nicht die nackte Barbarei der Maßregel. Es ist auch militärisch unehrenhaft, die Soldaten dadurch zu ihrer kriegerischen Pflichterfüllung anzureizen, daß man sie zu Räubern macht und das offenbare Unrecht solcher Plünderung ist in keiner Beziehung ein Ersatz für das in ehrlichem Kriege vergossene Blut und aufgebrauchte Gut. Die Privaten führen nicht Krieg und dürfen daher auch nicht der brutalen Raubsucht preisgegeben werden.
662.
Insoweit die Zerstörung von Privateigenthum als bloße nothwendige Folge der Kriegsführung selbst erscheint, ist dieselbe kein Unrecht, sondern als Unglück für die Privatpersonen zu betrachten.
Vgl. zu § 652. Möglicherweise werden einzelne Privateigenthümer sehr hart von den zerstörenden Wirkungen des Kriegs betroffen, indem ihre Felder verwüstet, ihre Gebäude niedergerissen, ihre Wohnungen abgebrannt werden. Soweit diese Uebel unvermeidlich erscheinen, soweit muß der Eigenthümer dieselben ertragen, wie den Hagelschlag oder wie die Ueberschwemmung des ausgetretenen Stromes, wie den Brand, den der Blitz entzündet hat. Es ist das für sie ein Unglück, nicht ein erlit- tenes Unrecht. Daher haben sie auch keine Rechtsforderung auf Entschädigung weder gegen den feindlichen Stat, dessen Truppen die Zerstörung gemacht haben, noch gegen den eigenen Stat, auf dessen Schutz sie angewiesen sind. Aber die Rück- sichten der Billigkeit sprechen dafür, daß der letztere Stat, wenn seine Finanz- kräfte dazu ausreichen, hinterher den Schaden, den Einzelne um seines Krieges willen erlitten haben, wenigstens in der Hauptsache vergüte.
663.
Muthwillige oder rachsüchtige Zerstörung oder Schädigung von Privateigenthum ist ein Rechtsbruch und als solcher strafbar.
Insbesondere sind die Brandstiftung oder die Ausrodung von Cul- turpflanzen, die Zerstörung von Dämmen u. s. f., wenn sie nicht durch die militärische Nothwendigkeit gerechtfertigt werden, eine völkerrechtswidrige Barbarei.
Schon Megasthenes rühmt es den alten Indiern nach, daß sie im Kriege die Pflanzungen der Bauern verschonen, während selbst die civilisirten Hel- lenen zuweilen die Oelbäume in feindlichem Gebiete umhauen (Laurent, hist. de l'hum. I. S. 132). Das classische Alterthum steckt noch tief in dieser Barbarei und das Mittelalter verstand unter Kriegsführung vorzugsweise die möglichste Schä- digung auch des Privateigenthums in Feindesland. Erst die spätere Kriegsführung wird allmählich milder. Laurent (X. S. 387) hebt es rühmlich heraus, daß
Achtes Buch.
nicht die nackte Barbarei der Maßregel. Es iſt auch militäriſch unehrenhaft, die Soldaten dadurch zu ihrer kriegeriſchen Pflichterfüllung anzureizen, daß man ſie zu Räubern macht und das offenbare Unrecht ſolcher Plünderung iſt in keiner Beziehung ein Erſatz für das in ehrlichem Kriege vergoſſene Blut und aufgebrauchte Gut. Die Privaten führen nicht Krieg und dürfen daher auch nicht der brutalen Raubſucht preisgegeben werden.
662.
Inſoweit die Zerſtörung von Privateigenthum als bloße nothwendige Folge der Kriegsführung ſelbſt erſcheint, iſt dieſelbe kein Unrecht, ſondern als Unglück für die Privatperſonen zu betrachten.
Vgl. zu § 652. Möglicherweiſe werden einzelne Privateigenthümer ſehr hart von den zerſtörenden Wirkungen des Kriegs betroffen, indem ihre Felder verwüſtet, ihre Gebäude niedergeriſſen, ihre Wohnungen abgebrannt werden. Soweit dieſe Uebel unvermeidlich erſcheinen, ſoweit muß der Eigenthümer dieſelben ertragen, wie den Hagelſchlag oder wie die Ueberſchwemmung des ausgetretenen Stromes, wie den Brand, den der Blitz entzündet hat. Es iſt das für ſie ein Unglück, nicht ein erlit- tenes Unrecht. Daher haben ſie auch keine Rechtsforderung auf Entſchädigung weder gegen den feindlichen Stat, deſſen Truppen die Zerſtörung gemacht haben, noch gegen den eigenen Stat, auf deſſen Schutz ſie angewieſen ſind. Aber die Rück- ſichten der Billigkeit ſprechen dafür, daß der letztere Stat, wenn ſeine Finanz- kräfte dazu ausreichen, hinterher den Schaden, den Einzelne um ſeines Krieges willen erlitten haben, wenigſtens in der Hauptſache vergüte.
