriſchen Zu- ſtände und Vorgänge Mittheilungen nach außen zu machen, welche der kriegführende Gegner zum Schaden der erſtern Kriegspartei benutzen kann. Zuwiderhandelnde können ſofort weggewieſen und bei großer Gefahr ſogar verhaftet und einſtweilen ſicher verwahrt werden. Am. 98. Die privilegirte Stellung der diplomatiſchen Perſonen darf nicht mißbraucht werden, um die Kriegsführung zu ſchädigen. Die Sicherheit dieſer iſt eine ſo überaus wichtige Angelegenheit, daß ſelbſt ein Eingriff in das Privilegium der Unverletzlichkeit der Geſanten und in ihre Exterritorialität gerechtfertigt erſcheint, ſobald und in ſo weit derſelbe nöthig iſt, um die Kriegsführung gegen ſolche Ge- fährdung zu ſchützen. 638. Auch den fremden Beſuchern und Berichterſtattern iſt in dieſer Hin- ſicht große Vorſicht zur Pflicht gemacht. Die Befehlshaber können ihnen beſtimmte Mittheilungen unterſagen und nach Umſtänden eine Controle

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/367>, abgerufen am 22.11.2024.