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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Achtes Buch.
§ 137), bricht das natürliche Recht durch, welches zur allgemeinen Regel zu werden
geeignet ist. Wenn die Fischerboote zu kriegerischen Zwecken dienen, dann sind sie
der Wegnahme ausgesetzt, aber nicht, so lange sie von dem friedlichen Berufe
der Fischer
benutzt werden.

668.

Auch auf gestrandete Schiffe und geborgene Güter erstreckt sich das
Prisenrecht nicht.

Freilich wenn das der Wegnahme ausgesetzte Schiff auf der Flucht scheitert,
so kann der Nehmer sich noch desselben bemächtigen.

669.

Die gute Kriegssitte erfordert, daß die feindlichen Handelsschiffe nicht
mehr sofort nach dem Ausbruch des Krieges durch unerwartete Wegnahme
überrascht, sondern denselben eine Frist gewährt werde, innerhalb welcher
sie aus den feindlichen Häfen auslaufen und einen sicheren Zufluchtsort
aufsuchen können.

Vor dem Krieg ist die Wegnahme nicht erlaubt, sondern höchstens die Be-
schlagnahme (Embargo). Vgl. § 509. Aber es ist offenbar sehr hart, friedlich
gesinnte Kauffahrer, ohne vorherige Warnung, am Tage der Kriegseröffnung, zu
überfallen und ihre Schiffe und Ladung als Prise wegzunehmen. Da sträubt sich
das heutige Rechtsgefühl stärker gegen die Anwendung des alten Satzes, daß die
Schiffe und Waaren der "Feinde" der Confiscation verfallen. Ein völkerrechtlicher
Fortschritt der Art ist vornehmlich in dem Russischen Kriege von 1854 gemacht wor-
den, indem die beiden Westmächte Frankreich und England den Russischen Schiffen
in ihrem Bereich eine Frist von 6 Wochen gaben, um sich und ihre Ladung in
Sicherheit zu bringen. Man nennt diese Verstattung Indult.

670.

Nach dem in Europa anerkannten Völkerrecht dürfen keine Kaper-
schiffe mehr zur Seebeute ermächtigt werden.

1. Die Kriegssitte der Seestaten hatte sich nicht da mit begnügt, durch ihre
Kriegsschiffe den Handel der feindlichen Nation zur See möglichst zu schädigen, zu
berauben und zu unterdrücken. Sie suchte diese Gefährdung des Handels noch da-
durch zu vergrößern, daß sie die Raubsucht und den Haß der Privaten benutzte und

Achtes Buch.
§ 137), bricht das natürliche Recht durch, welches zur allgemeinen Regel zu werden
geeignet iſt. Wenn die Fiſcherboote zu kriegeriſchen Zwecken dienen, dann ſind ſie
der Wegnahme ausgeſetzt, aber nicht, ſo lange ſie von dem friedlichen Berufe
der Fiſcher
benutzt werden.

668.

Auch auf geſtrandete Schiffe und geborgene Güter erſtreckt ſich das
Priſenrecht nicht.

Freilich wenn das der Wegnahme ausgeſetzte Schiff auf der Flucht ſcheitert,
ſo kann der Nehmer ſich noch desſelben bemächtigen.

669.

Die gute Kriegsſitte erfordert, daß die feindlichen Handelsſchiffe nicht
mehr ſofort nach dem Ausbruch des Krieges durch unerwartete Wegnahme
überraſcht, ſondern denſelben eine Friſt gewährt werde, innerhalb welcher
ſie aus den feindlichen Häfen auslaufen und einen ſicheren Zufluchtsort
aufſuchen können.