663.
Muthwillige oder rachſüchtige Zerſtörung oder Schädigung von Privateigenthum iſt ein Rechtsbruch und als ſolcher ſtrafbar.
Insbeſondere ſind die Brandſtiftung oder die Ausrodung von Cul- turpflanzen, die Zerſtörung von Dämmen u. ſ. f., wenn ſie nicht durch die militäriſche Nothwendigkeit gerechtfertigt werden, eine völkerrechtswidrige Barbarei.
Schon Megaſthenes rühmt es den alten Indiern nach, daß ſie im Kriege die Pflanzungen der Bauern verſchonen, während ſelbſt die civiliſirten Hel- lenen zuweilen die Oelbäume in feindlichem Gebiete umhauen (Laurent, hist. de l’hum. I. S. 132). Das claſſiſche Alterthum ſteckt noch tief in dieſer Barbarei und das Mittelalter verſtand unter Kriegsführung vorzugsweiſe die möglichſte Schä- digung auch des Privateigenthums in Feindesland. Erſt die ſpätere Kriegsführung wird allmählich milder. Laurent (X. S. 387) hebt es rühmlich heraus, daß
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Achtes Buch.
nicht die nackte Barbarei der Maßregel. Es iſt auch militäriſch unehrenhaft, die
Soldaten dadurch zu ihrer kriegeriſchen Pflichterfüllung anzureizen, daß man ſie zu
Räubern macht und das offenbare Unrecht ſolcher Plünderung iſt in keiner Beziehung
ein Erſatz für das in ehrlichem Kriege vergoſſene Blut und aufgebrauchte Gut. Die
Privaten führen nicht Krieg und dürfen daher auch nicht der brutalen Raubſucht
preisgegeben werden.
662.
Inſoweit die Zerſtörung von Privateigenthum als bloße nothwendige
Folge der Kriegsführung ſelbſt erſcheint, iſt dieſelbe kein Unrecht, ſondern
als Unglück für die Privatperſonen zu betrachten.
Vgl. zu § 652. Möglicherweiſe werden einzelne Privateigenthümer ſehr hart
von den zerſtörenden Wirkungen des Kriegs betroffen, indem ihre Felder verwüſtet,
ihre Gebäude niedergeriſſen, ihre Wohnungen abgebrannt werden. Soweit dieſe
Uebel unvermeidlich erſcheinen, ſoweit muß der Eigenthümer dieſelben ertragen, wie
den Hagelſchlag oder wie die Ueberſchwemmung des ausgetretenen Stromes, wie den
Brand, den der Blitz entzündet hat. Es iſt das für ſie ein Unglück, nicht ein erlit-
tenes Unrecht. Daher haben ſie auch keine Rechtsforderung auf Entſchädigung
weder gegen den feindlichen Stat, deſſen Truppen die Zerſtörung gemacht haben,
noch gegen den eigenen Stat, auf deſſen Schutz ſie angewieſen ſind. Aber die Rück-
ſichten der Billigkeit ſprechen dafür, daß der letztere Stat, wenn ſeine Finanz-
kräfte dazu ausreichen, hinterher den Schaden, den Einzelne um ſeines Krieges
willen erlitten haben, wenigſtens in der Hauptſache vergüte.
663.
Muthwillige oder rachſüchtige Zerſtörung oder Schädigung von
Privateigenthum iſt ein Rechtsbruch und als ſolcher ſtrafbar.
Insbeſondere ſind die Brandſtiftung oder die Ausrodung von Cul-
turpflanzen, die Zerſtörung von Dämmen u. ſ. f., wenn ſie nicht durch
die militäriſche Nothwendigkeit gerechtfertigt werden, eine völkerrechtswidrige
Barbarei.
Schon Megaſthenes rühmt es den alten Indiern nach, daß ſie im
Kriege die Pflanzungen der Bauern verſchonen, während ſelbſt die civiliſirten Hel-
lenen zuweilen die Oelbäume in feindlichem Gebiete umhauen (Laurent, hist.
de l’hum. I. S. 132). Das claſſiſche Alterthum ſteckt noch tief in dieſer Barbarei
und das Mittelalter verſtand unter Kriegsführung vorzugsweiſe die möglichſte Schä-
digung auch des Privateigenthums in Feindesland. Erſt die ſpätere Kriegsführung
wird allmählich milder. Laurent (X. S. 387) hebt es rühmlich heraus, daß
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/382>, abgerufen am 19.07.2024.
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