Vor dem Krieg iſt die Wegnahme nicht erlaubt, ſondern höchſtens die Be-
ſchlagnahme (Embargo). Vgl. § 509. Aber es iſt offenbar ſehr hart, friedlich
geſinnte Kauffahrer, ohne vorherige Warnung, am Tage der Kriegseröffnung, zu
überfallen und ihre Schiffe und Ladung als Priſe wegzunehmen. Da ſträubt ſich
das heutige Rechtsgefühl ſtärker gegen die Anwendung des alten Satzes, daß die
Schiffe und Waaren der „Feinde“ der Confiscation verfallen. Ein völkerrechtlicher
Fortſchritt der Art iſt vornehmlich in dem Ruſſiſchen Kriege von 1854 gemacht wor-
den, indem die beiden Weſtmächte Frankreich und England den Ruſſiſchen Schiffen
in ihrem Bereich eine Friſt von 6 Wochen gaben, um ſich und ihre Ladung in
Sicherheit zu bringen. Man nennt dieſe Verſtattung Indult.

670.

Nach dem in Europa anerkannten Völkerrecht dürfen keine Kaper-
ſchiffe mehr zur Seebeute ermächtigt werden.

1. Die Kriegsſitte der Seeſtaten hatte ſich nicht da mit begnügt, durch ihre
Kriegsſchiffe den Handel der feindlichen Nation zur See möglichſt zu ſchädigen, zu
berauben und zu unterdrücken. Sie ſuchte dieſe Gefährdung des Handels noch da-
durch zu vergrößern, daß ſie die Raubſucht und den Haß der Privaten benutzte und

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[364/0386] Achtes Buch. § 137), bricht das natürliche Recht durch, welches zur allgemeinen Regel zu werden geeignet iſt. Wenn die Fiſcherboote zu kriegeriſchen Zwecken dienen, dann ſind ſie der Wegnahme ausgeſetzt, aber nicht, ſo lange ſie von dem friedlichen Berufe der Fiſcher benutzt werden. 668. Auch auf geſtrandete Schiffe und geborgene Güter erſtreckt ſich das Priſenrecht nicht. Freilich wenn das der Wegnahme ausgeſetzte Schiff auf der Flucht ſcheitert, ſo kann der Nehmer ſich noch desſelben bemächtigen. 669. Die gute Kriegsſitte erfordert, daß die feindlichen Handelsſchiffe nicht mehr ſofort nach dem Ausbruch des Krieges durch unerwartete Wegnahme überraſcht, ſondern denſelben eine Friſt gewährt werde, innerhalb welcher ſie aus den feindlichen Häfen auslaufen und einen ſicheren Zufluchtsort aufſuchen können. Vor dem Krieg iſt die Wegnahme nicht erlaubt, ſondern höchſtens die Be- ſchlagnahme (Embargo). Vgl. § 509. Aber es iſt offenbar ſehr hart, friedlich geſinnte Kauffahrer, ohne vorherige Warnung, am Tage der Kriegseröffnung, zu überfallen und ihre Schiffe und Ladung als Priſe wegzunehmen. Da ſträubt ſich das heutige Rechtsgefühl ſtärker gegen die Anwendung des alten Satzes, daß die Schiffe und Waaren der „Feinde“ der Confiscation verfallen. Ein völkerrechtlicher Fortſchritt der Art iſt vornehmlich in dem Ruſſiſchen Kriege von 1854 gemacht wor- den, indem die beiden Weſtmächte Frankreich und England den Ruſſiſchen Schiffen in ihrem Bereich eine Friſt von 6 Wochen gaben, um ſich und ihre Ladung in Sicherheit zu bringen. Man nennt dieſe Verſtattung Indult. 670. Nach dem in Europa anerkannten Völkerrecht dürfen keine Kaper- ſchiffe mehr zur Seebeute ermächtigt werden. 1. Die Kriegsſitte der Seeſtaten hatte ſich nicht da mit begnügt, durch ihre Kriegsſchiffe den Handel der feindlichen Nation zur See möglichſt zu ſchädigen, zu berauben und zu unterdrücken. Sie ſuchte dieſe Gefährdung des Handels noch da- durch zu vergrößern, daß ſie die Raubſucht und den Haß der Privaten benutzte und

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/386>, abgerufen am 22.11.2024.